Lyrische Matinéen 2010 in der Stadtkirche Darmstadt

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Stadtkirche DarmstadtUm Schweizer Literatur dreht sich alles bei den Lyrischen Matinéen im Frühjahr 2010. Zum zweiten Mal lädt Darmstadts ältestes Literaturhaus, die Stadtkirche, unter dem Titel „Europäische Nachbarn – Passion Schweiz“, zu einem Literaturfestival ein, das ganz einem Nachbarland gewidmet ist (2008 war es Österreich). In der Zeit vom 24. Januar bis zum 17. Februar (Aschermittwoch) stehen unter Schirmherrschaft des Schweizerischen Generalkonsuls in Frankfurt, Pius Bucher und Darmstadts Altoberbürgermeister Peter Benz, nicht weniger als 14 Lesungen auf dem Programm.

Den Anfang macht am Sonntag, dem 24. Januar (11.30 Uhr) Urs Widmer mit seinem neuen Roman „Herr Adamson“, der für den Schweizer Buchpreis 2009 nominiert war. Musikalisch wird die Eröffnungsveranstaltung von Nadja Räss gestaltet, der laut Neuer Zürcher Zeitung „wohl berühmtesten Repräsentantin einer ‚modernen‘ Jodelgeneration“. Dass Schweizer Schweizer Wein, Schweizer Käse und Bündner Fleisch bei dieser Ouvertüre nicht fehlen dürfen, versteht sich fast von selbst.

Am Mittwoch, dem 27. Januar (19.30 Uhr) ist dann Eleonore Frey mit ihrem von der Kritik gefeierten Buch „Muster aus Hans“ zu Gast, in dem sie das Leben aus der Perspektive des Autisten Hans darstellt. Ohne den Begriff Autismus auch nur einmal zu gebrauchen, gelingt es Eleonore Frey Hans und sein anderes, sehr eigenes Leben und Erleben dem Leser auf berührende Weise nahezubringen.

„Über Gott und die Welt“, heißt Peter Bichsels im Dezember bei Suhrkamp erschienenes neues Buch, das der Klassiker der Schweizer Literatur des 20. Jahrhunderts in der ihm gewidmeten Matinée am Sonntag, dem 31. Januar (11.30 Uhr) vorstellt.

Franz Hohler liest am Mittwoch, dem 3. Februar (19.30 Uhr), aus „Das grosse Buch“, seinen hinreißenden Geschichten für Kinder und Erwachsenen. „Franz Hohlers Geschichten … zeugen von einer philosophischen Heiterkeit und Zuversicht, die Leser jeden Alters in den Bann schlägt. Man klappt das Buch zu, aber nur, um es gleich wieder umzudrehen und von vorn anzufangen“, schrieb Felicitas von Lovenberg in der FAZ.

Am folgenden Sonntag, dem 7. Februar (11.30 Uhr) stellt Peter von Matt „Wörterleuchten“ vor, seine in Marcel Reich-Ranickis Frankfurter Anthologie erschienen Gedichtinterpretationen. Von Heinrich Hetzbold von Weißensee über Johann Christian Günther, Claudius und Lessing, Goethe und Schiller bis zu Brecht, Benn, Rühmkorf und Grünbein spannt er dabei den Bogen. Ingo de Haas, Konzertmeister des Frankfurter Museumsorchesters, das 2009 zum besten Opernorchester Deutschlands gewählt wurde, spielt Johann Sebastian Bachs Partita Nr. 3 in E-Dur für Violine solo.

Lukas Bärfuss, 2005 zum Dramatiker des Jahres gewählt, entführt die Zuhörenden mit seinem Romandebut „Hundert Tage“, am Montag, dem 8. Februar (19.30 Uhr), nach Ruanda ins Jahr 1994. In Kigali wütet der Mob. David, Mitarbeiter der Schweizer Entwicklungshilfe, hat das Flugzeug, mit dem die letzten Ausländer evakuiert wurden, abfliegen lassen. Er versteckt sich hundert Tage in seinem Haus, vom Gärtner mit Nahrung versorgt – und mit Informationen über Agathe, Tochter eines Ministerialbeamten, die der Grund für sein Bleiben ist. 2008 war „Hundert Tage“ für den Deutschen Buchpreis nominiert.

„Der König von Olten“ ist Alex Capus‘ Sensationserfolg des vergangenen Sommers. Als erzählender Flaneur setzt Alex Capus seiner Heimat Olten ein würdiges Denkmal. Er erzählt, am Dienstag, dem 9. Februar (19.30 Uhr) von der Schönheit des Bahnhofs und dem Duft der Schokoladenfabrik, von wilden Kerlen und bösen Mädchen, braven Bürgern und dem ganz alltäglichen Wahnsinn, der uns alle Tag für Tag am Leben erhält und von Köpfli, dem schwarz-weißen Kater der Familie Zeltner, dem ungekrönten König von Olten, der in den Häusern der Altstadt ein und aus.

Am Mittwoch, dem 10. Februar (19.30 Uhr) stellt Urs Faes in einer Werkstattlesung seinen neuen Roman „Nachspiel“ vor, der im Herbst 2010 bei Suhrkamp erscheinen wird. An einem heißen Frühsommertag sitzt Philipp Lüscher mit Ärztekollegen beim Nachmittagsrapport in der radioonkologischen Abteilung: am Bildschirm die Schichtröntgenaufnahmen einer Patientin. Als das Patientenblatt mit dem Namen Meret Etter und den Daten eingeblendet wird, schreckt Lüscher hoch. Zunächst hofft er auf einen Irrtum, will an eine Verwechslung glauben. Denn schon ist die Erinnerung da an jene Meret, der er begegnet ist, als sie ein junges Mädchen war, an die Studentin, die er geliebt und viele Jahre gekannt hat…

Die Schweizer Buchpreisträgerin 2009, Ilma Rakusa, stellt am Donnerstag, dem 11. Februar (19.30 Uhr) in der Stadtkirche ihr preisgekröntes Buch „Mehr Meer“ vor. „Ein Buch der Unruhe, randvoll mit Farben, Klängen, Bildern, ein dichtes und lichtes Zeitgewebe, mehr Stimmung und Meditation, mehr Poem als Beschreibung, temperiert von Lektüren. Die namhaft gemachten Orte bleiben vage, verlieren ihre harten Umrisse, dürfen Literatur werden. Ein Wort trifft den Nerv dieser Erinnerungspassagen am besten: Liebe. Ilma Rakusa erzählt von ihrer Liebe zur Musik, zur Literatur, zur Sehnsucht nach der Sehnsucht, die jedem Kunstgenuss vorausgeht, zu ›mehr Meer‹ in uns.“ Beatrix Langner, NZZ

Für Krimifans ein Höhepunkt und Muss ist sicher die Schweizer KrimiNacht am Freitag, dem 12. Februar, ab 19.00 Uhr. Neben dem letztjährigen Deutschen Krimi-Preis Träger Linus Reichlin, der seinen zweiten Roman um Hannes Jenssen den ehemaligen Inspecteur der Brügger Polizei, „Der Assistent der Sterne“ vorstellt, mit dem er seit Monaten einen der vorderen Plätze der Krimiwelt Bestenliste belegt und Nicole Bachmann, deren Debut „Doppelblind“ für Furore sorgte, ist Glauserpreisträger Hansjörg Schneider Gast der 7. KrimiNacht in der Stadtkirche. Seine Romane um Kommissär Hunkeler sind Kult in der Schweiz und stürmen nach Erscheinen regelmäßig Platz 1 der Schweizer Bestenliste, so auch Hunkelers neuester Fall: „Hunkeler und die goldene Hand“.

Tango Transit, das Trio um den Akkordeonisten Martin Wagner, sorgt für die Musik am Sonntag, dem 14. Februar (11.30 Uhr), wenn Klaus Merz aus seinem Buch „Der Argentinier“ liest. Als Lenas Großvater kurz nach dem Zweiten Weltkrieg das Schiff nach Buenos Aires besteigt, fährt er dem Abenteuer entgegen, auf der Suche nach einer neuen Welt, die ihm nicht so müde und verbraucht erscheint wie das alte, verstörte Europa. Doch ein hartnäckiger Heuschnupfen zwingt ihn schon bald, seinen Traum vom freien Leben als Gaucho zu begraben. Stattdessen begegnet er der Kunst des Tangos und jener der Liebe. Unaufgeregt und mit zarter Ironie zeichnet Klaus Merz aus der Perspektive der Enkelin das Leben eines Mannes nach, das stets einem wunderbaren Eigen-Sinn verpflichtet war. „Klaus Merz zeigt sich mit der Novelle «Der Argentinier» auf der Höhe seiner Kunst. Er hat schon abgründiger geschrieben – aber nie anmutiger, gelassener, musikalischer.“ – konstatierte die NZZ zu Recht.

Martin Meyer, der 2004 mit dem Europäischen Essaypreis ausgezeichnete Feuilletonchef der Neuen Zürcher Zeitung, setzt am Aschermittwoch, dem 17. Februar (19.30 Uhr), mit seinem Essay „Erotik des Abschieds. Thomas Mann und die Abendröte der Weltliteratur“, den Schlusspunkt des Schweizer Literaturfestivals an der Stadtkirche. Michael Veit, Solocellist im Orchester des Staatstheaters Darmstadt, spielt von Adolf Busch, dem Primarius des legendären Buusch-Quartetts und Komponisten, die Suite a-moll (im alten Stil) op. 16b für Violoncello allein und Präludium und Fuge in d-moll op. 8b für Violoncello allein.

Quelle: Stadtkirche Darmstadt


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