Wasserknappheit, intensiver Düngemitteleinsatz, steigende CO2- wie Methan-Emissionen: Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Im Rahmen des europäischen Horizon-Europe-Projekts „Farmwise“ arbeiten Forschende der Hochschule Darmstadt (h_da) an der Entwicklung innovativer KI-Systeme, um diese Probleme anzugehen. Sie sollen nicht nur Landwirtinnen und Landwirten, sondern auch politischen und zivilgesellschaftlichen Gruppen helfen, auf der Basis wissenschaftlicher Daten fundierte Entscheidungen zu treffen. An dem Projekt sind 20 Partner aus zwölf europäischen Ländern beteiligt. Die EU fördert das auf drei Jahre angelegte Forschungsvorhaben mit sechs Millionen Euro, davon erhält die h_da rund 600.000 Euro.
„Unser Ziel ist es, relevante Informationen durch künstliche Intelligenz so aufzubereiten und durch Visual Analytics so zu visualisieren, dass sie von verschiedenen Zielgruppen verstanden und genutzt werden können“, sagt Prof. Dr. Kawa Nazemi, Experte für Mensch-Computer-Interaktion und Visual Analytics an der h_da. Dazu verbindet die von ihm geleitete Forschungsgruppe „Human-Computer Interaction und Visual Analytics“ KI-basierte Analysen mit benutzerfreundlichen interaktiven Visualisierungen, um ein umfassendes Verständnis landwirtschaftlicher Systeme und ihrer Wechselwirkungen mit Umweltfaktoren zu ermöglichen. Dadurch werden Landwirte und Entscheidungsträger in die Lage versetzt, nachhaltige Maßnahmen zu evaluieren und zukünftige Szenarien zu modellieren.
Um dies zu erreichen, müssen Informationen zu Wasservorkommen, Bodenqualität und Nährstoffkreisläufen zielgruppengerecht aufbereitet werden. Das heißt: Die Daten müssen für Landwirte, politische Entscheidungsträger und zivilgesellschaftliche Organisationen jeweils spezifisch angepasst werden, um ein umfassendes Verständnis der Thematiken zu gewährleisten. Ziel ist es, allen Beteiligten innovative Systeme an die Hand zu geben, um Entscheidungen zu treffen, die nicht nur kurzfristigen Erfolg versprechen, sondern auch langfristig Nachhaltigkeit im Agrarsektor fördern.
Prof. Dr. Kawa Nazemi erläutert die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb des Farmwise-Konsortiums anhand eines Beispiels: Ein landwirtschaftlicher Betrieb erwägt in der wasserarmen Region Südspaniens den intensiven Anbau von Avocados. Diese Situation wirft zahlreiche Fragen auf, die von den beteiligten Experten aus Wasserwirtschaft, Agrarwissenschaft, Klima- und KI-Forschung untersucht werden: Ist der Anbau wasserintensiver Früchte in einer Region mit Wasserknappheit vertretbar? Welche Auswirkungen hat dies auf die Bodenqualität und welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Einsatz von Düngemitteln? Dabei werden sowohl kurz- als auch langfristige Perspektiven unter Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte beleuchtet, um zu bewerten, ob eine Investition in den Avocadoanbau nachhaltig und politisch unterstützenswert ist.
Das Konsortium widmet sich nun der Sammlung und Analyse umfangreicher Datenmengen, um ein detailliertes Bild der aktuellen Situation und möglicher Zukunftsszenarien zu skizzieren. Diese Informationen sind nicht nur für den landwirtschaftlichen Betrieb von Bedeutung, sondern auch für politische und zivilgesellschaftliche Akteure, die die ökologischen Auswirkungen ihrer Entscheidungen verstehen müssen. Darüber hinaus werden ökonomische Faktoren untersucht, um eine mögliche Abhängigkeit von Avocadoimporten zu vermeiden. Die Ergebnisse dieser Analysen werden zielgruppengerecht aufbereitet, um eine klare und verständliche Visualisierung der Daten zu ermöglichen. So trägt das Forschungsvorhaben dazu bei, dass alle Beteiligten auf einer soliden Informationsbasis Entscheidungen treffen können, die zu einer nachhaltigen Entwicklung im Agrarsektor beitragen.
Professor Nazemi und sein Team sind innerhalb des Projekts für einen entscheidenden Bereich verantwortlich: die visuelle Aufbereitung und Darstellung von datenbasierten Analysen sowie Zukunftsprognosen durch Künstliche Intelligenz. „Es geht nicht nur um die Bereitstellung von Informationen, sondern vielmehr darum, wie diese Informationen aufbereitet und den jeweiligen Zielgruppen präsentiert werden, um die Entscheidungsfindung zu unterstützen“, erklärt der Experte für Datenanalyse, Informationsvisualisierung und KI.
Das Farmwise-Projekt zeichnet sich durch seine internationale und transdisziplinäre Zusammenarbeit aus, mit Partnern aus Ländern wie Italien, Irland, Frankreich, Finnland, Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz, Spanien, Polen und der Ukraine. Die Leitung hat die Universität Lund in Schweden inne. In länderübergreifenden Task-Force-Gruppen arbeiten die Forschenden zusammen, um Daten aus verschiedenen Quellen zu sammeln, mit KI-Technologien zu analysieren und zu bewerten. Ziel ist es, ein innovatives Entscheidungsunterstützungssystem für Herausforderungen wie Wasserverschmutzung und Klimawandel zu entwickeln. Im Idealfall führt das Projekt zu handfesten Ergebnissen, die die Basis für nachhaltige Veränderungen im Umgang mit diesen globalen Problemen bilden.
Quelle: Hochschule Darmstadt