Der Darmstädter Energieversorger HSE hat die erste geothermische Tiefenbohrung in Hessen erfolgreich abgeschlossen. Das Pilotprojekt liefert wichtige Erkenntnisse für die Nutzung von Erdwärme in Hessen, wie die HSE am Freitag (15.06.12) mitteilte. „Es war wichtig für uns zu zeigen, dass wir diese geothermische Tiefenbohrung mit Erfolg und im geplanten Kostenrahmen durchführen konnten“, sagte Projektleiter Dr. Zijad Lemes. Die Gesamtkosten der Anlage betragen rund 700.000 Euro. Das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUELV) übernimmt davon 40 Prozent und fördert zudem die Begleitforschung.
Erdwärme aus fast 800 Metern Tiefe kann jetzt genutzt werden, um in Groß-Umstadt/Heubach (Landkreis Darmstadt-Dieburg) einen mittelständischen Industriebetrieb mit Energie zum Heizen und Kühlen zu versorgen. Die komplette Anlage soll im September dieses Jahres in Betrieb gehen. Sie ist die erste dieser Art in Hessen.
Die technischen Herausforderungen der geothermischen Tiefenbohrung waren groß. Eine in diesem Gebiet nicht erwartete Veränderung des Untergrunds löste in rund 320 Metern Tiefe Gesteinsausbrüche aus der Bohrlochwand aus. „Aber auch diesen so genannten Nachfall hat die Bohrfirma gemeistert“, sagte Lemes. Je nach Beschaffenheit des Gesteins meiselte sich der Bohrer zwischen zwei und 50 Metern pro Tag in den Untergrund. Seit dem Beginn der Bohrung Ende des vergangenen Jahres wurden insgesamt 45 Kubikmeter Gestein an die Oberfläche geholt.
Für den Nachhaltigkeitskonzern HSE, der bis zum Jahr 2015 eine Milliarde Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert, ist auch Geothermie von Bedeutung. Die Erkenntnisse des Pilotprojektes – von der Antragsstellung bis zur Inbetriebnahme – kann die HSE für die Planung und Umsetzung künftiger Projekte nutzen. Nach Schätzungen der HSE gibt es bis zum Jahr 2020 in Südhessen ein Marktpotenzial von rund 150 vergleichbarer Geothermie-Anlagen.
Wie das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) mitteilte, konnte „aufgrund der Kenntnis der allgemeinen geologischen Situation im größeren Umfeld und der geologischen Vorarbeiten das Risiko für Schäden durch diese Bohrung von Anfang an ausgeschlossen werden.“
Die Erdwärme wird in Heubach mit acht oberflächennahen Sonden und einer Tiefensonde in rund 800 Metern unter der Erde angezapft. Die Bohrungen werden nach Fertigstellung mit Rohren ausgebaut, in denen Umwälzpumpen im späteren Betrieb Wasser zirkulieren lassen, das sich im Erdreich auf rund 35 Grad erwärmt. Dieses Wasser lässt sich anschließend sehr effizient durch Wärmepumpen auf das benötigte Temperaturniveau anheben und zur Beheizung der Büro- und Produktionsgebäude nutzen. Im Sommer ermöglicht das Erdwärmesondenfeld durch eine so genannte „passive Kühlung“ mit Wärmetauschern, die Gebäude mit Kälte zu versorgen. Dieser Anlagenteil ist bereits seit Mai in Betrieb.
Das Geothermie-Projekt in Heubach wird den neuen Produktionsstandort von Frenger Systemen BV versorgen, einen Hersteller von Energie effizienten Deckenstrahlungsheizungen und -kühlungen für Industriegebäude und Sporthallen. Fertigungs- und Lagerhalle sowie die Logistikhalle und das Kaltlager haben eine Größe von rund 6.000 m2. Hinzu kommen Büroräume mit ca. 1.400 m2 Fläche.
Geothermie ist die in Form von Wärme gespeicherte Energie unterhalb der Erdoberfläche. Ab 10 bis 25 Metern Tiefe herrscht im Erdreich jahreszeitenunabhängig eine Temperatur von rund 10 Grad Celsius. Die Temperatur nimmt pro 100 Meter um ca. drei Grad zu.
Projektpartner der HSE sind neben Frenger Systemen BV, der Heizsysteme- und Wärmepumpenspezialist Viessmann und die Bohr- und Brunnenbaugesellschaft H. Anger´s Söhne. Die wissenschaftliche Begleitung des Projektes erfolgt durch die Universität Kassel und das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) im Auftrag des HMUELV
Quelle & Bild: HEAG Südhessische Energie AG (HSE)