Oberbürgermeister und Wirtschaftsdezernent Jochen Partsch und Dr. Moritz Koch, Vorsitzender des Vereins Darmstadt Citymarketing, haben sich aufgrund des von den Covid-19-Beschränkungen stark getroffenen stationären Einzelhandels in Darmstadt in einem gemeinsamen Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel, an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, an den Hessischen Ministerpräsidenten, Volker Bouffier sowie an den Hessischen Wirtschaftsminister, Tarek Al-Wazir, gewandt, um auf die aktuell schwierige Situation hinzuweisen und um schnellstmögliche Auszahlung der Überbrückungshilfen und weitere Unterstützung gebeten.
„Anlass unseres Schreibens ist die große Sorge um unsere Städte“, schreiben Partsch und Koch in ihrer Funktion als Oberbürgermeister und Einzelhändler. „Schnelligkeit und Flexibilität sind das Gebot der Stunde. Tun Sie alles in Ihrer Kraft stehende, um die Leitfunktionen der Städte, den Handel, die Gastronomie, die vielen Dienstleister, die nah am Menschen arbeiten, die Kulturwirtschaft, die Schausteller und die Hotellerie zu retten. Sie retten damit unsere gemeinsame Idee von Stadt und geben den Verantwortlichen in den Kommunen, die Chance, funktional vielfältige, baulich attraktive und klimawandelangepasste Post-Corona-Innenstädte zu gestalten, die nicht nur resilienter gegenüber Krisen sind, sondern noch lebenswerter sein werden. Dies ist nicht nur der geringere volkswirtschaftliche Schaden gegenüber einem späteren Nachsteuern, es ist auch der Erhalt eines Kulturguts.“
Partsch und Koch weisen weiter darauf hin, dass man, auch im Zuge des Strukturwandels, vom Verschwinden von 20 bis 30 Prozent der stationären Einzelhandelsbetriebe und entsprechenden Leerständen in den Innenstädten ausgehen müsse: „Das ist bereits ganz bitter. Aber damit werden wir auf kommunaler Ebene umgehen müssen – immer in dem Wissen und dem Optimismus, dass die Städte stärker sind als eine Pandemie und dass die (Innen-)Städte es in der Geschichte häufiger geschafft haben, sich neu zu erfinden. Das alles setzt jedoch voraus, dass es noch etwas zu retten gibt. Wenn aber die Grundgesamtheit der verbleibenden Geschäftsbetreiber zu gering wird, nützt auch ein Mehr an funktionaler Vielfalt nichts. Es gibt in dieser Hinsicht definitiv einen negativen Kipppunkt für die Stadt- und Stadtteilzentren. Wenn wir für Zweidrittel und nicht mehr ‚nur‘ ein Drittel der Ladenlokale in den deutschen Städten neue Nutzungen finden müssen, wird der Strudel nach unten zu stark. Verödung und Verfall sind dann nicht mehr oder nur noch mit unverhältnismäßig viel höherer staatlicher Intervention zu vermeiden. Dieser Point of no Return muss unbedingt vermieden werden.“
Auch weisen beide auf die Probleme bei der Auszahlung der Überbrückungshilfen hin: „In unserer täglichen Praxis ist es der Standard- und keineswegs der Ausnahmefall, dass Unternehmen mit verbrieftem Hilfsanspruch noch keine oder relativ zum Jahresverlust 2020 vollkommen marginale Finanzhilfen erhalten haben. Die Eigenkapitalreserven sind in der Regel aufgebraucht. Es verschwinden inzwischen Akteure vom Markt, nicht weil deren Anträge abgelehnt wurden, sondern weil diese noch auf Bearbeitung warten. Unser Eindruck ist, dass nach klassischer Verwaltungslogik die Angst vor dem Missbrauch von Förderung den Willen zu schneller Hilfe für die Wirtschaft dominiert. Aufwändige Prüfprozesse sind die Folge. Doch solches Handeln können wir uns derzeit nicht erlauben. Mit Verlaub, es ist Gefahr im Verzug. Einen einstelligen Anteil von Fördermittelbetrug kann man immer noch gewissenhaft verfolgen, wenn ein hoher Prozentsatz von Unternehmen gerettet ist und diese in der Lage sind, sich für die Marktsituation nach Corona neu aufzustellen. Wir setzen unsere ganze Hoffnung darauf, dass dies in der nun anstehenden Phase der Überbrückungshilfe III anders wird. Wir bitten Sie eindringlich, sich mit ganzer Kraft dafür einzusetzen, dass Hilfszahlungen endlich ausreichend schnell und mit so geringem bürokratischen Aufwand wie irgend möglich ausgezahlt werden. Die Hilfen müssen näher an die unternehmerische Praxis von etwa soloselbstständigen Kulturschaffenden oder auch Friseuren heran. Sonst ist es zu spät.“
Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt