Eiweiße übernehmen Filterfunktion – Hochselektive und superschnelle Filter werden denkbar

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AtheneKönnten Pflanzen schneller wachsen, würde dem Hunger auf der Welt leichter beizukommen sein, davon sind auch viele Politiker überzeugt. Dem Wunsch nach schnellerem Wachstum jedenfalls sind Biologen der TU Darmstadt nun einen Schritt näher gekommen. Sie haben nachgewiesen, dass der Gehalt an Kohlendioxid in pflanzlichen Zellen und damit ihr Wachstum mithilfe bestimmter Proteine künstlich erhöht werden kann. Ihre Forschungen könnten aber auch neue Ansätze in Umweltschutz und Medizin bringen.

„Wir wollten zeigen, dass natürliche, biologisch hergestellte Eiweiße in künstliche Membranen, sozusagen hauchdünne Plastikfolien, eingesetzt werden können und dabei funktionstüchtig bleiben“, erläutert Prof. Ralf Kaldenhoff von der Fakultät Biologie der TU Darmstadt. Das ist ihm und seinen Mitarbeitern Dr. Norbert Uehlein, Dr. Marlies Heckwolf und Beate Otto nun gelungen. Doch darüber hinaus konnten sie einen weiteren entscheidenden Nachweis erbringen.

Strukturveränderung macht Kohlendioxid den Weg frei
Die Darmstädter haben sogenannte Aquaporine untersucht, das sind Eiweiße in Membranen lebender Zellen, die dafür bekannt sind, quasi einen Tunnel für Wassermoleküle zu bilden. Dass sie darüber hinaus auch Kohlendioxid-Moleküle durch die Membran hindurchlassen könnten, hatten die Wissenschaftler zwar vermutet, waren jedoch auf wenig Zustimmung unter den Kollegen gestoßen, denn „biophysikalisch ist das zunächst nicht erklärbar. Ihre Struktur ermöglicht es Kohlendioxid-Molekülen, frei durch Membranen zu diffundieren – Proteine, die eine Diffusion erleichtern, sind also nicht notwendig“, berichtet Kaldenhoff. „Aquaporine fungieren nur als CO 2 -Kanal in der tetrameren Form, also wenn sich vier von ihnen zusammenlegen und in ihrer Mitte eine Art Pore bilden. Durch diese diffundiert vermutlich das CO 2 .“

Großes wirtschaftliches Potenzial
In Pflanzen sind mehr als 20 Aquaporine bekannt, beim Menschen immerhin 13. Sie sind noch lange nicht ausreichend erforscht bezüglich ihrer Tunnelfunktionen. Die Darmstädter haben sich Aquaporinen aus der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) gewidmet. Diese Pflanze wird in unseren Breiten gerne als „Unkraut“ eingestuft, ist jedoch für Pflanzenwissenschaftler ein Modellorganismus.

Die Arbeit der Darmstädter zeigt: Diese Aquaporine können die CO 2 -Diffusion im Gewebe erhöhen und damit die CO 2 -Versorgung von Chloroplasten verbessern. Diese wiederum sind Bestandteile pflanzlicher Zellen, die für die Photosynthese und damit auch für das Wachstum der Pflanze verantwortlich sind.

Neben Anwendungen im Agrarbereich ist ein technischer Einsatz der Proteine in Filtern denkbar. „Das wirtschaftliche Potenzial ist groß“, formuliert es Kaldenhoff. Generell lassen sich aus undurchlässigen durchlässige Membranen herstellen – und zwar wohldefiniert für einzelne Moleküle. Das wiederum bedeutet, dass man sehr selektive Filter bauen kann, mit deren Hilfe Moleküle in einer heute nicht denkbaren Geschwindigkeit aus Flüssigkeiten oder Gasen beziehungsweise der Luft herausgefiltert werden können. „Die Wasserleitfähigkeit etwa könnte um den Faktor 1000 höher sein als alles, was Menschen derzeit an Wasserleitfähigkeit herstellen können“, begeistert sich Kaldenhoff. „Viele denkbare Filtermedien könnten Wirklichkeit werden, von denen wir heute nur träumen.“ Zum Beispiel ließe sich Kohlendioxid aus der Luft viel effizienter herausfiltern – der Klimakiller kein Thema mehr?

Erste praktische Ansätze
Auch den Glauben, die CO 2 -Leitfähigkeit menschlicher Zellen sei unveränderbar, haben Kaldenhoff und seine Mitarbeiter damit erschüttert. „Doch, sie ist beeinflussbar, und das bringt uns schnell zu medizinischen Anwendungen. So könnte man sich vorstellen, Atemnot durch ein Aquaporine beeinflussendes Medikament zu behandeln.“ Erste Versuche mit Mäusen zeigen, dass Aquaporine gegen Kurzatmigkeit wirken. Die Biologen der TU Darmstadt spezialisieren sich allerdings auf den Agrarsektor. Sie werden in Kürze gemeinsam mit einem Industrieunternehmen versuchen, Pflanzen tatsächlich schneller wachsen zu lassen.

Quelle: TU Darmstadt


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