100 Jahre Internationaler Frauentag, 25 Jahre Frauenbüro – Aktionen im Jubiläumsjahr

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Weiblich„Mehr als die Hälfte der Darmstädter Bevölkerung ist weiblich, deshalb ist Frauenpolitik keine Randerscheinung, sondern muss die Belange der Bürgerinnen aufgreifen, in allen Politikbereichen. Die reale Gleichberechtigung ist trotz vieler Erfolge noch nicht erreicht. Angefangen beim hohen Anteil von Alleinerziehenden im AlG II Bezug, ungleichem Lohn für gleiche Arbeit, zu geringem Anteil von Frauen in Führungspositionen oder im Bereich Gewaltschutz. Auch hier in Darmstadt braucht es weiterhin den Einsatz von Frauen und Männern die sich politisch, beruflich, privat und ehrenamtlich für Chancengleichheit einsetzen“, sagte Stadtrat und Frauendezernent Jochen Partsch bei einer Pressekonferenz zum doppelten Jubiläum 25 Jahre Frauenbüro in Darmstadt und 100 Jahre Internationaler Frauentag.

Unterstützt von Frauen aus allen Parteien und von den Frauen aus der Frauenbewegung hat Anfang der 80er Jahre die Institutionalisierung der Frauenbewegung begonnen. Institutionalisierte Frauenpolitik in Form eines Frauenbüros gibt es in Darmstadt, seit der Magistrat am 23.10.1985 der „Einrichtung einer Dienstelle zur Gleichstellung der Frau“ zugestimmt hat.

„Das Frauenbüro hat sich als engagiert und professionell arbeitende Fachstelle für Gleichstellungs-Angelegenheiten etabliert und ist oft als Motor in einem großen, interdisziplinären Netzwerk aktiv. Schlüsselthemen sind nach wie vor Existenz sichernde Erwerbsarbeit für Frauen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Mütter und Väter und Gewaltschutz. Mittlerweile hat sich der Gegenwind der letzten Jahrzehnte in Teilbereichen in Rückenwind verwandelt. Arbeiten wir gemeinsam weiter daran, dass Darmstadt für Frauen eine Stadt mit Zukunft ist“, zog die Leiterin des Frauenbüros, Sabine Eller, Bilanz.

Stadtrat Jochen Partsch zählte als Erfolge des Frauenbüros auf: die Gleichstellungspolitik in der Stadtverwaltung, Vereinbarkeit Beruf und Familie, Gewaltschutz, Erwerbsarbeit und frauengerechtes Bauen und Wohnen: „Kündigungen wegen Teilzeitwunsch und Kinderbetreuung sind heute unvorstellbar. Hier haben Elternzeitgesetz, Hessisches Gleichberechtigungsgesetz und das Audit Beruf und Familie unter Federführung engagierter Frauenbeauftragter in den vergangenen Jahrzehnten Möglichkeiten geschaffen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Angefangen von zahlreichen Teilzeitarbeitsmodellen, flexibler Arbeitszeit bis hin zur Notfallkinderbetreuung. Aktuell arbeiten wir innerhalb der Verwaltung daran, dass Führung auch in Teilzeit möglich wird und alternierende Telearbeit gelebte Alltagspraxis werden kann. Die Erfolge beruhen auf der Arbeit der früheren Frauenbeauftragten. Mein Dank gilt daher Kaj Fölster, Dr. Wilma Mohr, Traudel Baur und Barbara Akdeniz sowie ihren jeweiligen Teams.“

Zum Thema Gewaltschutz betonte Jochen Partsch: „In den 80er Jahren hat sich kaum eine Frau getraut öffentlich zu sagen, dass sie häusliche Gewalt oder sexuelle Missbrauch erfahren hat und wenn doch, dann gab es keine Anlaufstellen für ihre Probleme. Heute gibt es ein gut funktionierendes Gewaltschutznetzwerk unter Geschäftsführung des Frauenbüros, vertragliche Absicherung von Einrichtungen wie Frauenhaus und Wildwasser und Gewaltschutz wird von der Kommunalpolitik als gesellschaftliche Pflichtaufgabe wahrgenommen. Aktuell arbeiten wir vernetzt daran, die Zusammenarbeit mit der Justiz, Täterarbeit und präventive Angebote zum Thema Zwangsheirat auszubauen.“

Die Zahl der Einelternfamilien steigt in den letzten 25 Jahren konstant an. Dabei sind es überwiegend Frauen, die alleine erziehen. Aufgrund der Teilzeitbeschäftigung tragen sie ein hohes Armutsrisiko auch im Alter. „Die Zahlen zeigen, mit Kindern zwischen zehn und 14 Jahren sind mehr als 70 Prozent der erwerbstätigen Mütter teilzeitbeschäftigt. Im Gegensatz zu den Müttern verändert sich der Umfang der Erwerbsbeteiligung von Vätern mit Kind unter 15 Jahren kaum. Die Teilzeitquote der Väter lag, so Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 2008 – je nach Alter des jüngsten Kindes im Haushalt – zwischen vier und sechs Prozent. Zwar hat sich in den 90er Jahren erfreulicherweise die gesetzliche Grundlage verändert – so dass allein erziehende Frauen nicht mehr per se Sozialhilfe beziehen, sondern in die aktive Arbeitsmarktpolitik der Hartz IV-Gesetzgebung einbezogen werden. Aber dass dies alleine nicht reicht, haben wir in Darmstadt erkannt und deshalb 2010 auf meine Initiative hin DANA – das Darmstädter Netzwerk Alleinerziehende gegründet. Das Netzwerk will Frauen in Erwerbsarbeit bringen und darüber hinaus die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen und Kinder verbessern. Darauf arbeitet auch das vom Darmstädter Frauenbüro initiierte und geleitete Bündnis für Familie hin“, erläuterte Jochen Partsch weiter.

