Stadtverordnetenversammlung entscheidet über die Aufhebung des Erbbauvertrags mit der Hans-Joachim und Gisa Sander Stiftungs-GmbH

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Ernst-Ludwig-HausDie Stadtverordnetenversammlung wird in ihrer Sitzung am Donnerstag (15.12.11) über die Aufhebung des Erbbauvertrags mit der Hans-Joachim und Gisa Sander Stiftungs-GmbH aus dem Jahr 2009 entscheiden, der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt hat dem am 23. November 2011 schon zugestimmt.

„Mit dieser Magistratsentscheidung setzten wir den Koalitionsvertrag und die vor der Kommunal- und Oberbürgermeisterwahl getroffenen Aussagen praktisch um“, erläutert Oberbürgermeister und Kulturdezernent Jochen Partsch das Magistratsvotum. Die Stadt werde nach der Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung den Erbbauvertrag mit der Hans-Joachim und Gisa Sander Stiftungs-GmbH durch Vereinbarung aufheben und die Höhe der von der Stiftungs- GmbH geforderten Ausgleichszahlung überprüfen.

„Die Mathildenhöhe als internationaler Mittelpunkt des Jugendstils ist ein zentraler Identifikationsort für die Bürgerinnen und Bürger. Gegen den Standort und die Architektur eines Museums auf dem Südhang gab es massiven Widerstand aus der Darmstädter Bevölkerung und aus Fachkreisen, den wir für gerechtfertigt halten. Auch bei der Mehrheit der politischen Verantwortungsträger gibt es einen Konsens, das Projekt eines so genannten Museums Sander an diesem bedeutenden und sensiblen Standort nicht umzusetzen. Alternativstandorte am Südhang der Mathildenhöhe sind geprüft worden und haben sich auch vor dem Hintergrund des Votums der hessischen Denkmalschutzbehörde als nicht geeignet erwiesen“, so Oberbürgermeister Partsch.

Für die Wissenschaftsstadt Darmstadt komme daher der Osthang der Mathildenhöhe für das Museumsprojekt als sinnvoller und zweckmäßiger Standort in Betracht. Für den Osthang sei gemäß Magistratsbeschluss vom 6. Oktober ein städtebaulicher und landschaftsplanerischer Wettbewerb in Vorbereitung, der Lösungen für die optimale Nutzung dieses Geländes erbringen soll.

Oberbürgermeister Jochen Partsch: „Politische Verantwortung und bürgerschaftliche Einbindung werden dabei Hand in Hand gehen. Auf dem neu zu ordnenden Gelände auf dem Osthang der Mathildenhöhe hätte der private Museumsbau der Stiftungs-GmbH einen geeigneten Standort. Ich selbst habe bei zwei Gesprächsterminen mit dem Stifterehepaar Sander kurz vor und nach den Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlern keinen Zweifel daran gelassen, dass ein Museumsbau am Südhang nicht in Frage kommt und wir einen Museumsbau auf dem Osthang im Zusammenhang mit einen entsprechen Wettbewerb und einer intensiven Beteilung der Bürger vorschlagen. Die Stiftungs-GmbH hat über die Presse wissen lassen, dass die Realisierung des Museums auf dem Osthang für sie derzeit nicht in Betracht kommt. Meine Versuche, mit dem Stifterehepaar nochmals dazu ins Gespräch zu kommen, sind zurzeit vergeblich. In dieser Situation kann der Interessenskonflikt nur durch eine Vereinbarung zur Aufhebung des Erbbauvertrages gelöst werden.“

Die Sander Stiftungs- GmbH hat über ihre Bevollmächtigten mit Schreiben vom 21. Oktober der Stadt Darmstadt die Aufhebung des Erbbauvertrages gegen Zahlung einer Entschädigungssumme von rund 402.221,46 Euro angeboten. Hierbei handelt es sich nicht um eine einvernehmliche Aufhebung im Sinne des Erbbauvertrages, da die Hans-Joachim und Gisa Sander Stiftungs-GmbH nur gegen Zahlung eines bestimmten Betrages gewillt ist, den Vertrag zu beenden. Die Wissenschaftsstadt Darmstadt kann sich bei der jetzigen Rechtslage vom Erbbauvertrag nur lösen, wenn sie das Angebot der Stiftungs-GmbH annimmt. Die geforderte Entschädigungssumme ist allerdings derzeit der Höhe nach zu überprüfen. Nach der Prüfung ist über die Höhe der Summe für die getätigten Aufwendungen zu verhandeln.

