Literarischer März 2021 in Darmstadt: Leonce-und-Lena-Preis geht an Katrin Pitz – Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise für Anna Hetzer und Lara Rüter

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Der Kulturdezernent der Wissenschaftsstadt Darmstadt, Oberbürgermeister Jochen Partsch, hat am Samstag (27.03.21) um 20 Uhr im Kulturwerk Centralstation den Leonce-und-Lena-Preis 2021 an Katrin Pitz (geboren 1989 in Marburg) vergeben. Die Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise gehen an Anna Hetzer (geboren 1986) und Lara Rüter (geboren 1990 in Hannover). Mit dem Leonce-und-Lena-Preis ist ein Preisgeld von 8.000 Euro verbunden, die Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise sind mit jeweils 4.000 Euro dotiert. Die Entscheidung über die Preisvergabe trafen die Jurymitglieder Michael Braun, Ulrike Draesner, Peter Geist, Jan Koneffke und Marion Poschmann. Dem Lektorat, das eine Vorauswahl unter den insgesamt 476 Bewerbungen traf, gehörten Christian Döring, Kurt Drawert und Hanne F. Juritz an. Lesungen und Preisverleihung konnten im Gegensatz zu den vergangenen Jahren dieses Jahr coronabedingt nur online und ohne Publikum stattfinden.

Die Jury schreibt in ihrer Begründung zur Preisvergabe des Leonce-und-Lena-Preises an Katrin Pitz: „Wie ein kind, dem man bloß einen schlüssel umgehängt hat“ – das Subjekt der Gedichte von Katrin Pitz steht nicht außerhalb der Welt; es taucht in sie ein, um sie „von unten“, aus der Nähe zu erforschen. Elliptische Sätze vermeiden das „lyrische Ich“ und lassen es erkennend teilhaben an den Pflanzen und ihrer Wundflüssigkeit, der Narbhaftigkeit der Natur: „gibt vögel … die fliegen in rotierende schaufeln hinein. möchte man ungern nur haben.“ Mit poetischer Rhythmisierung, die den Blocksatz dynamisiert, bewegt sich die Sprache durch eine von Zurichtung und Versehrtheit geprägte Landschaft. Für „Naturwissenschaften“, einen kunstvollen Zyklus von überraschender Blickrichtung und berührender Intensität geht der Leonce-und-Lena-Preis 2021 der Stadt Darmstadt an Katrin Pitz.“

Zu Anna Hetzer schreibt die Jury: „Den Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis 2021 verleiht die Stadt Darmstadt den ironisch-spielerischen Frauenporträts von Anna Hetzer. Der Berliner Dichterin gelingt ein aufschlussreiches Experiment: nämlich „die Mythen Europas nur mit Frauen* zu erzählen“.  Hier werden Rollenmodelle für eine weibliche Subjektivität entworfen – in Abgrenzung nicht nur von den vertrauten mythischen Figurationen (z. B. vom Medusa-Mythos), sondern auch von den Identitätsmustern der Populärkultur und den Positionsbestimmungen von modernen Autorinnen wie Djuna Barnes oder Anne Sexton. Fernab jeder pathetischen Bekenntnisgestik werden Motive der Geschlechtlichkeit, der fluiden Gender-Konstruktion und des weiblichen Körpers in anspielungsreiche Verse gefasst. In diesen poetischen Transformationen „stockt die Hymne“ und wird umgehend zum „Hymen“. Es erscheint konsequent, wenn am Ende dieses Vexierspiels um weibliche Identität eine Huldigung der queeren Fotokünstlerin Risk Hazekamp steht.“

Der zweite Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis der Stadt Darmstadt 2021 wird Lara Rüter zugesprochen „für Gedichte einer originären, unverwechselbaren Subjektivität. Insbesondere die Koppelung von Mythen-Rückgriff und Computer-Jugendsprache des 21. Jahrhunderts, von Naivetät und Raffinesse, von Koketterie und Ausgebufftheit erzeugt Verblüffung und Lesegenuss. Ein dichtes Verweisungsnetz zur weltliterarischen Tradition bildet ein Gegengewicht zu performativen Redegesten, die im Hier und Heute verortet sind. Geschickt werden so Balancen austariert und neue lyrische Räume eröffnet. Zudem bestechen die Gedichte durch überraschende Sprachfiguren wie z. B. „sich umzuwissen“, „und die sonne wirft mit scherben /statt herzen“, kurzum: „worte als florale netzwerkübung“. Die Überschrift „lovey dovey dummchen“ ist dabei understatement – mit „ovid an der hand“, mit Botticelli und den philosophisch relevanten Genforschungen greifen Gegenwärtigkeit und Menschheitsfragen ineinander.“

Bereits zum 22. Mal hat die Wissenschaftsstadt Darmstadt den Literarischen März ausgerichtet. Seit 1979 werden in diesem Rahmen der Leonce-und-Lena-Preis und seit 1997 der Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis alle zwei Jahre von der Wissenschaftsstadt Darmstadt vergeben.
Zwölf junge Autorinnen und Autoren hatte das Lektorat des Literarischen März 2021 unter 476 Bewerbungen ausgewählt: Am 27. März 2021 traten sie in Lesungen in der Darmstädter Centralstation an und stellten sich der Kritik. Bewerben konnten sich Nachwuchslyrikerinnen und -lyriker, die nicht vor 1985 geboren sind.
Autobiografien:

Katrin Pitz

geboren 1989 in Marburg, lebt in Darmstadt. Studium des Maschinenbaus an der TU Darmstadt und seitdem verschiedene Tätigkeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Ingenieurin. Schreibt Lyrik und Kurzprosa und übersetzt aus dem Spanischen. Mehrmalige Preisträgerin des Treffens Junger Autoren und des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen. 2015 Stipendiatin des Klagenfurter Literaturkurses. 2019 Finalistin des 27. open mike.

Bisherige Veröffentlichungen:

– Übersetzung „Astrid Lander: Un sol congelado | Eine überfrorene Sonne“, hochroth Heidelberg, 2020
– Kurzgeschichte „Antworten zu geben“ in „27. open mike – Wettbewerb für junge Literatur 2019“, Allitera Verlag, 2019
– Prosaminiaturen im Begleitheft „Miniaturen – Fotografien von Marcel Rauschkolb mit Texten von Katrin Pitz“ zur Ausstellung „14. Stock“ im Schauraum Darmstadt, 2019
– Gedichte in „L. Der Literaturbote“, Ausgabe 124, 2017
– Gedichte in „L. Der Literaturbote“, Ausgabe 118 & 119, 2015

Anna Hetzer

*1986. Studium der Medizin, Philosophie und Literatur in Berlin. Sie ist Mitglied des Lyrikkollektivs G13. Zudem beteiligt sie sich regelmäßig an künstlerischen Kooperationen, so zuletzt in running out of words, einer Konzertreihe für Neue Vokalmusik, im Projekt handverlesen zum Austausch mit Gebärdenpoet*innen, und in Audrey Naline’s Lyrical Lip Sync für Drag und Lyrik.

Auszeichnungen:

2017 Aufenthaltsstipendium der Villa Decius, Krakau
2018 Finalistin Lyrikpreis Meran
2018 Finalistin Ulla-Hahn-Autorenpreis

Monographien:

– Zwischen den prasselnden Punkten, Verlagshaus Berlin 2016
– Stempelkissenbuch, Sukultur 2017
– Kippbilder, Verlagshaus Berlin 2019

Übersetzungen:

– Izabela Morska: Madame Intuita, Parasitenpresse 2019

Anthologien:

– Lyrik von Jetzt 3, (Hrsg. Czollek, Fehr, Prosser), Wallstein 2015
– Lob der mechanischen Ente, (Hrsg. Roth), Sukultur 2017
– Jahrbuch der Lyrik, (Hrsg. Bleutge, Buchwald), Schöffling 2018
– Das Gedicht und sein Double, (Hrsg. Hünger, Pfannenschmidt), Edition Azur 2018
– Flexen: Flaneusen* schreiben Städte, (Hrsg. Dündar, Göhring, Othmann,  Sauer), Verbrecher Verlag 2019

Zeitschriften:

Belletristik, Poet, Metamorphosen, Sachen mit Wörtern, Mosaik, Literaturbote, Fadaat, Glitter, Mein lesbisches Auge, Mein heimliches Auge, PS-Politisch Schreiben, Positionen

Lara Rüter

geb. 1990 in Hannover. Studierte Kulturwissenschaften in Hildesheim und Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sie war Preisträgerin für Lyrik beim 26. Open Mike. 2020 erhielt sie den Caroline-Schlegel-Förderpreis für Essayistik. Veröffentlichungen erschienen in Zeitschriften und Anthologien, u. a. in Transistor³, Sprache im technischen Zeitalter und Edit. Sie lebt in Leipzig.

Preise:

2020 Caroline-Schlegel- Förderpreis für Essayistik
2018 Lyrikpreis beim 26. Open Mike
2018 Ulrich-Grasnick-Lyrikpreis

Veröffentlichungen/Publikation:

2015
– Lyrik von Jetzt 3 (Wallstein Verlag)
– Der Greif No. 8

2016
– Bella Triste Nr. 44
– randnummer literaturhefte No. 6-7-8
– All dies hier, Majestät, ist deins. Lyrik im Anthropozän (Kookbooks)

2017
– Tippgemeinschaft 17 (Connewitzer Verlagsbuchhandlung)
– Ansicht der leuchtenden Wurzeln von unten (Poetenladen)
– außerdem Nr. 22
– Gegenstrophe. Blätter zur Lyrik 8

2018
– Aus Mangel an Beweisen. Deutsche Lyrik 2008-2018 (Wunderhorn)
– Open Mike. Die 20 Finaltexte (Allitera)
– Reisen. Gedichte (Reclam)
– Tippgemeinschaft 18 (Connewitzer Verlagsbuchhandlung)

2019
– Sprache im technischen Zeitalter, Heft 231
– Poetin Nr. 27
– Edit Nr. 78/79

2020
– Transistor³
– Ostragehege
– Positionen. Texte zur aktuellen Musik
– JENNY Nr. 7
– Ανθολογία νέων Γερμανών ποιητών. Anthologie junger deutscher Lyriker*innen (Goethe Institut/
youngpoets.eu)
– Weltbetrachter. Neue Lyrik aus Sachsen (Poetenladen)

Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt


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