Die Wissenschaftsstadt Darmstadt und die Initiative „Denkzeichen Güterbahnhof“ gedenken am Sonntag, 17. März 2024, um 13 Uhr, gemeinsam mit dem Hessischen Landesverband der Sinti und Roma und der Jüdischen Gemeinde Darmstadt am Gedenkort „Denkzeichen Güterbahnhof“ (Bismarckstraße/Ecke Kirschenallee) der vor 81 Jahren deportierten Darmstädter Sinti und Roma. Die Veranstaltung findet in der dort gelegenen Galerie Kurzweil statt. Bürgerinnen und Bürger sind dazu herzlich eingeladen.
Nach Begrüßung durch die Initiative „Denkzeichen Güterbahnhof“ sprechen Oberbürgermeister Hanno Benz sowie Vertreterinnen und Vertreter des Verbandes Deutscher Sinti und Roma Hessen und der Jüdischen Gemeinde Darmstadt.
„Die systematische Diskriminierung und Vernichtung von Minderheiten wie den Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten darf niemals vergessen werden. Millionen von unschuldigen Menschen wurden Opfer von Hass, Rassismus und Völkermord. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, wie wichtig es ist, gegen Vorurteile, Diskriminierung und Hass anzukämpfen. Und dafür zu sorgen, dass sich solche Gräueltaten niemals wiederholen“, so Oberbürgermeister Hanno Benz. „Deswegen ist es so wichtig, der Verbrechen zu gedenken, denen Menschen vor acht Jahrzehnten hier in unserer Stadt zum Opfer gefallen sind.“
„Obwohl unsere Minderheit bereits seit über 600 Jahren im deutschsprachigen Raum lebt, wurden wir schon immer als Fremde angesehen und vertrieben. Die Nationalsozialisten konnten in ihrer Verfolgung auf Gesetze, Vorurteile und Karteien zurückgreifen, die schon da waren. Auch heute leben viele dieser Vorurteile weiter. Die steigenden Zustimmungswerte zu rechten Parteien, ebenso wie zu Aussagen in Meinungsumfragen machen mir und unseren Menschen große Sorgen. Auch aus diesem Grund müssen wir uns erinnern, wie die Geschichte begonnen hat. Nur dann können wir verhindern, dass sie sich wiederholt und die Demokratie, in der wir leben, verteidigen“, betont Adam Strauß, Vorsitzender des Verbands Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Hessen. „An die Ermordeten und die Überlebenden zu erinnern ist nicht nur eine Mahnung, oder ein Zeichen des Respekts, es ist auch ein Zeichen des Widerstandes. Die Nationalsozialisten wollten Sinti, Roma, Jüdinnen und Juden jede Zukunft nehmen. Doch wir sind heute hier und wir können über unsere Vergangenheit sprechen. Und wir werden unsere Zukunft mitgestalten.“
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Darmstadt, Daniel Neumann, sagt: „Mit der steigenden Verunsicherung der Menschen durch soziale und politische Krisen werden traditionelle Feindbilder und Stereotypen zunehmend aktiviert. Gerade Sinti und Roma mussten dabei immer wieder als Projektionsflächen für Vorurteile und Menschenhass herhalten. Deshalb dürfen wir nicht nachlassen, uns diesen Entwicklungen engagiert und konsequent in den Weg zustellen.“
Am 15. März 1943 wurden 69 Darmstädterinnen und Darmstädter aus ihren Wohnungen und von ihren Arbeitsplätzen abgeholt und über den Darmstädter Güterbahnhof nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Diese Deportation aller den Behörden bekannten Sinti im Kreis Darmstadt – unabhängig von Alter – war der Beginn des systematischen Vernichtungsversuches aller Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten. Auschwitz wurde als Vernichtungslager in der Folge zu dem schrecklichen Synonym für die Verfolgung und Vernichtung von Millionen von Menschen – unter ihnen Sinti, Roma, Jüdinnen und Juden, Kommunisten, Homosexuelle, religiös Verfolgte und viele mehr. In Auschwitz wurden Sinti und Roma mit einem ‚Z‘ und einer Nummer markiert, mussten unter mörderischen Bedingungen leben, Zwangsarbeit leisten oder wurden direkt vom Bahnsteig in die Gaskammern gebracht und ermordet.
Hintergrund Die Initiative „Denkzeichen Güterbahnhof“ wurde in den 1990er-Jahren begründet von zivilgesellschaftlichen Vereinigungen, Organisationen und engagierten Einzelpersonen, um die Opfer der Deportationen mit ihren Namen und ihrer Lebensgeschichte aus dem Dunkel der Vernichtung herauszuholen und dazu beizutragen, dass diese Menschen nicht vergessen werden. In den Folgejahren hat sich die Initiative aktiv und maßgeblich dafür eingesetzt, am Güterbahnhof Darmstadt dauerhaft einen Gedenkort zur Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes zu schaffen. Mit Unterstützung der Stadt Darmstadt und weiteren Förderern wurde das Mahnmal nach einem Entwurf des Künstlerpaars Ritula Fränkel und Nicholas Morris realisiert und am 27. November 2004 eingeweiht. Seither laden Initiative Denkzeichen Güterbahnhof, Wissenschaftsstadt Darmstadt, Jüdische Gemeinde Darmstadt und Verband der Sinti und Roma Hessen anlässlich des Jahrestage der Deportation der Darmstädter Sinti am 15. März 1943 und in Erinnerung an die großen Deportationszüge vom 27. September und 30. September 1942 jeweils im März und September eines jeden Jahres an diesen Ort zum gemeinsamen Gedenken ein.
Vom Güterbahnhof Darmstadt aus wurden in den Jahren 1942 bis 1943 mehr als dreitausend Menschen aus dem damaligen Volksstaat Hessen in die Vernichtungslager Auschwitz, Majdanek, Belzec, Treblinka und Theresienstadt deportiert.
Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt