Herr Schmidt liegt in seinem Bett, er schreit, sein Kreuzworträtsel fällt ihm aus der Hand und seine Frau ist besorgt, weil sie ihren Mann nicht wiedererkennt. Eine typische Situation für ein Delir – hier nur gespielt. Herr Schmidt ist Schauspieler und veranschaulicht den interessierten Mitarbeiter*innen im Klinikum eindrücklich, wie ein Delir aussehen kann. Seine schauspielerischen Fähigkeiten lassen ihn auch perfekt die hypoaktive Ausprägungsform des Delirs darstellen, bei der die Patient*innen antriebsarm und zeitlich desorientiert sind.
„Ein Delir zu erleiden erhöht die Mortalitätsrate als auch die Anzahl an Komplikationen der Patient*innen“, erklärt Pflegewissenschaftlerin Rebekka Stetzenbach. Grund genug sich mit dem Thema intensiver auseinanderzusetzen, da es u. a. die Versorgungsqualität erhöht. In einem Pilotprojekt hatte sie sich mit pflegerischen Multiplikator*innen dem Thema angenommen und dieses Wissen wurde jetzt an einem Aktionstag weitergegeben. Zudem erstellte das Team kurze Fortbildungsflyer und installiert eine Wissenswerkstatt zum Thema, die ab April 2023 regelmäßig stattfindet.
„Ein Alter ab 65 Jahren, bestehende kognitive Einschränkungen, altersbedingte Gebrechen und ein Eingriff mit einer Narkose erhöhen das Risiko für ein Delir“, erklärt Rebekka Stetzenbach weiter. „Das Risiko kann man vermindern, wenn man dafür sorgt, dass die Patient*innen ein individuelles nicht-medikamentöses Interventionsbündel erhalten. Das kann beispielsweise die Anwendung der notwendigen Seh- und Hörhilfen oder die zeitliche und räumliche Reorientierung sein. Außerdem sollte natürlich darauf geachtet werden, dass sie mobilisiert werden, genug trinken und keine Schmerzen haben.“ Kleine Dinge, wie tageszeitgemäße Begrüßungen mit Namen oder Mahlzeiten zur Orientierung können hier schon helfen. „Ein wichtiger Hinweis für Pflegefachpersonen ist auch, wenn Angehörige sagen, sie erkennen den Patienten nicht wieder, da er sich total verändert hat.“
Sollte es dennoch zum Delir kommen, ist es wichtig es rechtzeitig als solches zu erkennen – und dafür diente der Aktionstag und die Leistung des Schauspielers.
„Erst hatte ich etwas Berührungsängste, dann habe ich aber gemerkt, dass Berührung und Ansprache helfen und wurde dadurch immer sicherer“, erzählt die Auszubildende Singe Can, die Herrn Schmidt beruhigt und mobilisiert hat. „Sehr geholfen hat mir auch, dass er mir im Nachhinein erzählt hat, wie er sich in der Situation gefühlt hat.“
„Das zu erleben, wie sich ein Patient verhält, hilft einem sehr, denn wenn man etwas erklärt bekommt, kann man es sich nie so gut vorstellen“, sagen auch andere Teilnehmende.
Delirmanagement ist Teil des Konzepts „Demenzsensibles Krankenhaus“, an dessen Umsetzung derzeit im Klinikum gearbeitet wird. Fehlende Orientierung, starre Zeitvorgaben, wechselndes Personal und mangelnde Beschäftigung machen den Krankenhausaufenthalt für Menschen mit kognitiven Einschränkungen zu einer Herausforderung, deshalb soll auf sie in besonderer Weise eingegangen werden, um den Aufenthalt für sie aber auch die Mitarbeitenden einfacher zu gestalten.
Quelle & Bild: Klinikum Darmstadt GmbH