Eine einseitige Kündigung des Erbbauvertrages ist nicht möglich: Würde die Stadt eine solche Kündigung aussprechen, wäre die Hans-Joachim und Gisa Sander Stiftungs-GmbH nicht verpflichtet, die Kündigung zu akzeptieren. Die Gesellschaft könnte auf ihrem Anspruch aus dem Erbbaurechtsvertrag bestehen und sich auf den geltenden Rechtsgrundsatz berufen, dass einmal geschlossene Verträge zu erfüllen sind. Zudem könnte die Stiftungs-GmbH eine Baugenehmigung beantragen. Liegen die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung vor, wäre die Stadt gezwungen, diese auch zu erteilen.

„Wir haben uns vor dem Hintergrund dieser Rechtslage entschlossen, eine Vereinbarung zur Aufhebung des Erbbauvertrages mit der Stiftungs-GmbH zu schließen. Gleichzeitig werden wir die Höhe der geforderten Entschädigungssumme im Detail prüfen und danach in entsprechende Verhandlungen mit der Hans-Joachim und Gisa Sander Stiftungs-GmbH eintreten“, kündigt Oberbürgermeister Jochen Partsch an.

Hintergrundinformation:
Am 22. Juli 2009 hat der Magistrat die Vergabe einer noch zu vermessenden Teilfläche von ca. 1.100 Quadratmetern aus dem Grundstück Gemarkung Darmstadt, Flur 2 Nr. 90/1, Alexandraweg, im Erbbaurecht an die Hans-Joachim und Gisa Sander Stiftungs-GmbH für einen Museumsbau beschlossen. Der Erbbauvertrag wurde am 23. Juli 2009 protokolliert und unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung vom damaligen Oberbürgermeister Hoffmann gemäß Vollmacht des Magistrats vom 17. Juli 2007 unterzeichnet. Die Stadtverordnetenversammlung hat dem Erbbaurechtsvertrag nachträglich in nicht öffentlicher Sitzung am 3. September 2009 zugestimmt.

Im Erbbauvertrag wurde im wesentlichen vereinbart:
– dass der Vertrag auf die Dauer von 50 Jahren geschlossen wird und die Sander Stiftungs-GmbH sich verpflichtet, auf dem Erbbaugrundstück ein Museum zu bauen, zu betreiben und zu unterhalten‘
– der zu zahlende Erbbauzins hatte jährlich 25.241,60 Euro betragen. Die Hans-Joachim und Gisa Sander Stiftungs-GmbH verpflichtet sich in diesem Vertrag, einen Architektenwettbewerb auszuloben und die Kosten hierfür zu übernehmen
– der auf dem Grundstück befindliche Ernst-Ludwig-Brunnen auf Kosten der Stiftungs-GmbH in Abstimmung mit der Wissenschaftsstadt Darmstadt verlegt wird
– die Baugenehmigung innerhalb von 12 Monaten nach Abschluss des vorgenannten Architektenwettbewerbs zu beantragen ist
– sechs Monate nach Erteilung der Baugenehmigung mit dem Bau zu beginnen ist
– bei Beendigung des Erbbaurechts durch Zeitablauf keine Entschädigung gezahlt wird
– die Stadt die Rückübertragung des Erbbaurechts auf sich verlangen kann (Heimfall), wenn die Erbbauberechtigte gegen Verpflichtungen aus dem Vertrag verstößt, in Insolvenz fällt oder der länger Lebende der Eheleute Sander verstirbt
– der Erbbauberechtigte bei Heimfall oder zeitlichem Ablauf des Erbbaurechts oder dann, wenn beide Vertragsparteien einvernehmlich den Vertrag aufheben möchten, keine Entschädigung verlangen kann.

Im Zeitraum Februar bis Dezember 2010 fand der im Erbbauvertrag vorgesehene Architektenwettbewerb statt. Die Entscheidung fiel zugunsten des Entwurfes von Schulz & Schulz Architekten (Leipzig) wobei grundsätzlich auch die Realisierung eines anderen Entwurfes in Betracht kam. Nach Veröffentlichung der Ergebnisse des Wettbewerbes gab es öffentlichen Widerstand gegen den vereinbarten Standort für das Museum. Die aus diesem Grund einberufenen Bürgerforen am 1. und 8. Dezember 2010 sowie am 1. Februar 2011 haben dies bestätigt.

Mit Schreiben vom 4. Mai 2011 hat die Sander Stiftungs-GmbH darauf hingewiesen, dass der vertraglich vereinbarte Termin für die Stellung des Bauantrags näher rücke und man bereit sei, einen Bauantrag zu stellen. Da über eine Änderung des Standortes noch keine Einigung erzielt worden war, wurde gemäß dem abschließenden Beschluss des Liegenschaftsausschusses vom 8. Juni 2011 mit Nachtrag vom 1. August 2011 die Frist zur Stellung des Bauantrages bis zum 30. Juni 2012 verlängert, um eine ergebnisoffene und konstruktive Diskussion über Alternativstandorte zu ermöglichen.

Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt


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