„In den 90er Jahren sensibilisierte die damalige Frauenbeauftragte für frauengerechtes Bauen und Wohnen. Plakativ gesagt dafür – dass Stadtplanung nicht von Auto fahrenden Männern für Kinderwagen schiebende Frauen erfolgt – sondern, dass die Lebenswirklichkeit von Frauen und Kindern bei der Verkehrs- und Stadtplanung berücksichtigt werden müssen. Daraus ist das Wohnprojekt „Vilbeler Weg“ entstanden – als erster frauen- und familiengerechter Wohnort in Darmstadt. Im derzeitigen Konversionsprozess sind die Forderungen nach familienfreundlicher Wohnraumgestaltung, Verkehrsplanung auch aus Sicht der Kinder und Quartiersgestaltung unter Berücksichtigung der Zielgruppe Frauen, Familien und Kinder im Stadtplanungsprozess verankert. Nun gilt es diesen Prozess auch sozialplanerisch umzusetzen – so dass alle Zielgruppen davon profitieren und ein neues Quartier unter Beteiligung Aller entsteht mit dem sich die dort lebenden Bürgerinnen und Bürger von Anfang an identifizieren“, führte Jochen Partsch zu den Fortschritten zum Thema frauengerechtes Wohnen und Bauen aus.

Zum aktuellen Stand der Gleichberechtigung in Darmstadt ein paar Zahlen: 50,5 Prozent der Darmstädter Bevölkerung ist weiblich. 72.403 Frauen und Mädchen leben in der Stadt. Davon sind 10.121 zwischen eins und 15 Jahren. 11.108 Frauen kommen aus 140 Nationen und haben einen ausländischen Pass. Migrantinnen sind überproportional von Erwerbslosigkeit betroffen: Allein der Anteil von erwerbslosen Hochschulabsolventinnen mit Migrationshintergrund ist doppelt so hoch wie der erwerbsloser deutscher Akademikerinnen, so Zahlen des Interkulturellen Büros. Nach dem 2002 in Kraft getretenen Gewaltschutzgesetzt muss nicht mehr das Opfer die gemeinsame Wohnung verlassen. Dennoch bleibt vielen Frauen nur die Flucht ins Frauenhaus – in Darmstadt suchten 2009 75 Frauen mit ihren 61 Kindern im Frauenhaus Zuflucht.

Zu seinem Jubiläum hat das Frauenbüro seine Broschüre „Gleichberechtigung für die Hosentasche“ überarbeitet und neu aufgelegt. Sie erscheint mit vielen neuen Zahlen über die Situation von Frauen in Darmstadt, Deutschland und Europa am 8. März 2011.

Am 8. März 2011 wird der internationale Frauentag 100 Jahre alt. Er entstand im Kampf um Gleichberechtigung und Wahlrecht für Frauen. „Der erste Internationale Frauentag fand 1911 statt. Der „Hessische Volksfreund“ berichtete über eine Darmstädter Versammlung am 19. März 1911. Die zentrale Forderung war das Wahl- und Stimmrecht für Frauen. Wählen und gewählt werden dürfen Frauen in Deutschland seit 1919. Andere Forderungen – wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit – blieben aktuell und andere kamen dazu“, erklärte dazu Agnes Schmidt, Leiterin der Luise-Büchner-Frauengeschichtsbibliothek. Die Darmstädterin Luise Büchner hatte bereits 1855 das Recht von Frauen auf Bildung und Zugang zu qualifizierten Berufen sowie eigenständige Erwerbsarbeit gefordert.

Erfolge sollen auch gefeiert werden: Das Frauenbüro lädt deshalb im Verbund mit zahlreichen Kooperationspartnerinnen zu Veranstaltungen ein. Am 11. März 2011 gemeinsam mit der Abteilung für Chancengleichheit aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg zu einer Feier in die Centralstation: Von 20 bis 22 Uhr träumt Trude von Afrika mit „Das Beste aus den ersten 17 Jahren – eine Comedy- und Percussion-Show“. Danach gibt es Musik vom Plattenteller mit Morelle & Krete. Das Fest ist für Frauen und Männer. Karten sind für 16 Euro (ermäßigt 8 Euro) zu haben.

Im Jubiläumsjahr gibt es weitere Termine: Auch heute noch sind Frauen wählerisch und befragen am 10. März 2011 Kommunalpolitik mit dem kritischen Blick frauenpolitischer Wahlprüfsteine ab 19.30 Uhr in der Evangelischen Michaelsgemeinde. Ein Internationales Frühstück, Kabarett, ein Vortrag über Musliminnen der Gegenwart und über die Finanz- und Wirtschaftskrise aus Frauensicht und eine Feier zum Internationalen Frauentag in der Bessunger Knabenschule stehen auch noch auf dem Programm. Das Programm und weitere Informationen gibt es unter www.frauenbuero.darmstadt.de oder per Telefon unter 13-2340. Die Broschüre „Gleichberechtigung für die Hosentasche“ ist ab 8. März 2011 im Frauenbüro und im Bürgerinformationszentrum im Neuen Rathaus am Luisenplatz erhältlich.

Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt


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