Magistrat beschließt Sanierung des Platanenhains – Wurzelgräben und Belüftungsrohre

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Der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt hat in seiner jüngsten Sitzung die grundlegende Sanierung des Platanenhains beschlossen. „Der Platanenhain in seiner einzigartigen Symbiose aus Natur und Kunst ist zentraler Bestandteil der Mathildenhöhe. Mit den jetzt beschlossenen Maßnahmen sichern wir seinen kulturhistorischen Wert, was nicht zuletzt unter dem Aspekt der Unesco-Welterbe-Bewerbung eine dringliche Aufgabe ist“, erklärte Oberbürgermeister Jochen Partsch in einem Pressegespräch am Freitag, 24. Mai 2019. „Der Platanenhain ist kein grünes Museum“, betonte Stadträtin Barbara Akdeniz, „sondern ein Lebensort, beliebter Spiel- und Erholungsraum für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt. Auch dies gilt es langfristig zu erhalten.“

Bei der Erstellung des Parkpflegewerks Mathildenhöhe, das im Zuge der Welterbebewerbung in Auftrag gegeben worden war, ist auf die problematische Situation der massiven Bodenverdichtung im Platanenhain und deren negative Auswirkungen auf die Vitalität der Bäume hingewiesen worden. Empfohlen wurde die umfassende Sanierung des Baumbestandes durch Entnahme der Platanen im mittleren Bereich, Austausch des Bodensubstrates und Neupflanzung von Platanen. Zur Absicherung des Erstbefundes veranlasste der Magistrat daher ein baumfachliches und bodenkundliches Gutachten sowie eine artenschutzrechtliche Bewertung zum Baumbestand.
Diesem Gutachten zufolge befinden sich 78 der insgesamt 178 Bäume in einem guten bis sehr guten Zustand und besitzen einen hohen Erhaltungswert. Bei weiteren sechzig Platanen ist der Zustand zufriedenstellend. Diese Bäume sind mittel- bis langfristig – das heißt voraussichtlich mindestens noch zehn Jahre – lebens- und erhaltungsfähig. Aufgrund ihrer Schädigung muss bei diesen Bäumen allerdings mit einem höheren Pflegeaufwand gerechnet werden.

Insgesamt 40 Platanen, davon viele jüngere Bäume, zeigen umfangreichere Schäden und sind voraussichtlich nur noch kurz- bis mittelfristig (maximal fünf bis zehn Jahre) lebens- und erhaltungsfähig. Diese Bäume werden im Verlauf dieses Zeitraums ersetzt werden müssen.

Weiteres Ergebnis des baum- und bodenfachliche Gutachtens: Der Standort des Platanenhains ist in jeglicher Hinsicht ein Extremstandort. In großen Teilen besteht der Platzuntergrund aus Bessunger Kies, einem sandig-kiesigen Substrat, das besonders in der oberen, 30 Zentimeter tiefen Schicht extrem verdichtet ist. Dadurch dringen kaum Luft und Wasser in den Boden; nur sehr wenig Wasser kann aufgrund der groben Bodenart gespeichert werden.

Die geringe Vitalität der Platanen ist eine Folge mehrerer Faktoren wie des Mangels an durchwurzelbarem Raum, der massiven Bodendurchlüftungsstörungen, des Trockenstresses und des Nährstoffmangels. Im Rahmen des Gutachtens wurden 5 Sanierungsmöglichkeiten geprüft: die Sanierung durch Belüftungslöcher im vorhandenen Bestand (Option 1); die Sanierung durch Belüftungs- oder Wurzelgräben als offene Variante (Option 2); die Sanierung durch Belüftungs- oder Wurzelgräben als geschlossene Variante (Option 3) im vorhandenen Bestand; die Sanierung durch flächigen Bodenaustausch einschließlich Austausch der vier mittleren Platanenreihen mit 78 Bäumen (Option 4); Bodenlockerungsmaßnahmen mit Druckluftlanzen (Option 5).

Der Magistrat hat sich der Empfehlung des Gutachters angeschlossen und die Sanierung des Platanenhains mit geschlossenen Belüftungs- oder Wurzelgräben (Option 3) beschlossen. Die etwa einen Meter tiefen und 40 bis 60 Zentimeter breiten Gräben sollen mit einem groben wasserspeichernden Substrat angefüllt und mit einer wassergebundenen Decke mit Trag- und Deckschicht abgeschlossen werden, so dass ein einheitliches Erscheinungsbild der Oberfläche bestehen bleibt. Die Gräben werden zur Schonung des Wurzelraumes der Bäume in Abschnitten über insgesamt vier Jahre hinweg angelegt, wobei jeweils auch schwer geschädigte Bäume entnommen und ersetzt werden. Zur dauerhaften Belüftung der Gräben werden Rohre gelegt, um eine stete Luftdurchlässigkeit zu gewährleisten. Zudem wird ein Bewässerungssystem mit mobilen Standregnern installiert. Feuchtefühler, die auf dem Platz verteilt werden, sollen zur Beurteilung des Bewässerungsbedarfs und zur Steuerung der Bewässerungsgänge beitragen.

Die Befahrbarkeit des Platzes bleibt eingeschränkt, um weitere oder erneute Verdichtung des Bodens zu vermeiden. Auch die vorsichtige Befahrung wird auf unbedingt notwendige Einsätze zur gärtnerischen oder baulichen Unterhaltung beschränkt. Größere Veranstaltungen werden auf dem Platz zu seinem Schutz nicht mehr stattfinden.

Im Juni soll die Stadtverordnetenversammlung über die Sanierung entscheiden. Danach wird vom Grünflächenamt auf Grundlage des Gutachtens die detaillierte Sanierungsplanung erstellt. Der Gutachter hat in einer groben Kostenschätzung für das die Belüftungs- und Wurzelgräben einen Betrag zwischen 325 000 Euro und 583 000 Euro angegeben. Hinzu kämen ergänzende Maßnahmen wie Blattanalyse, Düngung, Anzuchtvertrag für Nachpflanzungen. Im Haushalt sind für die Maßnahme derzeit insgesamt 1,2 Millionen Euro etatisiert. Für den 24. Juni 2019 ist eine Bürgerinformationsveranstaltung geplant, um den Darmstädterinnen und Darmstädtern die Ergebnisse der Gutachten und die geplanten Sanierungsmaßnahmen vorzustellen.

Hintergrund
Der Platanenhain wurde um 1830 innerhalb eines Landschaftsgartens angelegt und ist als prägendes Stilelement bis heute erhalten geblieben, während der ursprüngliche Landschaftspark in weiten Teilen überbaut und überformt wurde. Nach 1899 wurde der Platanenhain zu einem der Kernpunkte im Wirken der von Großherzog Ernst Ludwig berufenen Darmstädter Künstlerkolonie. 1904 gestaltete Joseph Maria Olbrich den östlichen Abschluss mit einer großen Brunnennische und Reliefs von Ludwig Habich und Daniel Greiner. In ein einzigartiges Gesamtkunstwerk verwandelte der Bildhauer Bernhard Hoetger (1874-1979) den Platanenhain zur letzten Jugendstilausstellung 1914. Mit über vierzig Einzelwerken, die, streng axial verteilt untereinander subtile Bezüge bilden, sich dabei aber auch an den Baumreihen ausrichten, schuf Hoetger ein komplexes Bildprogramm, das dem Kreislauf des Lebens – Werden, Sein, Vergehen – gewidmet ist. Nicht zuletzt wegen der zentralen Bedeutung dieser Werkfolge, die in der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts einen herausragenden Rang einnimmt, hat sich der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt entschlossen, die Benennung einer Straße nach Hoetger beizubehalten, obwohl er nach 1933 Mitglied der NSDAP war.

Heute besteht der Platanenhain zu vierzig Prozent aus Bäumen, die vor 1944 gepflanzt wurden; sechzig Prozent der Bäume kamen nach 1974 hinzu, so dass sich schon durch das unterschiedliche Alter ein heterogenes Erscheinungsbild des Platanenhains ergibt. Dieser optische Eindruck hat sich seit den 50er Jahren stetig verschlechtert. Inzwischen weisen die mittleren Platanenreihen Vitalitätsverluste auf. Einige Platanen mussten bereits ersetzt werden, wobei auch die Neupflanzungen vielfach eine nur unterdurchschnittliche Konstitution aufweisen.

Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt


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