Die Otto-Bartning-Stiftung hat am Donnerstag, 8. September 2022, die Förderpreise für 2019 und 2020 an fünf Studentinnen und Studenten der TU Darmstadt (TUD) und der Hochschule Darmstadt (h_da) vergeben. Ausgezeichnet wurden Diana Schlez (TUD), Johanna Uhland (h_da), Rongjun Zhou (TUD) sowie Fabian P. Dahinten und Katharina Körber (beide h_da).
„Die preisgekrönten Arbeiten heben sich durch eine intensive und respektvolle Auseinandersetzung mit der Historie, dem Kontext und der Nutzung der verschiedenen Bauwerke hervor. Zugleich setzen alle Preisträgerinnen und Preisträger eigene, gut erkennbare gestalterische Akzente und zeigen so eindrücklich, dass aus der Ergänzung bzw. Weiterentwicklung bestehender Strukturen eine neue Qualität erwachsen kann. Die prämierten Arbeiten unterstreichen außerdem das Potential, das die Architekturstadt Darmstadt mit ihren Hochschulen zu bieten hat“, würdigte Oberbürgermeister Jochen Partsch im Rahmen der Preisverleihung die ausgezeichneten Entwürfe.
Diana Schlez entwickelt mit ihrem Projekt „Ehrenfels – Ein Haus für Gäste“ ein Gästehaus, das sich an den Bedürfnissen von Wanderinnen und Wanderern als Hauptzielgruppe orientiert. Im Bereich der ehemaligen Vorburg befindet sich das neue Empfangsgebäude, ein Kubus mit großen Fenstern, der eine klare und neue Eingangssituation setzt. Große Fenster ermöglichen Ausblicke in alle Richtungen. Die neue Fassade des Zwingers spiegelt die innere Struktur wieder. Eine Betonbrüstung nimmt Abstand zur Bestandswand, deutet aber in der Außenwirkung die Neuerungen an. Der Neubau ist komplett aus Stahlbeton in Sichtoptik gehalten und der massiven Steinmauer ebenbürtig. Möbel, Fenster und Türen sind aus Eichenholz gefertigt, Handläufe und Zimmernummern aus Baubronze. Der Neubau ergänzt so die alten Formen respektvoll aber selbstbewusst. Diana Schlez hat 2016 ihr Bachelor- und 2020 ihr Masterstudium im Fachbereich Architektur der TUD beendet. Seit 2020 ist sie als Architektin in Darmstadt tätig.
Johanna Uhlands Entwurf „Pavillon Nymphengarten“ für einen Gastronomiebetrieb im Karlsruher Schlossgarten erhält den Bestand des in den 1960er Jahren errichteten Pavillons in Grundform und Erscheinung. Der als Erweiterung des Naturkundemuseums Karlsruhe errichtete Pavillon wird an drei Seiten fast gänzlich von der Kubatur des Museumsbaus umfasst. Mit seiner Südseite öffnet sich der Pavillon zum Park hin. Die durch Größe und Kubatur des Gebäudes bedingten natürlichen Belichtungsprobleme greift Johanna Uhland konzeptionell auf und schafft Lufträume, um Licht bis ins Erdgeschoss zu führen und um die starke Horizontale in Akzenten spielerisch aufzulösen. Als gesamtgestaltendes Element setzt sie einen messingfarbenen Körper in den Rücken des Gebäudes, in dem sich überwiegend Nebenräume und im Obergeschoss zusätzlich ein geschlossener Speiseraum befinden. Die Pfosten-Riegel-Fassade greift Uhland wieder auf, für den Sonnen- und Sichtschutz werden Faltschiebeläden aus Metallgewebe angebracht. Nach einer Ausbildung zur Tischlerin beendete Johanna Uhland 2015 ihr Bachelor- und 2019 ihr Masterstudium Architektur an der Hochschule Darmstadt. Zu ihren beruflichen Stationen zählen u.a. die Deutschen Werkstätten Hellerau und die Uhland GmbH Schreinerei in Darmstadt, in der sie seit 2016 geschäftsführende Aufgaben übernimmt.
Mit seinem Entwurf „Bibliothek Astrid Lindgren-Zentrum für internationale Kinder- und Jugendliteratur“ entwirft Rongjun Zhou eine Kinder- und Jugendbibliothek am Junibacken, einem Literatur- und Museumspark für Kinder in Stockholm. Das Grundstück liegt am Meer, gegenüber befindet sich das Stadtzentrum mit Museen, Konzertsälen und anderen Kulturgebäuden. In Anlehnung an Pippi Langstrumpfs Segelschiff soll das Dach der Bibliothek an einen umgedrehten Schiffsrumpf erinnern. Das Volumen der Bibliothek erhält eine klare Form, um die Struktur zu erkennen und das Gefühl eines Schiffs zu erzeugen. Aus der Ferne wirkt der Bau leicht, schlank und schwebend. Das Gebäude ist dem Meer zugewandt, so dass es auf dem Meeresspiegel eine glatte Kurve bilden kann. Trotz seines Volumens scheint der Baukörper zu schweben, da die Fassade des Erdgeschosses transparent und zurückgesetzt ist. Mit Ausnahme der Neigung gibt es keine Differenzierung zwischen Fassade und Dach. Das stringente räumliche Konzept, die bewusste Reduktion auf wenige Elemente spiegelt auch die Fassadengestaltung wieder. Nach Abschluss seines Grundstudiums an der Tongji-Universität in Shanghai wechselte Rongjun Zhou an die TU Darmstadt und schloss dort sein Architekturstudium ab. Seitdem arbeitet Zhou bei Waechter+Waechter Architekten.
