Darmstädter Stadtverordnetenversammlung feiert 100 Jahre Einzug der ersten Frauen ins Stadtparlament

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Die Darmstädter Stadtverordnetenversammlung begeht am Dienstag, 18. Juni 2019, um 15 Uhr im Vorfeld der turnusmäßigen Tagung im Sitzungssaal der Stadtverordnetenversammlung im Justus-Liebig-Haus den Einzug der ersten Frauen in das Stadtparlament vor 100 Jahren mit einer Feierstunde. Hintergrund ist die erste Sitzung der neu gewählten Darmstädter Stadtverordnetenversammlung – erstmals mit Frauenbeteiligung am 21. Juni 1919. Dieses, für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Darmstadt historisch bedeutsame Datum nimmt die Wissenschaftsstadt Darmstadt zum Anlass, feierlich an die Bedeutung des Jubiläums ‚100 Jahre Frauenwahlrecht‘ zu erinnern. Agnes Schmidt, Vorsitzende der Luise-Büchner-Gesellschaft, wird dabei ihr neues Buch ‚Auf zur Wahl, Bürgerin! -Darmstadt und das Frauenwahlrecht‘ vorstellen. Bürgerinnen und Bürger sind herzlich zur Feierstunde eingeladen.

„Die Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland jährte sich bereits im November des vergangenen Jahres zum 100. Mal“, erläutern Oberbürgermeister Jochen Partsch und Frauendezernentin Akdeniz. „Nach jahrzehntelangem harten Kampf, den mutige Pionierinnen gegen unzählige Hindernisse und Rückschläge tapfer führten, war es am 12. November 1918 soweit: Mit dem Aufruf vom Rat der Volksbeauftragten an das deutsche Volk wurden Frauen als ‚wahlberechtigte Bürger‘ anerkannt. Am 30. November 1918 trat das Reichswahlgesetz mit dem allgemeinen aktiven und passiven Wahlrecht für Frauen in Kraft. Damit konnten am 19. Januar 1919 Frauen in Deutschland zum ersten Mal wählen und gewählt werden – ein Meilenstein in der Geschichte der Frauenrechte, der damals jungen deutschen Demokratie und der politischen Beteiligung in der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Am 21. Juni zogen dann auch erstmals Frauen als Abgeordnete in das Darmstädter Stadtparlament ein. Dieses historische Datum wollen wir am 18. Juni gemeinsam feiern“, so die beiden Dezernenten. „Leider herrschen auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts noch immer keine paritätischen Verhältnisse in den Parlamenten und es ist noch einiges zu tun. Das Buch von Agnes Schmidt macht in diesem Zusammenhang Frauengeschichte sichtbar. Es würdigt die lokalen Protagonistinnen im Kampf um geschlechtergerechte Teilhabe und Mitbestimmung. Dafür bin ich sehr dankbar. Diese Vorkämpferinnen zeigen uns an ihrem Beispiel, dass die eignen Ansprüche formuliert werden können und dafür auch gegen Widerstände eingestanden werden muss. Sie zeigen uns, dass es möglich und notwendig ist, im öffentlichen Leben Verantwortung zu übernehmen und erfolgreich zu sein.“

Birgit Pörtner, Stadtverordnetenvorsteherin der Stadt Darmstadt ergänzt: „Die vielen guten Beispiele unserer Vorreiterinnen und aller seither engagierten Frauen in Bundes-, Landes- und Kommunalparlamenten wie auch in außerparlamentarischen Bewegungen sollten uns mutig und entschlossen den vor 100 Jahren so bedeutsam eingeschlagenen Weg weiter gehen lassen – hin zu einer wirklich paritätischen politischen Teilhabe von Frauen. In Erweiterung des Buchtitels von Agnes Schmidt gilt es – Auf zur Wahl, Bürgerin und rein in die Parlamente!“

Die Frauenbewegung in Deutschland begann schon Mitte des 19. Jahrhunderts, doch ging es dabei zunächst noch nicht und das Wahlrecht, sondern um bessere (Aus-) Bildung von Mädchen und Frauen und die Zulassung von Frauen zu qualifizierten Berufen. Auch die Darmstädter Schriftstellerin Luise Büchner (1821-1877) setzte sich dafür ein. Die Frage der politischen Beteiligung von Frauen war auch in Darmstadt anfangs noch an einer völlig anderen Stelle: In den von Großherzog Ludewig I. einberufenen Landtagen, in denen auch Männer nur beschränktes Wahlrecht genossen, wurde diskutiert, ob Frauen – als Zuhörerinnen – zu politischen Diskussionen zugelassen werden sollten.

Einer starken einheitlichen Bewegung für Frauenrechte standen die vielen kleinen Staaten in Deutschland mit ihren unterschiedlichen Gesetzen entgegen. Die Gesetzgebung in Hessen orientierte sich derzeit am strengen preußischen Vereinsgesetz, das Frauen verbot, an politischen Kundgebungen teilzunehmen und Mitglied in einer Partei zu werden. So vergingen noch etliche Jahre bis die Zeit reif war und ab 1900 die Forderungen nach dem Frauenwahlrecht lauter wurden. Auch in Darmstadt nahm das Thema Fahrt auf. Im Darmstädter Tagblatt vom 9. November 1907 heißt es in einem anonymen Artikel: „Durch die deutsche Frauenwelt geht eine machtvolle Bewegung. Immer dringender wird die Forderung des Frauenstimmrechts…“ Kurz danach gründeten Darmstädter Frauen eine Ortsgruppe des „Deutschen Verbandes für das Frauenstimmrecht“.

Zwar legte der Erste Weltkrieg den Kampf um das Frauenwahlrecht zwischendurch auf Eis, doch bald flammte die Forderung nach politischer Mitbestimmung wieder auf. Und so kam es schließlich, dass am 21. Juni 1919 unter den neu gewählten 60 Darmstädter Stadtverordneten im Sitzungssaal des Rathauses erstmals fünf Frauen Platz nahmen: Karoline Balser (Deutsche Demokratische Partei), Minna Brückner (Deutsche Volkspartei), Elisabeth Kern und Elise Lack (Sozialdemokratische Partei), sowie Luise Schweisgut (Deutsche Volkspartei).

Diese und viele weitere Begebenheiten hat Agnes Schmidt in mühevoller Recherche für ihr Buch zusammengetragen. Aufgrund der Verluste vieler Papiere durch den zweiten Weltkrieg war die Quellenlage schwierig, doch als unermüdliche Erforscherin Darmstädter Frauengeschichte und beherzte Verfechterin der Rechte von Frauen trug die Soziologin hartnäckig die Puzzleteile zusammen bis zu dem historischen Tag im Juni 1919 und darüber hinaus. Beim Verfassen der Biografien der weiblichen Stadtverordneten zwischen 1919 und 1933 stand ihr Bettina Bergstedt zur Seite. Das Buch ‚Auf zur Wahl, Bürgerin! – Darmstadt und das Frauenwahlrecht‘ ist durch den Buchhandel sowie in der Luise-Büchner-Bibliothek (Kasinostr. 3, donnerstags, 16-18 Uhr) zu erwerben, sowie im Frauenbüro der Stadt, Frankfurter Straße. 71. Preis: 9,90 Euro.

Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt


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