Von der Analyse von (Stamm)zellen oder Nanopartikeln, der Interaktion mit Interviewpartner:innen bis hin zu Fragen zu Weltraum und Raumfahrt: Vier Projekte der TU Darmstadt sind für die neueste Förderrunde „LOEWE Exploration“ des Hessischen Wissenschaftsministeriums ausgewählt worden. Sie werden nun zwei Jahre lang finanziell unterstützt.
„Ich freue mich sehr über den Erfolg unserer Kolleginnen und Kollegen, die durch das Format LOEWE Exploration eine Anschubfinanzierung für ihre Vorhaben erhalten“, so TU-Präsidentin Tanja Brühl. „Die geförderten Projekte zeigen exemplarisch die Fülle und Vielfalt der Themen, an denen Wissenschaftler:innen der TU Darmstadt arbeiten – von der Analyse von (Stamm)zellen oder Nanopartikeln, der Interaktion mit Interviewpartner:innen bis hin zu Fragen zu Weltraum und Raumfahrt. Sie zeigen insbesondere auch, dass Forschende an der TU mutig und kreativ neue, teilweise unkonventionelle Wege gehen, um innovative Fragestellungen gemeinsam zu bearbeiten und Lösungen für eine nachhaltige Zukunft zu entwickeln – ganz im Sinne unserer Vision als technische Universität.“
Die → Förderlinie „LOEWE Exploration“ ermöglicht Forschenden, hoch innovativen Forschungsideen nachzugehen, unkonventionelle Hypothesen zu überprüfen oder einen radikal neuen Ansatz zu testen. „Wir geben ihnen mit diesem Geld Freiheit: die Freiheit, Risiken einzugehen, ohne die keine Innovation entstehen kann. Hessen schließt damit auch eine Förderlücke im deutschen Wissenschaftssystem, indem es besonders mutige Wissenschaft unterstützt“, erklärt die Hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn.
Kalte Plasmazündung für Raumfahrtantriebe
Eine große Herausforderung für die Raumfahrt ist Weltraumschrott, der zum Beispiel durch Kleinsatelliten ohne Antriebssysteme produziert wird. Innovative Antriebssysteme sind unabdingbar, um Weltraumschrott zu vermeiden und die Erdumlaufbahnen „sauber“ zu halten. Die effiziente Zündung von grünen Treibstoffen für Satellitenantriebe ist eine der Kernfragen für einen nachhaltigen und zukunftsträchtigen Raumfahrtsektor. In diesem Bereich forscht Dr. Henrike Jakob (Fachgebiet Gasturbinen, Luft- und Raumfahrtantriebe, Fachbereich Maschinenbau), mit ihrem mit rund 268.000 Euro geförderten Exploration-Vorhaben „Kalte Plasmazündung von grünen Treibstoffen für nachhaltige Raumfahrtantriebssysteme“.
Klassische Zündmethoden von Antriebssystemen, wie Zündkerzen, sind nicht immer verlässlich und können durch Fehlfunktion das Antriebssystem und den gesamten Satelliten irreparabel beschädigen. Es bedarf somit neuer und innovativer Zündmethoden, um zukunftssichere Antriebssysteme für die Raumfahrt zu garantieren. Hierfür möchte Jakob die einzigartigen Eigenschaften von kaltem Plasma nutzen. Durch die Erzeugung von kaltem Plasma wird im Treibstoffgemisch eine Vielzahl reaktiver Spezies erzeugt, die die Zündung katalytisch anregen. Der Prozess lässt sich hochgenau steuern. So lassen sich Treibstoffe auch besonders effizient nutzen.
Alexa will’s wissen
Befragungen liefern Informationen über Einstellung, Verhalten und Werteorientierung der Bevölkerung. Zunehmend werden Befragungen online durchgeführt. Allerdings sind mit Online-Befragungen Qualitätseinbußen verbunden. So sind zum Beispiel Ältere oder Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen unterrepräsentiert. Außerdem ist die Bereitschaft, an Online-Befragungen teilzunehmen, teilweise niedrig, was die Gefahr von Verzerrungen mit sich bringt. Hinzu kommt eine ganze Reihe von ungelösten Problemen in Zusammenhang mit der Qualität der Messung im engeren Sinne, zum Beispiel Tendenzen zu Nondifferenzierung oder sehr schnellem Antworten („Satisficing“).
