Lehrende und Studierende aus den Fachbereichen Informatik und Media der Hochschule Darmstadt (h_da) haben im Nahen Osten ein zukunftsweisendes Projekt gestartet: Gemeinsam mit der TH Brandenburg und der German Jordanian University in Amman haben sie damit begonnen, jahrtausendealte jordanische Kulturstätten zu digitalisieren. Dazu zählt neben antiken Sehenswürdigkeiten in Jordaniens Hauptstadt Amman auch die Nabatäerstadt Petra. Ziel ist es, 3D-Zwillinge dieser Orte zu erstellen, um sie digital zu bewahren.
Mit diesem Auftrag schickten Informatik-Professorin Bettina Harriehausen und Virtual-Reality-Professor Paul Grimm ihre Studierenden in Wüste – nach Jordanien. Eine Woche lang war dort im November 2022 eine Gruppe von sieben h_da-Studierenden unterwegs. Im Team mit Kolleginnen und Kollegen der TH Brandenburg und der German Jordanian University in Amman erkundeten sie alte Festungen, römische Ruinen und die berühmte Felsenstadt Petra.
Aufgabe der Studierenden aus den Studiengängen „Data Science“ und „Expanded Realities“ der h_da war es, mit Hilfe von Handys, Spiegelreflexkameras und 360-Grad-Kameras 3D-Scans von einzelnen Objekten und Gebäuden zu erstellen. Dafür machten sie Zehntausende Fotoaufnahmen von Säulen, Tempelfassaden und umgebender Landschaft – aus allen Perspektiven und von jedem noch so winzigen Detail. Um daraus virtuelle Wüstenwelten entstehen zu lassen, werden die Bilder nach und nach in eine kommerzielle Software eingespeist, die dann die 3D-Modelle errechnet. Je präziser und umfangreicher das Bildmaterial, desto plastischer das Ergebnis. Ungenauigkeiten und Lücken werden aufwändig von Hand nachgearbeitet.
Photogrammetrie nennt sich das Verfahren, das heute schon in vielen Bereichen zum Einsatz kommt. „Diese Technologie wird in der Entertainmentbranche genutzt, in der Spiele-Entwicklung, im Städtebau, in der Werbung, aber auch in der Lehre, um realistische aussehende Kopien realer Gegenstände zu erzeugen.“, erklärt Paul Grimm vom Fachbereich Media der h_da. „Museen nutzen solche 3D-Modelle für interaktive Ausstellungen, die Automobilindustrie in der Entwicklungsarbeit. Das Spektrum ist also sehr breit.“
Bis zum Ende des Wintersemesters 2022/23 hatte das bunte Studierenden-Team aus Darmstadt, Amman und Magdeburg Zeit, die ersten 3D-Modelle fertigzustellen. Eine Erfahrung, die den Blick der deutschen Gäste auf den Nahen Osten verändert hat: „Für mich war Jordanien ein Augenöffner für den Nahen Osten“, sagt Data-Science-Student Felix Glockengießer. Dieser interkulturelle Aspekt ist für Informatik-Professorin Bettina Harriehausen mindestens ebenso wichtig wie der fachliche: „Wir möchten als Hochschullehrende nicht nur Fachwissen vermitteln, sondern den ganzen Menschen bilden“, sagt die Wissenschaftlerin. Dazu gehöre der Mut, sich auf eine ganz andere Kultur einzulassen. „Mir persönlich liegt die Partnerschaft mit dem Nahen Osten besonders am Herzen. Jordanien ist ein friedliches Land, der Nahe Osten ist wunderschön. Es ist mir wichtig, dass die Studierenden das sehen und erleben.“
Seit die German Jordanian University vor 18 Jahren nach dem Vorbild der deutschen Fachhochschulen gegründet wurde, unterstützt Informatikerin Harriehausen die Zusammenarbeit. Der Fokus der deutsch-jordanischen Kooperation, die vom DAAD gefördert wird, liegt im Bereich Informatik derzeit auf der Digitalisierung von Kulturstätten. Aus naheliegenden Gründen: Im Nachbarland Syrien hat die Terrormiliz „IS“ Weltkulturerbestätten wie Palmyra, die Kreuzritterburg Krak des Chevaliers und die Altstadt von Aleppo zerstört. Und selbst wenn ein solches Szenario für Jordanien derzeit undenkbar ist: Die Zerstörungswut, der Kulturdenkmäler in Kriegen und Konflikten regelmäßig zum Opfer fallen, führt die Fragilität dieser kostbaren Orte vor Augen. Auch das haben die Lehrenden der h_da im Blick, wenn sie die nächsten Studierenden-Teams in die Wüste schicken.
Im h_da-Wissenschaftsmagazin impact finden Sie einen ausführlichen Artikel zum Thema: impact.h-da.de/virtuelle-wuestenwelten
Im Video: Digitaler Zwilling der Zitadelle von Amman: https://www.youtube.com/watch?v=5qN1vUvJ6Fs
Bild: h_da/Paul Grimm
Quelle: Hochschule Darmstadt