Anfang einer neuen wissenschaftlichen Ära – Professor Gabriel Martínez-Pinedo erhält Leibniz-Preis

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Professor Gabriel Martínez-Pinedo erhält einen Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2022 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), verbunden mit einem Preisgeld in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Der wichtigste und höchstdotierte deutsche Forschungspreis geht damit an einen herausragenden Wissenschaftler an der Schnittstelle zwischen Astro-, Kern- und Neutrinophysik. Martínez-Pinedo forscht und lehrt am Institut für Kernphysik der TU Darmstadt und am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt.

„Wir gratulieren dem Preisträger Gabriel Martínez-Pinedo zu dieser herausragenden Auszeichnung“, so Professorin Tanja Brühl, Präsidentin der TU  Darmstadt. „Er hat einen Paradigmenwechsel in der Erforschung der Entstehung schwerer Elemente eingeleitet. Forschungs-Persönlichkeiten wie er stärken die Rolle der Technischen Universität Darmstadt und des GSI Helmholtzzentrums, die gemeinsam zu einem international herausragenden Zentrum der Kern-Astrophysik geworden sind. Wir sind stolz, dass mit Gabriel Martínez-Pinedo ein weiterer Leibniz-Preisträger das Forschungsfeld Matter and Materials der TU Darmstadt mitprägt. Er stärkt mit seiner Expertise zudem die vom HMWK geförderte Exzellenzclusterinitiative ELEMENTS, die wir gemeinsam mit der Goethe-Universität entwickeln.“

Der Physiker Gabriel Martínez-Pinedo hat mit seinen Arbeiten dazu beigetragen, eines der größten ungelösten Probleme der Physik im 21. Jahrhundert zu lösen: Wo produziert die Natur schwere Elemente, wie etwa die Edelmetalle Gold oder Platin? Zusammen mit Wissenschaftlern aus den USA zeigte Martínez-Pinedo, dass diese Elemente bei der Verschmelzung von Neutronensternen entstehen und dass bei diesem Prozess ein eindeutiges elektromagnetisches Signal, eine Lichtkurve, erzeugt wird, für das Martínez-Pinedo und Kollegen den Begriff „Kilonova“ prägten. 2017 wurde erstmals eine solche Kilonova beobachtet, und zwar gleichzeitig durch die „Boten“ Licht und Gravitationswellen. Dieser wissenschaftliche Meilenstein, an dem Martínez-Pinedo beteiligt war, gilt als Geburtsstunde der Multi-Messenger-Astronomie, die ganz neue wissenschaftliche Möglichkeiten eröffnet.

So werden künftig die kernphysikalischen Prozesse, die für die Verschmelzung und Nukleosynthese verantwortlich sind, nach Fertigstellung des derzeit bei GSI entstehenden internationalen Beschleunigerzentrums FAIR in Darmstadt mit unerreichter Qualität im Labor untersucht werden können. Dadurch eröffnet sich die Chance, aus Details der Gravitationswellen- und Lichtkurvensignale die Dynamik bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne zu entschlüsseln und fundamentale Fragen zu klären – etwa, wie der Übergang der verschmelzenden Neutronensterne zu einem Schwarzen Loch verläuft, ob bei der Verschmelzung eine neue Form der Materie, die „Quarkmaterie“, durchlaufen wird oder ob verschmelzende Neutronensterne der einzige Ort sind, an dem schwere Elemente im astrophysikalischen r-Prozess entstehen können. Die meisten der am r-Prozess beteiligten Kerne sind extrem kurzlebig, so dass ihre Eigenschaften theoretisch modelliert werden müssen, um den r-Prozess erforschen zu können. Dabei hat Martínez-Pinedo in den letzten Jahren eine weltweit führende Rolle eingenommen.

Gabriel Martínez-Pinedo kombiniert die Expertise auf den Forschungsfeldern Astro-, Kern- und Neutrinophysik und ist so in der Position, in einem hochgradig interdisziplinären Forschungsfeld eine weltweite Führungsrolle einzunehmen.

Weiterer Höhepunkt der wissenschaftlichen Karriere von Gabriel Martínez-Pinedo war die Entdeckung des υp-Prozesses, eines während einer Supernova ablaufenden Nukleosyntheseprozesses. In jüngerer Zeit beschäftigte der Physiker sich mit der Beschreibung der Wechselwirkung von Neutrinos mit Materie in Supernovae. An der TU Darmstadt und am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung leitet Gabriel Martínez-Pinedo die Arbeitsgruppen für Theoretical Nuclear Astrophysics. Er hat mit seinen Arbeiten an beiden Forschungseinrichtungen maßgeblich dazu beigetragen, Darmstadt als ein Zentrum der Kern-Astrophysik weltweit zu etablieren.

Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis wird seit 1986 jährlich von der DFG an in Deutschland arbeitende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen verliehen. Pro Jahr können bis zu zehn Preise mit einer Preissumme von jeweils 2,5 Millionen Euro verliehen werden. Der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erkannte heute zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2022 zu. Sie waren zuvor aus 134 Vorschlägen ausgewählt worden. Mit dem Preisgeld sollen unter anderem die Forschungsmöglichkeiten der Ausgezeichneten erweitert werden; die Preisträgerinnen und Preisträger können es bis zu sieben Jahre lang nach ihren eigenen Vorstellungen und ohne bürokratischen Aufwand für ihre Forschungsarbeit verwenden.

Über Gabriel Martínez-Pinedo
Gabriel Martínez-Pinedo studierte an der Autonomen Universität Madrid und promovierte dort in Theoretischer Physik. Seine weitere Laufbahn führte ihn unter anderem ans California Institute of Technology, an die Universitäten Aarhus, Basel und Barcelona. Seit 2005 arbeitet er am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt, wo er die Theorieabteilung Nukleare Astrophysik und Struktur leitete und 2020 einer der Direktoren der Helmholtz Forschungsakademie Hessen für FAIR wurde. Seit 2011 hat Martínez-Pinedo die Professur für Theoretical Nuclear Astrophysics am Fachbereich Physik der TU Darmstadt inne. Martínez-Pinedo ist vielfach ausgezeichnet; unter anderem erhielt er im vergangenen Jahr einen ERC Advanced Grant für das Projekt „Probing r-process nucleosynthesis through ist electromagnetic signatures (KILONOVA)“. Er ist vielgefragter Sprecher auf internationalen Konferenzen, vertritt sein Fachgebiet in wichtigen internationalen Gremien und veröffentlicht in renommierten wissenschaftlichen Journalen.

Quelle: TU Darmstadt


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