75 Jahre Darmstädter Magistratsverfassung

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Stadtverordnetensitzung am 17. Juni 1948 im Büchnersaal, Bessunger Str. 125. Ludwig Metzger spricht nach seiner Wiederwahl zum Oberbürgermeister. Auf der Dezernentenbank von links: Oberbaudirektor Peter Grund, Baurat Anders Karsten, Bürgermeister Julius Reiber, OB Metzger, Stadtrat Ludwig Schrauth und Stadtkämmerer Dr. Gustav Feick / © Wissenschaftsstadt Darmstadt/ Stadtarchiv

Vor 75 Jahren, am 29. Dezember 1948, kam der neue Darmstädter Magistrat im Saal 202 des Stadthauses, das sich damals und noch bis 1958 in der Eleonorenschule befand, zu seiner ersten Sitzung zusammen. Die rechtliche Grundlage, auf der der neue, am 2. Dezember von der Stadtverordnetenversammlung gewählte und aus vier haupt- sowie vier ehrenamtlichen Mitgliedern zusammengesetzte Magistrat arbeitete, bildete die neue Magistratsverfassung, die die Stadtverordneten am 18. November beschlossen hatten.

Die Einführung der Magistratsverfassung ging indes auf den ersten handfesten Streit zwischen Darmstädter kommunalpolitischen Akteuren in der ersten Nachkriegszeit zurück. Nach dem Ende der NS-Diktatur und der Etablierung demokratischer Strukturen arbeitete die Stadt Darmstadt zunächst nach der Bürgermeistereiverfassung. Demnach wurden die leitenden Verwaltungsmitarbeiter von der Stadtverordnetenversammlung gewählt. Es gab fünf hauptamtliche Dezernenten, an ihrer Spitze der Oberbürgermeister, der zugleich Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung war. Die Dezernenten bildeten kein Gremium, sondern unterstanden dem Oberbürgermeister.

Die Eleonorenschule, Sitz der Stadtverwaltung seit 1945, hier fand die erste Magistratssitzung statt (Aufnahme 1949/50) / © Wissenschaftsstadt Darmstadt/ Stadtarchiv

Nach der Kommunalwahl im Mai 1948 saßen Vertreterinnen und Vertreter von SPD, CDU, LDP (später FDP) und KPD in der Stadtverordnetenversammlung. Am 17. Juni 1948 wurden Oberbürgermeister, Bürgermeister und drei weitere hauptamtliche Dezernenten vom Stadtparlament gewählt. Während die Wahl von Oberbürgermeister Ludwig Metzger einstimmig erfolgte, scheiterten CDU und LDP bei den folgenden Wahlen mit eigenen Kandidaten, die SPD wiederum brachte ihre Kandidaten mit den Stimmen der KPD durch. Daraufhin verließen CDU und LDP die Sitzung.

Die seitdem angespannte Situation in der Stadtpolitik eskalierte, als CDU und LDP mit den Stimmen der KPD in der Sitzung am 14. Oktober 1948 den für die weitere Arbeit der Stadtverwaltung dringend notwendigen Nachtragshaushalt ablehnten und dem Stadtkämmerer eine dringend benötigte Kreditaufnahme untersagten. Infolge dessen traten alle fünf hauptamtlichen Dezernenten von ihren Ämtern zurück.

Daraufhin verständigten sich SPD, CDU und LDP in Verhandlungen, die – ohnehin schon in vielen hessischen Städten vorhandene – Magistratsverfassung auch in Darmstadt einzuführen. Damit war es allen im Parlament vertretenen Parteien möglich, sich an der kommunalen Entscheidungsfindung zu beteiligen. Diese Änderung war möglich, weil die hessische Gemeindeordnung vom Dezember 1945 die Wahlmöglichkeit zwischen der Bürgermeisterei- und der Magistratsverfassung vorsah. Heute ist dies nicht mehr möglich.

Als hauptamtliche Mitglieder gehörten dem neuen Magistrat Oberbürgermeister Ludwig Metzger (SPD), Stadtkämmerer Gustav Feick (SPD), Bürgermeister Ernst Schröder (LDP) und Stadtrechtsrat Ernst Holtzmann (CDU) an. Die ehrenamtlichen Mitglieder waren die Stadträte Julius Reiber (SPD), Ludwig Schrauth (SPD), Wilhelm Lucius (LDP) und Fritz Dreiheller (CDU). Gemäß der Magistratsverfassung war das Amt des Oberbürgermeisters nicht mehr mit dem Vorsitz im Stadtparlament verbunden, deshalb wurde Georg Wiesenecker (SPD) zum ersten Stadtverordnetenvorsteher gewählt.

„Mit ihrer richtungsweisenden Entscheidung vor nunmehr 75 Jahren haben die Darmstädter Stadtverordneten die bis heute vorhandene Grundlage für die Arbeit des Darmstädter Magistrats gelegt. Sie machten damit den Weg frei für ein parteiübergreifendes und kollegiales Miteinander zwischen den haupt- und ehrenamtlichen Stadträten. Eine wahrhaft historische Entscheidung, die die Suche nach Verständigung und Kompromiss zum Kern der Kommunalpolitik erhoben hat“, so Oberbürgermeister Hanno Benz.

Quelle & Bilder: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt


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