Kulturarbeit an der Stadtkirche geht weiter – Kirchengemeinde und Dekanat haben Lösung durch zusätzliche Stelle gefunden

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Noch vor einem Jahr war es ungewiss, wie es mit der Kulturarbeit an der Stadtkirche in Darmstadt weitergehen soll. Klar war, dass die halbe Kulturpfarrstelle Ende 2024 wegfallen wird. Das hatte die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) so beschlossen, davon sind auch andere Städte im Kirchengebiet betroffen.

Stadtkirchenpfarrer Karsten Gollnow übte öffentlich Kritik, Zeitungen berichteten, es entstand eine Publikumsinitiative, die Unterschriften sammelte. Kulturinstitute, Musikerinnen und Musiker, Autorinnen und Autoren schrieben Unterstützerbriefe. Das Evangelische Dekanat Darmstadt suchte händeringend nach einer Lösung, damit die Kulturarbeit, die in der Stadt und darüber hinaus hohes Ansehen genießt, weitergehen kann. „Das Dekanat hat großes Interesse, dass es mit der Kulturarbeit weitergeht“, sagt Dr. Annette Laakmann, Präses der Dekanatssynode, bei einem Pressegespräch in der Stadtkirche, der ältesten Kirche der Darmstädter Innenstadt.

Jetzt haben die Dekanatsleitung und der Kirchenvorstand der Stadtkirchengemeinde gemeinsam mit Pfarrer Karsten Gollnow eine Lösung gefunden. Gollnow hat inzwischen die volle Gemeindepfarrstelle in der Stadtkirchengemeinde übernommen, nachdem seine Kollegin Pfarrerin Anita Gimbel-Blänkle in den Ruhestand gegangen war. Als Schwerpunkt beinhaltet seine Stellenbeschreibung auch die Kulturarbeit. Dazu erhält er jetzt aber noch Unterstützung: Ab 1. Januar 2024 wird es eine halbe Stelle Kulturmanagement an der Stadtkirche geben. Die Ausschreibung läuft. Finanziert werden soll die Stelle, die vor allem die Organisation von Kulturveranstaltungen beinhaltet, aus drei Quellen: Das Kunstforum der Technischen Universität Darmstadt will sich beteiligen und es sollen Projektmittel der EKHN sowie städtische Mittel bereitstehen. Die Stelle ist zunächst auf zwei Jahre befristet, dann muss die Finanzierung neu sichergestellt werden.

Die Kulturangebote wie Lesungen, Konzerte, Ausstellungen, Krimi- und Predigtreihen mit Prominenten aus Politik, Wissenschaft und Kultur stellten eine „wichtige kirchliche Arbeit in Darmstadt dar“, so Dr. Annette Laakmann. Dadurch bekämen auch Menschen Kontakt zur Kirche, die sonst nicht in Gottesdienste gingen. „Oft finden religiöse Gespräche am Rande von Veranstaltungen statt“, berichtet Pfarrer Karsten Gollnow, „die Gesellschaft kommt so mit Kirche ins Gespräch.“ „Kirche und Kultur überschneiden sich hier“, so Gollnow, wie etwa bei der Ausstellung „Der gedeckte Tisch“ mit Porzellanobjekten des Künstlers Joachim Henkel, die gerade eröffnet wurde. Hier gehe es etwa um die Frage der Welternährung. Mit Vertretern von Attac und „Solidarische Landwirtschaft Darmstadt“ hält er begleitend zur Ausstellung Predigtgespräche.

Begonnen habe die Kulturarbeit an der Stadtkirche mit dem Aufbau der Kirchenmusik seit Ende der fünfziger Jahre, vor 30 Jahren kamen auch Lesungen und Ausstellungen hinzu, sagt Dr. Ralf Köbler, stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstands. Köbler, Präsident des Darmstädter Landgerichts und Autor der seit 2007 erscheinenden Stadtkirchen-Krimis, ist seit 40 Jahren im Kirchenvorstand und kennt die Stadtkirchengemeinde von klein auf. Bis heute spiele die Kirchenmusik unter der Leitung von Kantor Christian Roß eine wichtige Rolle und stelle auch den größten Anteil an Jugendarbeit in der Gemeinde mit der Singschule der Darmstädter Kantorei dar.

Im Jahr 2000 übernahm Gemeindepfarrer Martin Schneider die Kulturarbeit an der Stadtkirche erstmals mit einer eigenen halben Kulturpfarrstelle. Seit vier Jahren ist Karsten Gollnow mit dieser Aufgabe betraut.

Für Dekan Dr. Raimund Wirth ist die Kulturarbeit der Stadtkirche auch eine Form der „öffentlichen Kirche für die Gesellschaft“. Dr. Ralf Köbler kann sich perspektivisch vorstellen, dass in der Kirche ein Café eingerichtet wird oder eine Bestuhlung den Kirchenraum flexibler macht. Es gibt bereits Pläne zum Umbau der Stadtkirche zu einer Kultur- und Citykirche im Rahmen des städtischen Innenstadtentwicklungskonzepts.

„Man könnte hier mit seinem Laptop arbeiten oder auch ein Mittagsschläfchen halten“, sagt Pfarrer Karsten Gollnow. Ein Arbeitskreis hat hierzu das „Konzept einer Stadtkirchenarbeit 2030“ für eine „offene Kirche“ entwickelt. Kürzlich gab es einen Architekturwettbewerb für Studierende zur Nutzung der Stadtkirche, wovon noch Modelle im Kirchraum zu sehen sind. Zur weiteren Unterstützung der Kulturarbeit hat sich außerdem den „Freundeskreis Kultur in der Stadtkirche Darmstadt e.V.“ gegründet, der um Sponsoren und Fördermitglieder wirbt. Auch eine Zusammenarbeit mit dem ökumenischen Kirchenladen Kirche & Co., der gerade von der Rheinstraße ins Gemeindehaus der Stadtkirche umgezogen ist, wird bereits praktiziert.

Wenn das Stadtmarketing Führungen organisiert, stehen die Teilnehmenden nicht selten vor der verschlossenen Stadtkirche, bemängelt Pfarrer Karsten Gollnow. „Wir brauchen eine regelmäßige Betreuung der Kirche“, sagt Gollnow, „die Kirche sollte immer offen sein.“

Zum Programm der Stadtkirche: Erstmals findet vom 22. September bis 28. November 2023 der „Literarische Herbst“ mit einem gemeinsamen Programm von Stadtkirche und Literaturhaus statt. Zum Auftakt präsentiert Schauspieler Christian Wirmer Büchners „Lenz“ in Theaterform in der Stadtkirche. Alle Termine und Tickets: www.stadtkirche-darmstadt.de.

Quelle & Bild: Evangelisches Dekanat Darmstadt


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