„Hart am Limit“ – Darmstadt macht mit bei Landesinitiative zur Prävention und Frühintervention bei jugendlichen Rauschtrinkern

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FlaschenIn Kooperation mit den Darmstädter Kinderkliniken Prinzessin Margaret, als zentralem Krankenhaus für Alkoholintoxikationen bei Jugendlichen, und dem Suchthilfezentrum des Caritasverband Darmstadt e.V. beteiligt sich die Wissenschaftsstadt Darmstadt am landesweiten Projekt „HaLT in Hessen“. HaLT steht für „Hart am Limit“.

Seit zehn Jahren tritt das Phänomen des komatösen Rauschtrinkens unter Jugendlichen auch in Hessen vermehrt auf: Die Zahl der Krankenhauseinweisungen der unter 20-jährigen hat sich in den letzten zehn Jahren von 800 auf 1.800 Personen mehr als verdoppelt. Darmstadt hat hessenweit die wenigsten Krankenhauseinlieferungen von Jugendlichen zu verzeichnen. „Dies bestätigt die erfolgreiche Präventionsarbeit in Darmstadt, ist aber gleichzeitig Grund, diese Arbeit zu intensivieren. Wissenschaftliche Studien belegen seit vielen Jahren, dass Suchtprävention nur dann effektiv ist und nachhaltig wirkt, wenn strukturelle Maßnahmen mit individuellen Ansätzen verknüpft werden. Das Konzept von HaLT berücksichtigt dies und basiert auf zwei Säulen: Dem proaktiven Baustein, der strukturelle, suchtpräventive Maßnahmen im Umgang mit Alkohol auf kommunaler Ebene umfasst, wie diese in der Wissenschaftsstadt Darmstadt bereits vielfältig etabliert sind. Und dem reaktiven Baustein, der aus einem Beratungsangebot für Kinder und Jugendliche besteht, die mit einer Alkoholvergiftung in die Kinderkliniken Prinzessin Margaret eingeliefert werden“, erläutert Sozialdezernentin Barbara Akdeniz.

Das Projekt „HaLT“ richtet sich an Jugendliche, die wegen einer Alkoholvergiftung stationär aufgenommen werden müssen. Noch im Krankenhaus werden die Betroffenen von Mitarbeitern der Suchthilfe zu einem ersten Gespräch aufgesucht. Das Hilfsangebot wird ausschließlich durch zertifizierte Berater des Suchthilfezentrums des Caritasverbandes Darmstadt e. V. erbracht. Die Berater unterliegen entsprechend dem Heilberufsgesetz der Schweigepflicht.

„HaLT“ wurde mehrere Jahre im Rahmen eines Bundesmodellprojektes des Bundesministeriums für Gesundheit an zwölf Standorten in neun Bundesländern gefördert und erprobt. Aufgrund der positiven Wirkungen wird es jetzt im ganzen Bundesgebiet umgesetzt. „HaLT in Hessen“ wird durch einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 7.500 Euro des Hessischen Sozialministeriums für die proaktiven Aktivitäten der Kommune sowie einer Abrechnungspauschale in Höhe von 50 Euro pro Beratungsgespräch für die Suchtberatungsstelle (wobei maximal drei Beratungen abgerechnet werden können) durch die gesetzlichen Krankenkassen in Hessen unterstützt. Die Krankenkassen unterstützen diese Initiative, weil auch sie langfristig davon profitieren, dass frühzeitige Intervention spätere Suchterkrankung vorbeugt und Kosten für Behandlung und Arbeitsausfall spart.

30 Prozent der Kinder, die aus Elternhäusern mit Suchtproblemen kommen, werden selbst suchtkrank. „Mit der Frühintervention über das Programm HaLT greifen wir als Caritasverband ein gesellschaftlich relevantes Thema auf. Alkoholmissbrauch ist ein breites Thema, das an dieser Stelle besonders deutlich wird“, sagt Caritasdirektor Dr. Werner Veith.

Das Projekt setzt darauf, dass zumindest kurzfristig nach einem einschneidenden Ereignis wie einer Noteinweisung eine hohe Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Alkoholkonsum besteht. Auch viele Eltern sind dann bereit, Unterstützung und weiterführende Hilfsangebote anzunehmen. Auf diese Bereitschaft soll in diesem Projekt mit direkter Ansprache unmittelbar reagiert werden. „Die Intervention am Krankenbett ist ein erster Baustein für jugendliche Komatrinker. Perspektivisch wäre es wichtig, auch Jugendliche zu erreichen, die nicht im Krankenhaus landen“, so Andrea Wiechert, Leiterin des Suchthilfezentrums Darmstadt. Durch eine gründliche Analyse der Situationen und Trinkmotive, die zur Intoxikation geführt haben, ergeben sich wichtige Informationen für das weitere Vorgehen. Ziel der Beratung durch das Suchthilfezentrum sind die Unterstützung bei der Bewältigung der individuellen Problemsituation unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes sowie die Verbesserung der Risikokompetenz. Mittelbar wirkt das Angebot auch auf eine Reflektion der Erwachsenen auf den Konsum von Alkohol.

„In der Vergangenheit wurden die Jugendlichen nach der Entgiftung wieder aus der Klinik entlassen, ohne dass man ein Beratungsangebot unterbreiten konnte. Es gab keine Chance, an den Ursachen der Problematik zu arbeiten. Das Projekt bietet uns nun die Möglichkeit, zeitnah dem Jugendlichen ein Hilfsangebot zu unterbreiten, in einer Phase, in der er ansprechbar ist. Ich erhoffe mir dadurch, dass wir die Wiederholungsquote bei den Patienten deutlich verringern können. Von daher begrüße ich das Projekt sehr“, erklärt Dr. Bernhard Lettgen, Leiter der Darmstädter Kinderkliniken.

Als Start des Beratungsangebotes in Darmstadt wurde der Faschingssonntag gewählt: Seit dem wurden durch das Suchthilfezentrum elf Jugendliche untermittelbar erreicht, wovon zwei Jugendliche aus Darmstadt kamen und neun Jugendliche aus den angrenzenden Landkreisen. An weiteren „besonderen Sonntagen“ ist das Angebot fest eingeplant, an der alljährlichen Abi-Feier, dem Schloßgrabenfest und dem Heinerfest. Auch an Werktagen steht das Suchthilfezentrum kurzfristig für Besuche im Krankenhaus zur Verfügung.

Im März 2011 wurde die Wissenschaftsstadt Darmstadt vom Regierungspräsidium Darmstadt als offizieller Projektstandort bestätigt. Die Projektzertifizierung erfolgte im Juli 2011 durch die mit der landesweiten Projektorganisation beauftragte Landesstelle für Suchtfragen. Die Laufzeit des Projektes beträgt zunächst drei Jahre.

Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt


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