Urheberrechtstreit um Digitalkopien zur wissenschaftlichen Nutzung: TU Darmstadt erreicht Vorlage beim Europäischen Gerichtshof

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BuchIn dem seit 2009 laufenden Rechtsstreit zwischen dem Ulmer Verlag und der TU Darmstadt über die Zulässigkeit der Digitalisierung und Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Bibliotheksbeständen hat der BGH entschieden, das Verfahren an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiterzugeben. Der Streit über die in §52b des deutschen UrhG vorgesehene Bereitstellung moderner Medienformen an „elektronischen Leseplätzen“ in wissenschaftlichen Bibliotheken ist aus der Sicht des BGH von grundsätzlicher Bedeutung und muss europarechtlich geklärt werden.

In dem bisherigen Verfahren vor dem Land- und dem Oberlandesgericht Frankfurt haben die deutschen Gerichte die vorhandenen Normen äußerst restriktiv ausgelegt. Die Nutzung der von Bibliotheken erstellten digitalen Dokumente war einseitig zulasten der Studierenden und Wissenschaftler eingeschränkt worden: Downloads auf private USB-Sticks und dann sogar jegliches Kopieren bzw. Ausdrucken der digitalen Materialien wurden gerichtlich untersagt, obwohl der §52b UrhG ausdrücklich das Urheberrecht zugunsten der wissenschaftlichen Nutzung begrenzt – auch und gerade im digitalen Informationszeitalter sollte die Nutzung digitaler Medien an Hochschulen und zu Bildungszwecken möglich sein. Aufgrund der gegen die TU Darmstadt (und in einem etwas anderen Zusammenhang mit der öffentlichen Zugänglichmachung für Unterreicht in Forschung nach § 52a UrhG auch gegen die FernUniversität Hagen) ergangenen Urteile werden die neu geschaffenen Rechte zur Einrichtung „elektronischer Leseplätze“ und „elektronischer Semesterapparate“ in Bibliotheken jedoch praktisch wertlos.

Die TU Darmstadt konnte 2012 ein Sprungrevisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof erreichen. Dieser hat nun das Verfahren ausgesetzt und im Zweifel über die Auslegung in allen drei Kernfragen des drei Jahre währenden Streits eine Klärung durch den EUGH erbeten. (1) Dürfen die Bibliotheken ihre Bestände auch ohne Zustimmung der Verlage digitalisieren und (2) dürfen sie dies auch unabhängig von eventuell bestehenden Vertragsangeboten der Verlage tun, wie dies die deutschen Gerichte bisher vertreten haben? Und – ganz entscheidend – dürfen die Studierenden und Wissenschaftler sich davon (3) Ausdrucke bzw. digitale Kopien machen, was das deutsche Gesetz zwar grundsätzlich erlaubt, von den bisher befassten deutschen Gerichten aber unter Hinweis auf europarechtliche Normen verneint worden ist.

Die TU Darmstadt hofft, dass die Luxemburger Richter im Sinne zeitgemäßer wissenschaftlicher Arbeitsmöglichkeiten auch mit digitalen Materialien urteilen. Was für die Print-Welt unstreitig anerkannt ist, muss auch in der digitalen Welt erlaubt sein. Wissenschaftliches Arbeiten mit Texten setzt – das wissen alle Beteiligten – die Möglichkeit voraus, Randnotizen zu machen, Hervorhebungen im Text vorzunehmen, Passagen wortwörtlich aus der Bibliothek mitzunehmen, um Quellen später verlässlich zu zitieren. Immer schon müssen daher Texte kopiert werden können. Die Kopisten in den Skriptorien mittelalterlicher Klöster erledigten dies durch Abschreiben, seit Jahrzehnten verwendet man Kopiergeräte. Heute funktioniert dies durch Ausdruck und elektronische Kopie. Ein „Zurück“ ins Mittelalter kann niemand ernsthaft wollen. Gerade das aber würden die bisherigen Urteile der nationalen Gerichte erzwingen.

Besonderen Wert legt die TU Darmstadt darauf, dass es ihr dabei keineswegs um ein Recht auf „Raubkopien“ geht, wie öffentlich immer wieder von Verlagsseite behauptet wurde. Es geht auch nicht um ein kostenloses Vermehren verfügbarer Exemplare, um Entlastung der Bibliotheksetats gewissermaßen durch die Hintertür. Die Universitäten stehen für den verdienten Lohn der Urheber, nicht zuletzt auch ihrer eigenen Wissenschaftler, ein. Völlig unbestritten ist, dass Urheber aus Kopien einen Vergütungsanspruch haben, wie dies für Printkopien im deutschen Gesetz ja eindeutig geregelt ist. Tantiemen sind an die VG Wort abzuführen, die diese an die Urheber verteilt. Was der EuGH nun zu klären hat, ist die Herstellung zeitgemäßer digitaler Nutzungsformen, damit Forschung und Lehre effektiv betrieben werden kann.

Quelle: TU Darmstadt


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