Das Ökosystem Wald verändert sich: Welche Auswirkungen hat dies für die Artenvielfalt? – Neues Projekt der TU Darmstadt erforscht dynamische Wechselwirkung von Flora und Fauna im Darmstädter Wald

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Darmstadts Wälder leiden, für jedermann sichtbar, unter den Folgen des Klimawandels, der die zum Teil ungünstigen Standortbedingungen noch verstärkt. Darmstadts Wälder regenerieren sich aber auch. Von der Dynamik und dem Zusammenwirken beider Entwicklungen profitieren unter anderem viele Kleinlebewesen. Wie dies geschieht und mit welchen Konsequenzen auch für die Forstwirtschaft, dies untersuchen jetzt Forscher und Forscherinnen der TU Darmstadt. Ihre Erkenntnisse werden sie der Wissenschaftsstadt Darmstadt zur Verfügung stellen, wie Umweltdezernent Michael Kolmer bei einem Pressetermin am Dienstag, 14. März 2023, erläuterte.

„Das Forschungsprojekt hat einen hohen wissenschaftlichen Anspruch und wird einen ebenso hohen effektiven Nutzen haben“, betonte Kolmer. „Es lenkt den wichtigen Blick auf die Schäden, die Darmstadts Wälder erleiden, weiter hin zu den Kräften, die dem ökologischen System Wald innewohnen. Und daraus gewinnen wir wertvolle Hinweise, wie wir mit unseren Wäldern umgehen müssen, wie wir sie erhalten und – nicht zuletzt als zentralen Faktor in der Klimaresilienz – wie wir sie stärken.“


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Der Stadtwald Darmstadt hat eine Ausdehnung von rund zweitausend Hektar. Er umschließt das Stadtgebiet im Westen und Osten. Das Grünflächenamt der Stadt kümmert sich mit Forstwirten, Revierförstern und der Verwaltung um den Erhalt und die Entwicklung des Waldes. Trockenheit und hohe Temperaturen haben den heimischen Wäldern in den vergangenen Jahren zugesetzt.

Durch die Lage im trockenwarmen Klima Südhessens sind die Schäden im Darmstädter Stadtwald besonders ausgeprägt. Hier spielen auch Schwächungen des Ökosystems Wald durch Luftschadstoffe, vielfache Zerschneidungen und naturferne Waldstrukturen eine Rolle. Viele Bäume erleiden Wasserstress, trocknen aus und zeigen Verbrennungserscheinungen an Borke und Blättern. Die Schäden sind besonders sichtbar im sandigen Darmstädter Westwald, aber auch im etwas weniger trockenen Wald östlich von Darmstadt sind einige Bereiche betroffen.

Die vergangenen Jahre haben aber auch gezeigt, wie schnell sich ein Wald regenerieren kann. Die stehenden und liegenden toten Bäume haben eine enorme ökologische Bedeutung für viele Organismen im Wald. Durch die natürliche Zersetzung des Totholzes wird neuer, nährstoffreicher Boden gebildet. Vom Totholz profitieren derzeit nicht nur verschiedene Arten von Pilzen und Vögeln wie zum Beispiel Schwarz-, Bunt- und Mittelspechte, sondern auch gefährdete Käferarten und andere wirbellose Tiere. Der Wald wächst nach, das Ökosystem verändert sich und klimaangepasste Bäume setzen sich im Unterholz durch.

Die Arbeitsgruppen „Ökologische Netzwerke“ von Professor Nico Blüthgen und „Evolutionäre Tierökologie“ von Professor Michael Heethoff an der TU Darmstadt möchten diese Entwicklung des Wald-Ökosystems in den kommenden Jahren wissenschaftlich begleiten. Ziel der Untersuchungen ist es, die Zusammenhänge zwischen der Dynamik des Waldes und der Vielfalt und Häufigkeit von Insekten, Spinnentieren und anderen Holz-, Laub- und Bodenbewohnern zu verstehen. Wie entwickelt sich das Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten, die an ein kühles, feuchtes Waldklima angepasst sind? Werden die waldtypischen Arten durch andere, wärmeliebende Arten ersetzt? Welche der Arten sind besonders für den Naturschutz relevant? Wie stark profitiert die Artenvielfalt von der Menge und Zusammensetzung des Totholzes?

Hierzu werden auf zahlreichen Probeflächen in allen Teilen des Darmstädter Stadtwalds mit verschiedenen Methoden Tier- und Pflanzenarten erfasst und Umweltfaktoren charakterisiert. Dadurch können auch die Effekte des „Darmstädter Modells“ untersucht werden. Dieses Konzept eines ganzheitlichen Waldökosystem-Managements wurde am „Runden Tisch Wald“ erarbeitet und setzt auf natürliche Prozesse und die Entwicklung naturnaher Wälder – und deren Erforschung.

Im Forschungsteam kommen unterschiedliche Expertisen und Erfahrungen zusammen, die einen umfassenden Blick auf das Ökosystem erlauben: Dr. Katja Wehner ist Expertin für Bodenorganismen und koordiniert die Untersuchungen des Forschungsteams im Stadtwald Darmstadt. Nico Blüthgen, Michael Heethoff und Dr. Nadja Simons forschen zu verschiedenen Aspekten der Ökologie und Funktion von Insekten und Spinnentieren sowie den Einfluss menschlicher Nutzung auf natürliche Ökosysteme. Dr. Christian Storm ist Vegetationsökologe am Fachbereich Biologie und forscht zu Pflanzengesellschaften im Wald und anderen Lebensräumen.

Der Stadtwald Darmstadt wird damit auch Teil eines landesweiten Projekts des Lore-Steubing-Instituts (LSI) für Biodiversitätsforschung in Hessen, das sich unter anderem der Untersuchung der Bodenfauna in hessischen Naturwaldreservaten verschrieben hat. Die TU Darmstadt ist Gründungsmitglied des LSI und finanziert diese Studien gemeinsam mit dem hessischen Umweltministerium. Zusätzlich beteiligt sich das Projekt „Walddiskurs“ an den Untersuchungen im Stadtwald, das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert und von Nadja Simons koordiniert wird.

Ziel dieses Projektes zusammen mit den Sprach- und Politikwissenschaften der TU Darmstadt ist es, einen interdisziplinären Beitrag zum Verständnis nachhaltiger Nutzung des Waldes durch nachhaltige Kommunikation zu leisten. Studierende am Fachbereich Biologie werden zukünftig an den Studien im Darmstädter Stadtwald beteiligt. Auch die Öffentlichkeit wird über die Ergebnisse informiert.

Die Ergebnisse der Studien werden der Stadt Darmstadt zur Verfügung gestellt. Für die Umwandlung des Forstes in ein Ökosystem Wald liegen zukünftig wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die die Maßnahmenplanung im Stadtwald unterstützen.

Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt


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