Es war ein würdiger Rahmen, in dem die Gedenktafel in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Theresienstadt in Terezín/Tschechien enthüllt wurde. Eine Delegation aus Darmstadt hatte diese dorthin gebracht, wo sie einen Platz im dortigen Kolumbarium bekam. Schülerinnen und Schüler der Edith-Stein-Schule hatten die Tafel im Rahmen des von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) Darmstadt getragenen „Projekts Theresienstadt“ entworfen und mit Unterstützung der Wissenschaftsstadt Darmstadt umgesetzt. Der Stein, aus dem die Tafel herausgebrochen wurde, soll als Gegenstück in Darmstadt aufgestellt werden. Dass so eine „Gedenkbrücke“ zwischen Darmstadt und Terezín/Theresienstadt geschlagen wird, dürfte einmalig sein.
Die Inschrift von Gedenktafel und Gedenkstein lautet: „Wir gedenken der jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Darmstadt und Südhessen, die nach Theresienstadt deportiert und ermordet wurden. Wir erinnern an ihr Leben und ihr Leid. Sie dürfen nie vergessen werden. Magistrat der Stadt Darmstadt | Edith-Stein-Schule Darmstadt | GCJZ Darmstadt“
Der Enthüllung ging eine Gedenkstunde im Kolumbarium voraus, die Bernd Lülsdorf, katholischer Vorsitzender der GCJZ, moderierte. Im Kolumbarium war die Asche der im Konzentrationslager an den katastrophalen Lebensbedingungen gestorbenen und der ermordeten Menschen aufbewahrt worden. Hier sangen die Darmstädterinnen und Darmstädter bei der Gedenkstunde Lieder von Ilse Weber, einer tschechischen deutschsprachigen Jüdin, die im Lager von Theresienstadt Kinder betreute und in Auschwitz ermordet wurde. Prof. VojtÄch Blodig, stellvertretender Direktor der Gedenkstätte Theresienstadt, würdigte das Engagement von Edith-Stein-Schule, GCJZ und Wissenschaftsstadt Darmstadt für die Gedenktafel.
Oberbürgermeister Hanno Benz dankte ebenfalls allen, die dazu beigetragen haben, und hob die Bedeutung der Erinnerungsarbeit hervor: „Gerade heute müssen wir uns daran erinnern, wozu Hass, Rassismus und Antisemitismus führen können, und wir müssen alles daransetzen, uns rechtsextremen und rassistischen Positionen entgegenzustellen.“ Zivilgesellschaftliches Engagement und Orte zur Erinnerung wie Theresienstadt sind zur Verteidigung der Demokratie von großer Bedeutung.
Die Schülerinnen der Edith-Stein-Schule Annika Rauchmann und Amelie Neumann berichteten von ihren Erfahrungen und Erkenntnissen bei ihrer Reise nach Theresienstadt und Prag, ihrer Arbeit an einem Magazin und einem Film sowie bei der Entwicklung einer Gedenktafel und eines Gedenksteins. Ihre Lehrerinnen Stefanie Gatzka, Christiane Anders und Joanna Rajca sowie ihre Lehrer David Holluba und David Prager haben das Projekt begleitet, unterstützt auch von Michaela Rützel vom Arbeitskreis Stolpersteine. Doris Krumpholz, Leiterin der Edith-Stein-Schule, betonte den emotionalen Zugang, den die Schülerinnen und Schüler bei ihrem Projekt „Aus Zahlen werden Namen“ erhalten haben. Dadurch seien sie auch „für den demokratischen Widerstand gegen Extremismus“ gestärkt worden, damit der Satz „Nie wieder ist jetzt“ jederzeit seine Gültigkeit behalte, so die Direktorin.
Ulrike Schmidt-Hesse, evangelische Vorsitzende der GCJZ, die zunächst Namen und Biographien von zwei der 224 Deportierten aus Darmstadt genannt hatte, betonte: „Nie wieder sollen Menschen wegen ihres Glaubens, ihrer Herkunft, ihrer politischen Überzeugung, ihrer sexuellen Identität, ihrer körperlichen oder geistigen Fähigkeiten ausgegrenzt und verfolgt werden.“ Es gelte der Ideologie der Nicht-Gleichwertigkeit von Menschen zu widersprechen. „Die Nationalsozialisten wollten alle jüdischen Menschen in Europa vernichten, alles jüdische Leben und alle Erinnerung daran auslöschen. Dem stellen wir das Gedenken gegenüber und unser Engagement gegen Antisemitismus und Rassismus und für die Menschenrechte aller“, so die frühere Darmstädter Dekanin.
Anschließend enthüllten Oberbürgermeister Hanno Benz und Amelie Neumann die Tafel an deren Platz im Kolumbarium und legten einen Kranz nieder. Für die Gedenkstätte taten dies Prof. VojtÄch Blodig und der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Gedenkstätte, Stanislav Lada, der das Projekt unterstützt hatte. Die Mitglieder der Darmstädter Delegation hatten zudem Steine aus Darmstadt mitgebracht, die sie – nach jüdischem Trauerritual – auf die Gedenktafel legten. Es schloss sich eine Schweigeminute an.
„Wenn wir jetzt hier weggehen, ist es unser Auftrag von dem zu berichten, was wir im Projekt Theresienstadt erlebt und gefühlt und was wir hier im Kolumbarium gesehen und gehört haben“, beschloss Bernd Lülsdorf die Gedenkstunde, „wir tun dies, weil wir Verantwortung tragen für eine Zukunft in Vielfalt und Gerechtigkeit.“
Foto: Stefanie Gatzka | GCJZ Darmstadt
Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt