Der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt hat in seiner Sitzung vom Mittwoch (08.05.19) die Umbenennung der zuvor von einem beim Stadtarchiv angesiedelten wissenschaftlich Fachbeirat unter Vorsitz von Oberbürgermeister Jochen Partsch und unter der wissenschaftlichen Federführung des Historikers Dr. Holger Köhn (Büro für Erinnerungskultur, Babenhausen) überprüften Straßennamen in Darmstadt in acht Fällen beschlossen. Darunter befindet sich auch die Hindenburgstraße.
„Mit großer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit haben wir uns nach Auftrag der Stadtverordnetenversammlung und gemeinsam mit dem von mir eingesetzten Fachbeirat in den vergangenen Jahren der Überprüfung möglicherweise historisch belasteter Personen durch ihre Verstrickung in das nationalsozialistische Regime als Namensgeber für unsere Straßen gewidmet“, erläutert Oberbürgermeister Jochen Partsch. „Das nun vorliegende Ergebnis ist ein durch wissenschaftliche Überprüfung ausgearbeitetes Dokument, das erstmals eine historische Betrachtung der Straßennamen für unsere Stadt zusammenfasst und Empfehlungen ausspricht.“ Dabei habe der Fachbeirat eine fundierte und sorgfältige wissenschaftliche Aufarbeitung und Bewertung der Biografien der Namensgeberinnen und Namensgeber innerhalb des fraglichen Zeitrahmens vorgenommen, so Partsch. In den Fällen, in denen sich der Beirat einstimmig für eine Umbenennung ausgesprochen hat, soll der Empfehlung gefolgt werden. „Auch die Hindenburgstraße wird umbenannt. Zwar liegt hierzu kein einstimmiges Votum des Beirats vor, die historischen und politischen Argumente, die in der Einschätzung des Beirates benannt sind, sind nach Auffassung des Magistrats aber eine ausreichende und zwingende Grundlage für die Umbenennung der Straße“, begründet Partsch die Entscheidung des Magistrats. „Wie in der Wissenschaftsstadt gute Tradition, werden wir nun jedoch nicht einfach neue Namen für die betreffenden Straßen bestimmen, sondern dies über einen Beteiligungsprozess gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Straßenbenennungskommission erarbeiten und anschließend entscheiden. Ich danke dem Fachbeirat und dem von diesem beauftragten Historiker Dr. Holger Köhn für die geleistete Arbeit und bin gespannt, zu welchen konkreten Ergebnissen der Beteiligungsprozess führen wird.“
Der Beirat hatte in seinem Bericht empfohlen, von den 110 überprüften Personen in 93 Fällen den Straßennamen beizubehalten. In weiteren fünf Fällen war der Beirat nach kritischer Würdigung für die Beibehaltung des Straßennamens (Richard Hammer, Arnold Krieger, Albin Müller, Heinz Winfried Sabais und Carl Christoph Schmelzer). In sieben Fällen empfahl der Beirat einstimmig die Umbenennung der betreffenden Straße (Hans von der Au, Gustav Brandis, Walter Georgii, Peter Grund, Christian Heinrich Kleukens, Richard Kuhn und Alarich Weiss). In fünf Fällen war der Beirat im Hinblick auf die Umbenennung geteilter Meinung und plädierte mehrheitlich, aber nicht einstimmig für eine Umbenennung (Robert Cauer, Bernhard Hoetger, Karl Krolow, Max Ratschow und Paul von Hindenburg). Der Magistrat sprach sich im Fall Paul von Hindenburgs aufgrund der historischen und politischen Einschätzung des wissenschaftlichen Beirats zusätzlich für eine Umbenennung aus.
Die Stadtverordnetenversammlung hatte den Magistrat mit Beschluss vom 19. Februar 2013 beauftragt, alle Namensgeberinnen und Namensgeber von Darmstädter Straßennamen daraufhin zu überprüfen, ob deren Leben bzw. politische Einstellung sich mit den Werten einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft vereinbaren lässt. Der Magistrat stimmte diesem Beschluss am
2. September 2013 (Vorlage 2013/0247) zu. Daraufhin berief OB Jochen Partsch am 27. April 2015 einen Fachbeirat Straßennamen, der sich aus Historikerinnen und Historikern sowie Beschäftigten der städtischen Kulturverwaltung zusammensetzte, Dr. Annegret Holtmann-Mares vom Universitätsarchiv der TU Darmstadt, Dr. Johannes Kistenich-Zerfaß, vom Hessischen Staatsarchiv Darmstadt, Dr. Thomas Lange Archivpädagoge am Hessischen Staatsarchiv Darmstadt i. R., Prof. Dr. Dieter Schott vom Institut für Geschichte der TU Darmstadt, Dr. Peter Engels vom Stadtarchiv Darmstadt und Prof. Dr. Ludger Hünnekens, städtischer Kulturreferent. Der Fachbeirat hat seinerseits den Historiker Dr. Holger Köhn, der einschlägige Erfahrungen in diesen Forschungsfeldern besitzt, beauftragt, die Biographien der zu untersuchenden Personen zu erarbeiten und insbesondere die Bezüge zur NS-Zeit zu erforschen. Insgesamt traf sich der Beirat zwischen Mai 2015 und Januar 2018 zu 13 Arbeitssitzungen. Die Ergebnisse wurden Oberbürgermeister Partsch am 30. Juli 2018 vorgestellt und erläutert. Im Anschluss daran hat Oberbürgermeister Partsch mit fachkundigen Bürgerinnen und Bürgern Gespräche zum Umgang und zur Entscheidungsfindung geführt.
Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt