Diagnose-App für Tierärzte: h_da-Forscherinnen entwickeln KI-gestütztes Tool

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Drei Forscherinnen der Hochschule Darmstadt (h_da) entwickeln gemeinsam mit zwei Tierärztinnen eine Diagnose-App für Haus- und Nutztiere. Sie soll Untersuchungen und Befunde in Veterinärpraxen vereinheitlichen, Krankheitsverläufe visualisieren und per KI bei der Diagnosestellung unterstützen. Gefördert wird das Projekt vom Hessischen Ministerium für Digitale Strategie und Entwicklung.

Statt wie bislang auf Papier sollen Befunde während der Behandlung des Vierbeiners künftig mit Hilfe einer App schnell, intuitiv und trotzdem präzise digital dokumentiert werden können. Hierzu hat sich ein multidisziplinäres Team zusammengefunden, das eine entsprechende Anwendung bis 2025 entwickeln will. Darunter sind die Informatik-Professorinnen Elke Hergenröther und Ute Trapp, die Mathematik-Professorin Romana Piat sowie zwei Tiermedizinerinnen aus Deutschland und Norwegen.

Initiiert hat das Projekt, für das die h_da über das Landes-Förderprogramm „Distr@l“ 300.000 Euro erhält, die Veterinärin Beate Egner. Sie leitet die Veterinary Academy of Higher Learning (VAHL) und ist Geschäftsführerin des „VBS VetVerlages“ im hessischen Babenhausen. Zusammen mit der spanisch-norwegischen Tierärztin Barbara Esteve Ratsch, die auf Physikalische Medizin, Rehabilitation und Sportmedizin spezialisiert ist, bringt sie ihre praktischen Erfahrungen als Tiermedizinerin ein.

In Tierarztpraxen werden Befunde meist noch auf einem Untersuchungsbogen handschriftlich notiert. Diese künftig visuell und grafisch darzustellen, war Esteve Ratschs Idee. Das soll die Dokumentation der Befunde beschleunigen. Gleichzeitig wird damit die Grundlage zur KI-unterstützten Erstellung einer Diagnose geschaffen. „Wir wollen das Rad nicht komplett neu erfinden“ sagt h_da-Informatik-Professorin Ute Trapp, Expertin für Anwendungsentwicklung und User Experience. Es gibt bereits digitale Praxismanagement-Systeme in der Tiermedizin, die zur Terminverwaltung, Rechnungserstellung, Verwaltung der Stammdaten und für die textbasierte Dokumentation von Befunden im Einsatz sind. In eine dieser Anwendungen könnte die neue App als Ergänzung integriert werden.

Die Forscherinnen arbeiten zudem an einem Interface, „das auch beim nächsten Praxisbesuch die bereits erfassten Daten schnell erkennt und verfügbar macht“, erläutert Professorin Ute Trapp. Künftig, so schwebt es Elke Hergenröther, h_da-Fachfrau für Computer Graphik und Computer Vision vor, könnte ein Klick in der App reichen, um einen Film abzuspielen, der die gesundheitlichen Veränderungen des Tieres aufzeigt und auch Vorschläge macht, woran das Tier leidet. Davon könnten gerade junge Medizinfachkräfte profitieren, die noch nicht so viel Praxiserfahrung gesammelt haben.

Einen App-Prototypen für Hunde haben Studierende des Bachelorstudiengangs Informatik mit Schwerpunkt Kommunikation und Medien bereits erstellt. Die Handhabung scheint einfach: Mit einem Stift werden auf dem Display verschiedene Fenster und Icons angeklickt, die den Tieren und der manuellen Untersuchung zugeordnet sind. Auf einer digitalen „Body Map“ des Tieres können per Stift oder Touch die Befunde am Körper genau eingezeichnet werden: Schmerz, Verspannung, Belastung oder Erkrankung je nach Intensität farblich unterschiedlich markiert werden.

Numerische und Machine Learning Verfahren werten die Daten und Befunde aus, erklärt Professorin Romana Piat die technischen Abläufe. Sie ist auf numerische Mathematik spezialisiert. „Noch stehen wir am Anfang“, berichtet sie. Derzeit entwickelt ihr Team die für die App notwendigen numerischen Algorithmen. Dafür brauchen die Forscherinnen vor allem eine große Anzahl an Daten. „Zunächst von gesunden Tieren, um krankheitsbedingte Abweichungen überhaupt erkennen zu können“, so Professorin Piat. Die App wird zuerst für Hunde konzipiert. Schrittweise wollen sich die Wissenschaftlerinnen dann gemeinsam mit den beiden Tiermedizinerinnen in der Erkennung und Diagnosestellung voran arbeiten und so das System verfeinern.

Künftig soll die App dann mehrere Vorschläge für mögliche Erkrankungen machen und helfen, Behandlung, Therapie und Prävention in der Tiermedizin zu optimieren. Die Anwendung soll zudem ein lernendes System sein, kontinuierlich weiterentwickelt werden und mit nur wenigen Anpassungen auf allen Systemen in den Praxen funktionieren. Diese sollen ihre Erfahrungen mit der App an einen Clouddienst geben können, wo sie wiederum von einem KI-System ausgewertet werden und ihr Feedback eingearbeitet wird.

Eins stellen die drei Forscherinnen aber klar: Es wird keine App sein, die sich Laien im Internet zur Selbstdiagnose für ihre kranken Vierbeiner herunterladen können. „Es muss eine fundierte Untersuchung und professionelle Interpretation stattfinden“, betont Informatikerin Hergenröther. Letztlich liegen Auswertung und Entscheidungen in der Hand der ärztlichen Fachleute. Und auch die sollen bei der richtigen Bedienung und Nutzung des Tools zunächst mit professionellen Schulungen und Seminaren begleitet werden. Ziel ist, die App in zwei Jahren in die Hände der beteiligten Partnerunternehmen zu legen und dann zeitnah auf den Markt zu bringen.

Quelle: Hochschule Darmstadt


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