Dieser Befund stellt den Ausgangspunkt dar für das mit rund 251.000 Euro geförderte Projekt „Wenn Alexa die Fragen stellt“ von Professor Marek Fuchs und Dr. Anke Metzler (Fachgebiet Empirische Sozialforschung, Institut für Soziologie, Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften). Sie arbeiten an einer standardisierten, aber gleichwohl natürlich-sprachlichen Vermittlung der Fragetexte und Antworten mit Hilfe der digitalen Sprachassistentin „Alexa“, die die Kommunikation in ein Gespräch verwandelt. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass die Gesprächssituation von den Befragten im Vergleich zu textbasierten Online-Befragungen angenehmer empfunden wird und damit die Belastung durch die Befragung verringert wird. Entsprechend sollten bekannte, durch Satisficing verursachte Messfehler abgemildert werden können. Die digitale Sprachassistentin startet eigeninitiativ die Befragung. Der Befragung wird so ein höherer Aufforderungscharakter verliehen. Allerdings sind die Reaktionen von Befragten auf die eigeninitiierte Anbahnung einer Befragung durch einen digitalen Sprachassistenten kaum vorhersehbar.
Nano-Plastik in der Umwelt messen
Nanoplastik – Plastik mit einer Größe unter 1000 Nanometer – entsteht bei der Zerkleinerung von größeren Plastikstücken in der Umwelt und ist schädlich für viele Organismen. Es kann von Pflanzen aufgenommen werden, Zellmembranen durchdringen und so in Zellen gelangen. Noch ist es sehr schwierig, die Konzentration von Nanoplastik in der Umwelt und all seine Eigenschaften zu bestimmen. Im Projekt „Chemisch/mikroskopische Verfahren und KI zur Analyse von Nanoplastik” von Professor Moritz Bigalke (Fachgebiet Bodenmineralogie und Bodenchemie, Institut für Angewandte Geowissenschaften, Fachbereich Material- und Geowissenschaften) geht es darum, verschiedene analytische Methoden zu kombinieren.
Die einzelnen Methoden können jeweils nur unvollständige Informationen generieren oder funktionieren nur für großes Nanoplastik. Deshalb soll in dem Projekt, das mit rund 257.000 Euro über LOEWE Exploration gefördert wird, künstliche Intelligenz genutzt werden, um die Methoden zu verknüpfen und so vollständige Informationen über die Konzentrationen und die wichtigen Eigenschaften von Nanoplastik in der Umwelt zu generieren. Die Kombination der verschiedenen chemisch-analytischen und bildgebenden Verfahren mit KI-basierter Bilderkennung ist neuartig, riskant und unkonventionell.
Mit der entwickelten Methode wäre es erstmals möglich, Nanoplastik in Umweltproben vollständig zu charakterisieren und wichtige Informationen über die potenzielle Gefährdung durch Nanoplastik und dessen Verhalten in der Umwelt zu bekommen. Im Erfolgsfall kann die entwickelte Methode in weiterführenden Projekten genutzt werden und das Forschungsgebiet nachhaltig voranbringen.
Beste Bedingungen für spezifische Gewebe aus Stammzellen
Im Rahmen des Vorhabens „CellDistinct – Gezielte Zelldifferenzierung durch optimal gradierte Mikrogitterstrukturen“ erforschen Professor Andreas Blaeser (Fachgebiet BioMedizinische Drucktechnologie, Fachbereich Maschinenbau) und Professor Oliver Weeger (Fachgebiet Cyber-Physische Simulation, Fachbereich Maschinenbau) mechanobiologische Grundlagen der Stammzelldifferenzierung. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass die mechanischen Eigenschaften von Geweben die Differenzierung von Stammzellen beeinflussen. Der wissenschaftliche Nachweis hierzu wurde durch die Kultivierung von Zellen auf sogenannten Hydrogelen erbracht. Um die mechanischen Eigenschaften zu ändern, musste in bisherigen Studien jedoch gleichzeitig die biochemische Zusammensetzung der Hydrogele verändert werden. Durch das Zusammenspiel mehrerer Einflussfaktoren wird eine eindeutige Zuordnung der Forschungsergebnisse erschwert.
„CellDistinct“, das mit rund 300.000 Euro gefördert wird, ermöglicht erstmals eine Entkopplung der beiden Mechanismen. Um die Struktur-Funktions-Beziehungen der Stammzelldifferenzierung systematisch untersuchen zu können, werden mittels Simulation entworfene und per 3D-Biodruck hergestellte Mikrogitter erzeugt, welche die eingebetteten Hydrogele gezielt deformieren und so bestimmte Aspekte des Zellwachstums präzise modulieren. Die zu erwartenden Forschungsergebnisse stellen einerseits einen grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn dar. Andererseits lassen sie sich auf unterschiedliche Anwendungsfelder übertragen, wie zum Beispiel auf die Herstellung von Patienten-spezifischem Gewebeersatz oder auf die Züchtung von Laborfleisch.
Quelle: TU Darmstadt