Studie: Keine Versorgungslücke bei Atomausstieg – Kraftwerkspark für Klimaschutz nicht gerüstet

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StrommastDer Kraftwerkspark in Deutschland hat auch ohne Ausstieg vom Ausstieg keine Versorgungslücke und ist weiterhin nicht dafür gerüstet, die geplanten Klimaschutzziele zu erreichen. Das zeigt eine aktuelle Studie, die der Energieexperte Professor Dieter Schmitt im Auftrag der HSE erstellt hat. „Die Kraftwerkstruktur hat eine erhebliche Schieflage“, sagte Professor Schmitt bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch (04.11.09) in Darmstadt. Deutschland brauche mehr flexible Mittel- und Spitzenlastkraftwerke, statt unflexibler Grundlastkraftwerke wie Kohle- und Kernkraftwerke. Die von der neuen Koalition geplante Laufzeitverlängerung für die deutschen Kernkraftwerke würde diese Schieflage noch verstärken. Dies muss bei der Erstellung des im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Energiekonzeptes berücksichtigt werden.

Die Einspeisung von Strom aus Windkraft- oder Photovoltaikanlagen schwankt je nach Wetterbedingungen stark. Wenn zum Beispiel der Wind kräftig weht, wird innerhalb kürzester Zeit viel Strom produziert, bei einer Flaute sinkt die Einspeisung ins Stromnetz rasch. Große Kohle- und Kernkraftwerke, die ständig verfügbare Grundlast an Elektrizität sicherstellen, können nicht flexibel auf diese stark schwankende Einspeisung reagieren. Die Stromerzeugung auf Basis regenerativer Energieträger wird sich aber bis 2030 mehr als verdoppeln. Benötigt werden daher zum Ausgleich mehr flexible Mittel- und Spitzenlastkraftwerke.

Entsprechend kritisch sieht Albert Filbert, Vorstandsvorsitzender der HSE, die von der neuen Bundesregierung geplante Laufzeitverlängerung für die deutschen Kernkraftwerke: „Die Laufzeitverlängerung ist eine Investitionsbremse, zementiert das Oligopol in der Stromerzeugung und ist kontraproduktiv für den notwendigen Ausbau der regenerativen Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung. Durch die Laufzeitverlängerung für bereits abgeschriebene Altanlagen wird der Gewinn für Betreiber von Kernkraftwerken gesteigert und werden gleichzeitig Neuinvestitionen in effizientere Techniken verhindert. Der Ausstieg vom Ausstieg hat negative Folgen für den Wettbewerb auf dem Energiemarkt, wie eine Studie des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung belegt.“ Außerdem betonte Albert Filbert, dass die Kunden nicht von der vielzitierten günstigen Kernkraft profitieren: „Die Kostenvorteile erreichen nicht die Kunden, sondern steigern die Gewinne der Kernkraftwerksbetreiber.“ Immer noch kontrollieren in Deutschland vier Unternehmen über 80 Prozent der Stromerzeugung. Zudem ist nach Ansicht Filberts die Frage der Endlagerung keinesfalls geklärt und im Risiko des Staates. So drohen den Steuerzahlern immense Lasten bereits aus den ersten Endlagern Morsleben und Konrad. Daher fordert Filbert, dass die durch die Laufzeitverlängerung entstehenden Gewinne abgeschöpft und den Kunden über niedrigere Netznutungsentgelte zugeleitet werden.

Nach geltenden Klimazielen soll der Anteil der regenerativen Energieträger zur Stromerzeugung in Deutschland bis zum Jahr 2030 auf 35 Prozent steigen. Um angemessen auf die Herausforderungen reagieren zu können, die durch den Zuwachs an Ökostrom und durch den rückläufigen Verbrauch entstehen, muss die Kraftwerksstruktur im Gegensatz zu den derzeitigen Planungen geändert werden. Professor Schmitt nennt in der Studie „Entwicklungsperspektiven des deutschen Strommarktes“ vier wesentliche Punkte:

  • Der Anteil von typischen Mittel- und Spitzenlastkraftwerken muss zulasten von Grundlastkraftwerken deutlich erhöht werden.
  • Es muss viel mehr Reserve- und Regelenergieleistung vorgehalten werden.
  • Die Möglichkeiten zur Stromspeicherung sowie zum Lastmanagement müssen zügig ausgebaut werden.
  • Die Flexibilität des Kraftwerksparks muss erheblich gesteigert werden.

Die Studie belegt, dass der Stromverbrauch in Deutschland wegen verbesserter Energieeffizienz in den nächsten beiden Jahrzehnten stagniert oder sogar um bis zu 15 Prozent zurückgeht, falls sich stromintensive Industriezweige aus Deutschland zurückziehen. „In Deutschland ist auf absehbare Zeit keine Stromlücke zu befürchten“, betonte Professor Schmitt.

Das gilt erst recht bei einem Ausstieg aus dem Ausstiegsbeschluss: Wenn Kernkraftwerke am Netz bleiben, reichen weitgehend die vor-handenen Kraftwerke und die derzeit im Bau befindlichen Anlagen, um den erwarteten Stromverbrauch zu decken. Viele der derzeit geplanten Grundlastkraftwerke würden allerdings überflüssig wer-den. Neue Stromproduzenten, die für mehr Wettbewerb bei der Stromerzeugung sorgen könnten, verlieren damit ihre Planungsgrundlage. Albert Filbert betonte, dass damit die Wettbewerbsposition der großen Energieversorger zu Lasten neuer Anbieter gestärkt wird.

Die HSE sieht daher ihre Strategie für eine ganzheitlich nachhaltige Energieversorgung durch die Studie bestätigt. „Wir sind für den Energiemarkt der Zukunft richtig aufgestellt“, sagte der HSE-Vorstandsvorsitzende Albert Filbert. Der Konzern setzt auf den Ausbau regenerativer Energien. Neben regionalen Anlagen inves-tiert die HSE auch überregional – so zum Beispiel in den 400 Megawatt-Windpark Global Tech I in der Nordsee. Außerdem ist das Unternehmen an dem effizienten GUD-Kraftwerk Irsching 5 beteiligt und baut selbst ein modernes Gasturbinen-Kraftwerk, um Spitzenlasten für den Ausbau der regenerativen Energien selbst abdecken zu können. Die Vertriebsgesellschaft ENTEGA ist mit über 400.000 Ökostromkunden einer der größten Ökostromanbieter Deutsch-lands. Die HSE Technik engagiert sich für mehr Energie-Effizienz, deren Bedeutung in den nächsten Jahren weiter zunimmt. Die HSE treibt zudem in Pilotprojekten die intelligenten Stromnetze (smart-grids) voran und trägt damit dazu bei, dass das Stromversorgungssystem in Deutschland intelligenter, dezentraler und ökologischer wird.

Quelle: HEAG Südhessische Energie AG (HSE)


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