Fabian P. Dahinten und Katharina Körber wollen mit ihrem Entwurf „Ideenschmiede-Impuls für die unterschätzte Metropolregion Rhein-Ruhr“ ein sichtbares bauliches Signal für den Imagewechsel und die wirtschaftliche Neuausrichtung der Metropolregion Rhein-Ruhr setzen. Das Gründerzentrum an der Zoobrücke Köln soll Räume für Ideen schaffen, Grünräume verbinden, Stadtraum für den Menschen zurückerobern und die internationale Wahrnehmung des Standorts unterstützen. Das Grundstück wird umkreist von der Autobahnrampe. Das Konzept bindet mit Haltestellen für den ÖPNV, Anschluss an den Fahrradhighway und einer Seilbahnstation zwischen Hauptbahnhof, Zoo und Messegelände unterschiedliche Mobilitätsformen ein. Ein Hochhaus-Neubau hebt das Gebiet um den Kölner Zoo und den Rheinpark hervor. Über die bestehende Zoobrücke wird eine zweite Ebene ausschließlich für Radfahrerinnen und Radfahrer sowie Fußgängerinnen und Fußgänger aufgebracht, die als Brückenpark zusätzlich hochwertigen Stadtraum schafft und die Grünräume auf beiden Seiten des Rheins verbindet. Fabian P. Dahinten, hat 2015 den Bachelor- und 2020 den Masterstudiengang in Architektur an h_da mit Auszeichnung abgeschlossen. Seit 2020 ist er als Lehrbeauftragter an der Hochschule Darmstadt tätig. Katharina Körber hat 2015 den Bachelor- und 2020 den Masterstudiengang Architektur an der h_da mit Auszeichnung bestanden. Seit 2020 ist sie Lehrkraft für besondere Aufgaben im Fachgebiet Entwerfen der h_da.
Der Otto-Bartning-Förderpreis
Otto Bartnings (1883-1959) Bedeutung als Architekt wird in erster Linie an seinen Beiträgen zur Entwicklung des protestantischen Kirchenbaus festgemacht. Weniger bekannt ist, dass er sich in innovativer Weise auch mit anderen, fachspezifisch und/oder gesellschaftlich bedeutsamen Themen befasste. So wirkte Bartning maßgeblich an der Neuformulierung der Architektenausbildung nach dem Ersten Weltkrieg mit. Durch die Realisierung von Geschosswohnbauten in Berlin (Siemensstadt und Haselhorst) war er an wegweisenden Wohnbauprojekten der zwanziger und dreißiger Jahre beteiligt. In der Zeit des Wiederaufbaus engagierte sich Bartning u.a. im Vorstand des Bund der Architekten, im Deutschen Werkbund und leitete die Wiederaufbaukommission Helgoland. Bartning wurde in die Berliner Akademie der Künste und – aufgrund seines literarischen Wirkens – in das westdeutsche PEN-Zentrum gewählt. Er gilt als Spiritus Rector der „Darmstädter Gespräche“, die durch Auseinandersetzung mit Gegenwartsfragen die gesellschaftspolitische Diskussion anregten. Bartnings Werke im Kultur-, Sozial- und Wohnungsbau prägten die Baukultur der jungen Bundesrepublik. Mit seiner an den Bedürfnissen des Menschen orientierten Architektur trug er maßgeblich zu der Entwicklung der sozialen Moderne bei. In Darmstadt wurden nach Entwürfen von Bartning die Frauenklinik („Darmstädter Meisterbauten“), die Matthäuskirche in der Heimstättensiedlung, eine Wohnsiedlung an der Nieder-Ramstädter Straße und das Bau-Muster-Haus am Hauptbahnhof errichtet.
Anlässlich seines 70. Geburtstags hat die Stadt Darmstadt 1953 die Otto-Bartning-Stiftung für Baukunst und Bildende Künste errichtet. Zweck der Stiftung ist, „sowohl Schaffenden wie auch Lernenden im Bereich der Architektur, Malerei, Plastik und angewandten Künste durch Preise oder Ankäufe, Stellung von Aufgaben oder auf andere geeignete Weise Förderung zuteil werden zu lassen“. Der Schwerpunkt der Stiftungstätigkeit konzentriert sich seit 1998 auf die jährliche Auslobung des Otto-Bartning-Förderpreises für Studentinnen und Studenten des Fachbereichs Architektur der TUD und der h_da. Die Auszeichnung wird verliehen für „das persönliche Werk, das durch hervorragende wissenschaftliche /künstlerische Arbeiten/Entwürfe nachgewiesen ist“. Im Sinne Bartnings werden insbesondere Arbeiten ausgewählt, die sich auf kulturelle und/oder gesellschaftliche Aufgabenstellungen mit innovativen Lösungsansätzen beziehen. Fachliche Fähigkeiten werden ebenso wie die persönliche Entwicklung der Preisträgerinnen und Preisträger gewürdigt. Der Preis ist mit 2000 Euro dotiert. Er wird geteilt und mit je 1000 Euro Preisgeld an der TUD und der h_da vergeben. Die Preisgelder 2019 und 2020 wurden vom Förderverein Lions Club Darmstadt e.V. gestiftet.
Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt