Nach neun Monaten Bauzeit wurden die Bauarbeiten des zweiten Maßnahmenbündels zur Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit am Ruthsenbach fertig gestellt. Bei einem Ortstermin am Freitag, 3. Dezember 2021, mit Medienvertreterinnen und Medienvertretern stellte Umwelt- und Klimaschutzdezernent Michael Kolmer das Ergebnis gemeinsam mit dem Wasserverband Schwarzbachgebiet-Ried und dem Mobilitätsamt vor. Die Gesamtkosten der Maßnahmen belaufen sich brutto auf 1,6 Millionen Euro. Die Maßnahmen zur Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit werden mit 85 Prozent aus dem Landesprogramm Gewässerentwicklung und Hochwasserschutz gefördert. Der verbleibende Eigenanteil wird zur Hälfte vom Wasserverband Schwarzbachgebiet-Ried übernommen, so dass die Stadt von den Gesamtkosten lediglich rund 120.000 Euro tragen muss. Die Gewässerbaumaßnahme wurde vom Wasserverband Schwarzbachgebiet-Ried ausgeschrieben und überwacht. Ausführende Firma war die Böwingloh & Helfbernd GmbH aus Verl.
„Ziel des umgesetzten Maßnahmenbündels ist das Erreichen eines guten ökologischen Zustandes und einer guten Wasserqualität nach den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, welche die Voraussetzung für die Wiederherstellung der Artenvielfalt, insbesondere auch für gefährdete Arten der Roten Liste, in den Seen und am Ruthsenbach ist“, erläuterte Stadtrat Michael Kolmer. „Durch die Maßnahmen werden die beiden hochwertigen Naturschutzgebiete Silzwiesen und Scheftheimer Wiesen großräumig miteinander vernetzt. Außerdem wird damit eine Optimierung der Gewässerbewirtschaftung in den Seen und im Ruthsenbach sowie eine Verbesserung der Wasserführung gerade in extremen Trockenzeiten durch das Umlegen der Hochwasserrückhaltebecken in den Nebenschluss erreicht. Das Ruthsenbachwasser verdunstet dann nicht mehr in den Hochwasserrückhaltebecken, sondern wird daran vorbeigeführt und bleibt im Bach“, so Kolmer weiter.
„Der Wasserverband Schwarzbachgebiet-Ried und die Wissenschaftsstadt Darmstadt planen seit 2014 verschiedene Gewässerumbaumaßnahmen, um die ökologische Durchgängigkeit des Ruthsenbachs vom Steinbrücker Teich bis zur Mündung in die Silz herzustellen“, so Kai Wenner, stellvertretender Betriebsleiter des Wasserverbandes, und lobt die gute Zusammenarbeit mit dem Mobilitätsamt. „Auf seinem Fließweg passiert der Ruthsenbach neben den Hochwasserrückhaltebecken in Kranichstein und Arheilgen diverse Quer- und Entnahmebauwerke, die ein unüberwindbares Hindernis für Wasserlebewesen darstellten bzw. noch darstellen. Aufgrund dieser Vielzahl der Bauwerke und der Gesamtlänge des Ruthsenbachs wurde die komplexe Gesamtmaßnahme in mehreren „Maßnahmenbündeln“ aufgeteilt, wird schrittweise umgesetzt und von der Universität Koblenz-Landau seit 2018 auch wissenschaftlich begleitet (Forschungskooperationsvertrag)“, so Wenner weiter. Bereits in den Jahren zuvor umgesetzte Maßnahmen waren die Entschlammung der Hochwasserrückhaltebecken Steinbrücker Teich (2010), Erich- Kästner-See (2015) und Brentanosee (2017). 2016 wurde das sogenannte erste Maßnahmenbündel im Bereich Erich-Kästner-See umgesetzt. Der Ruthsenbach wird seitdem an den Hochwasserrückhaltebecken Erich-Kästner-See und Brentanosee vorbeigeführt und die Becken im Nebenschluss betrieben. 2018 wurde die Durchgängigkeit auch an der Silz im Bereich Leibchesmühle umgesetzt.
Das jetzt fertig gestellte zweite Maßnahmenbündel umfasste mehrere Maßnahmen:
Umbau des Durchlasses in der Bartningstraße
Der unterdimensionierte Durchlass in der Bartningstraße war im Bestand durch das im Unterwasser anstehende adverse Gefälle der Gewässersohle vollständig eingestaut. Aufgrund seines geringen Durchmessers und der fehlenden naturnahen Sohle stellt er ein nahezu unpassierbares Wanderhindernis für aquatische Lebewesen dar. Aufgrund der in der Bartningstraße knapp über dem Durchlass zwischen Erich-Kästner-See und Brentanosee verlaufenden Straßenbahntrasse, musste die Auswechslung des Durchlasses in offener Bauweise durchgeführt werden. Die HEAG mobilo hat die Gleise ausgebaut und nach der Herstellung des Durchlasses wieder eingebaut. Die Bauzeit für den Umbau des Durchlasses war für die Zeit zwischen den Sommerferien und den darauf folgenden Herbstferien 2021 terminiert. Für die erforderliche Straßenbahnsperrung war ein Schienenersatzverkehr der HEAG mobilo eingerichtet, der durch eine eigene Baumaßnahme am „Gleisdreieck Alsfelder Straße“ von der HEAG mobilo zeitgleich geplant und vollständig finanziert wurde. Den durch die HEAG mobilo vorgegebenen engen Zeitplan für die Verlegung des neuen Durchlasses im Bereich der Straßenbahngleise konnte strikt eingehalten werden.
Herstellung eines neuen Verbindungsgerinnes / neues Abschlagsbauwerk / Erlebbarkeit
Der in Hochlage um den Brentanosee herum geführte Ruthsenbach wurde über ein neues Verbindungsgerinne von rund 165 Meter an die Auenlandschaft mit ökologisch hochwertigem Bachbett im Taltief angeschlossen. Der Höhenunterschied beträgt etwa 3 Meter und wird durch eine „raue Rampe“ (auch „Fischtreppe“ genannt) überwunden. Das künstliche, weiter Richtung Westen laufenden Gerinne mit geringem Renaturierungspotential wird lediglich mit einer geringen Wassermenge beschickt. Dieses wird über ein neues Abschlagsbauwerk geregelt.
Da in diesem Bereich am Ruthsenbach diverse Interessensgruppen vertreten sind (Pumptrack Kranichstein, Freie Comenius Schule, Permakulturwiesen e.V.) und die Flächen von diesen intensiv genutzt werden, wurden einige Maßnahmen zur Erlebbarkeit des Gewässers vorgesehen. Zur Verbesserung der Zugänglichkeit zum Gewässer wurde eine Böschung abgeflacht und große Granitblöcke als Trittsteine, die zum Spielen und Erkunden des Gewässers einladen, eingebracht. Außerdem wurde an der Pumptrack eine Treppenanlage mit großen Blocksteinen zum Verweilen und zur Gewässerbeobachtung hergestellt. Die Maßnahmen wurden sowohl in der Planungsphase als auch während der Ausführung mit allen Beteiligten eng abgestimmt.
Zwischen dem Durchlass in der Bartningstraße und dem Erich-Kästner-See wurde eine neue Verwallung aufgebaut, sowie in dem ganzen Gewässerabschnitt die Gewässersohle neu profiliert, um eine Wassermenge des Ruthsenbaches von einem Kubikmeter in der Sekunde ableiten zu können.
„Frei- und Grünräume sowie Gewässer in unserer Stadt haben im Kontext des Siedlungswachstums, der zunehmenden Verdichtung und Umweltbelastung sowie des Klimawandels eine immer größere Bedeutung. Die Stadtnatur hat neben der Erholungsfunktion und Erlebbarkeit für die Bevölkerung eine hohe Bedeutung für die biologische Vielfalt sowie den Arten- und Biotopschutz. Deshalb sieht der Masterplan 2030+ unter anderem vor, Gewässer zugänglich und erlebbar zu machen um dadurch Stadt- und Freiräume aufzuwerten. Diese Maßnahme, mit deren Planung weit vor Beschluss des Masterplanes begonnen wurde, zeigt, dass die Stadt an dieser Thematik nicht erst seit der Erstellung des Masterplanes arbeitet“, so Stadtrat Kolmer.
Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt