Wissenschaftsstadt Darmstadt weiht die Gedenkstätte Liberale Synagoge ein

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„Durch die Erinnerung an das Vergangene wird eine Brücke in die Zukunft geschlagen“ – so lautet das Motto von Yad Vashem, der in Jerusalem gelegenen bedeutendsten Gedenkstätte an die nationalsozialistische Judenvernichtung. Eine Brücke in die Zukunft schlägt jetzt auch die Wissenschaftsstadt Darmstadt: Am 9. November 2009 wird auf dem Geländes des Klinikums Darmstadt der Erinnerungsort Liberale Synagoge eingeweiht. „Die Stadt Darmstadt stellt sich damit einem der dunkelsten Kapitel in ihrer Geschichte. Der Erinnerungsort Liberale Synagoge wird auf ‚verschwundene Vergangenheit‘ verweisen, auf das, was lange nicht mehr sichtbar war“, sagte Darmstadts Kulturdezernent, Oberbürgermeister Walter Hoffmann, am Dienstag (03.11.09) im Rahmen einer Pressekonferenz.

Das in dreijähriger Bauzeit nach Plänen von Edmund Köhler errichtete und am 24. Februar 1876 eingeweihte Gotteshaus war in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 von den Nationalsozialisten zerstört worden. Bei Aushubarbeiten für einen Neubau auf dem Gelände des Städtischen Klinikums wurden im Oktober 2003 Überreste der Liberalen Synagoge entdeckt. An einem vom damaligen Oberbürgermeister Peter Benz initiierten „Runden Tisch“ setzten sich nach dem Fund Vertreter der Jüdischen Gemeinde, der Stadt Darmstadt, des Klinikums sowie Architekten und Denkmalschützer zusammen und unterbreiteten schließlich den Vorschlag, dass um die Fundamente eine würdige öffentliche Stätte der Erinnerung entstehen sollte. Der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt beschloss im April 2004 die Errichtung einer Gedenkstätte, die Stadtgeschichte eindringlich erfahrbar machen soll. Das Konzept beinhaltete die künstlerisch-didaktische Ausgestaltung des Ortes durch die in Darmstadt lebenden Installationskünstler Ritula Fränkel und Nicholas Morris. Während eines zweieinhalb Jahre währenden Baustopps wurden die aufgefundenen Teilfundamente freigelegt, der Krankenhausbau umgeplant und der Ort der Erinnerung baulich und inhaltlich konzipiert. Die Eröffnung der Gedenkstätte war ursprünglich für November 2008 im Zuge der Feierlichkeiten zum zwanzigjährigen Bestehen der Neuen Synagoge vorgesehen, musste wegen Verzögerungen beim Bau des Klinikgebäudes aber verschoben werden.

Auf den Erinnerungsort weisen schon beim Betreten des Innenhofs des Klinikgebäudes die Menora, ein siebenarmiger Leuchter, und einzelne Mauerfragmente hin. Das Bild auf der Glasfassade zeigt ein um 1919 entstandenes Foto der Synagoge. Im Inneren des Raumes tritt die Architektur zurück, die Aufmerksamkeit richtet sich auf die beleuchteten Fundamente des ehemaligen Thoraschreins und eines Turmes. In einer räumlichen Inszenierung eröffnen die multimedial auf verschiedene Zugangsmöglichkeiten ausgerichteten Stationen des künstlerisch-didaktischen Parcours von Ritula Fränkel und Nicholas Morris den Blick auf das, was nicht mehr sichtbar ist, auf das Leben der jüdischen Darmstädter, deren bedeutendstes Gotteshaus an dieser Stelle stand. Neben einem Info-Terminal gehören unter anderem eine Dia-Projektion mit Bildern der Synagoge, in den Boden eingelassene Texte, Film-Interviews mit Zeitzeugen und eine Stimminstallation zum Gesamtkonzept des Erinnerungsortes.

Im Signet des Erinnerungsortes Liberale Synagoge wird der erste Buchstabe des Wortes ‚Erinnerung‘ (hebräisch SIKARON), das Sain, abstrahiert und als grafisches Symbol mit dem Text in Verbindung gebracht. Das Sain ist aus zwei Formen zusammengesetzt, die auch farblich voneinander unterschieden sind. Das „Dach“ des Buchstaben ist in kräftigem Sandstein-Rot gehalten, während der Fuß in einem etwas blasseren Rot-Ton erscheint. Das Dach steht für den aufgefundenen und gesicherten Teil des Fundaments, der blassere und größere Teil des Buchstabens für die „verschwundene Synagoge“.

Die Gesamtkosten für die Errichtung des Erinnerungsortes Liberale Synagoge betragen 2,095 Millionen Euro, wobei 1,8 Millionen Euro auf Baukosten entfallen. Die Ausgestaltung schlägt mit 235.000 Euro zu Buche, an Spenden für den Erinnerungsparcours gingen 60.000 Euro ein. Wesentliche finanzielle Beiträge leisteten die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und die Sparkasse Darmstadt. Zu den weiteren Spendern zählte neben anderen die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Der Erinnerungsort Liberale Synagoge, der über den Klinik-Eingang in der Bleichstraße zu erreichen ist, kann samstags und sonntags von 11.30 bis 16 Uhr besichtigt werden. Öffentliche Führungen, Führungen für Gruppen sowie für Schulklassen sind nach Vereinbarung möglich. Sonderführungen zu thematischen Schwerpunkten werden in der örtlichen Presse sowie unter www.darmstadt.de veröffentlicht. Von Dienstag, 10. November 2009, bis Freitag, 13. November 2009, ist die Gedenkstätte zusätzlich von 13.30 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Anmeldungen zu Führungen sind über die Wissenschaftsstadt Darmstadt Marketing GmbH, Telefon 06151/134514, oder E-Mail: tourist@darmstadt.de möglich. Wegen Bauarbeiten ist von November 2009 bis Anfang 2010 kein barrierefreier Zugang zur Gedenkstätte möglich.

Quelle: Stadt Darmstadt – Pressestelle – Pressedienst


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