Wie stabil sind unsere Brücken? – Neuer Ansatz der TU Darmstadt vereinfacht Bauwerks-Kontrolle wesentlich

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AtheneDie Nachricht, dass deutsche Brücken bröckeln, taucht seit einiger Zeit immer wieder in den Medien auf. Gezeigt hatten das kosten-, arbeits- und zeitintensive Messungen mit teuren Sensoren. Geodäten und Bauingenieure der TU Darmstadt haben nun eine Methode entwickelt, mit der solche Überprüfungen wesentlich effektiver und schneller durchführbar sind.

Die Deutsche Bahn, die die von ihr genutzten Brücken ständig kontrollieren muss, hat an einer Kooperation mit den Darmstädter Wissenschaftlern bereits starkes Interesse bekundet. Ihr Ziel: Brücken und auch Lärmschutzwände, die dem Luftdruck durchfahrender Züge standhalten müssen, sollen auf Schäden gescannt werden.

Abtasten ohne Anfassen
„Bisher müssen die betroffenen Strecken immer zweimal gesperrt werden: um die Sensoren anzubringen und nach den Messungen wieder zu entfernen. Das geht einher mit Fahrplanänderungen und einem großen logistischen und finanziellen Aufwand“, erläutert Prof. Matthias Becker, Leiter der Arbeitsgruppe am Institut für Geodäsie. „Wir dagegen stellen uns mit unserem Gerät einfach neben die Gleise und messen. Dabei können wir auch 100 oder gar 1000 Meter entfernt von dem Bauwerk stehen.“ Prinzipiell sind sogar noch größere Entfernungen möglich.

Das Gerät der Darmstädter nutzt die Mikrowellentechnik, die bereits für die Überwachung von instabilen Hängen etwa nach Sprengungen eingesetzt wird oder neuerdings auch für die Vulkanüberwachung. „Wir haben dieses Gerät mit einer neuen Software ausgestattet, die die Überwachung von Bauwerken ermöglicht“, berichtet Becker. Es misst 200 Mal pro Sekunde die Position einer bestimmten Zelle eines Gebäudes, die etwa einen halben Quadratmeter umfasst. „Das ist der große Vorteil dieses Gerätes, dass es als Radar das Bauwerk insgesamt scannt und eine Momentaufnahme seines Zustands gibt. Durch die hohe Messrate kann das Bewegungsmuster einer Lärmschutzwand durch den Luftdruck eines vorbeifahrenden Zuges oder die Deformation einer Brücke wegen der Belastung durch Züge oder LKW erfasst werden“, so Becker.
Ermüdungsbedingte Materialschäden wie Risse oder Änderungen der elastischen Parameter werden sofort sichtbar gemacht, indem die Software in Echtzeit die charakteristischen Eigenschaften der Struktur analysiert. In Kooperation mit Prof. Jens Schneider vom Fachgebiet Statik werden dabei auch statische Modellinformationen in die Auswertung integriert.

Vielfältige Anwendungsgebiete
Doch hat die Messmethode auch Nachteile. So reagieren Mikrowellen – anders als Lichtwellen – empfindlich auf Luftfeuchtigkeit und sich ändernden Luftdruck. Das heißt: Bei Regen könnten Veränderungen aufgezeigt werden, die gar nicht existieren. Daran arbeiten die Darmstädter nun, um ein robustes Verfahren zu entwickeln, das in der Praxis von der Deutschen Bahn, von Straßenbauämtern und Ingenieurbüros zur regelmäßigen Prüfung der Infrastruktur-Bauwerke genutzt werden kann. Mit dem berührungslosen Messverfahren sparen sie sehr viel Geld und Zeit.

„Ein Ziel unsererseits wird es sein, eine Analysesoftware für die spezifischen Baustrukturen zu entwickeln“, präzisiert Becker die Forschungen der TU Darmstadt. Auch soll die Genauigkeit der Messergebnisse verbessert werden, indem weitere Zusatzinformationen in die Auswertung der „rohen Messdaten“ einbezogen werden, wie zum Beispiel meteorologische Daten. Bei hoher Luftfeuchte etwa könnten so Verfälschungen der Ergebnisse wieder herausgerechnet werden.

Was die Kosten für das Gerät betrifft, ist auch noch Besserung in Sicht. Derzeit kostet ein Mikrowellen-basiertes Warngerät um die 100.000 Euro. Aber: „Der Preis könnte womöglich noch halbiert werden“, hofft Becker. „Wenn wir Partner aus der Radartechnik gewinnen können, könnten solche Geräte in großer Stückzahl produziert und damit wesentlich günstiger werden. Der Markt für solche Geräte wäre auch im Hinblick auf die im Zusammenhang mit dem Klimawandel immer häufiger werdenden Erdfälle, Hangrutschungen als weitere Anwendungsgebiete sicher gegeben.“

Quelle: TU Darmstadt


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