Herausragender Fund in der Grube Messel: Ein neuer Schuppenschwanz in der Sammlung des Hessischen Landesmuseums Darmstadt

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„Hessischer“ Schuppenschwanz (Pholidocercus hassiacus). Original Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Inventar-Nr. HLMD-Me 10003. Foto: Wolfgang Fuhrmannek, HLMDDas Hessische Landesmuseum Darmstadt (HLMD) hat eine der ältesten und weltweit bedeutendsten Messel Sammlungen, die mehrere herausragende Funde, wie z.B. den „Ameisenbären“ (Eurotamandua joresi), den „Urtapir“ (Hyrachyus minimus), sowie etliche Exemplare der weltberühmten „Urpferdchen“ (Propalaeotherium hassiacum, Eurohippus messelensis) umfasst. Seit weit mehr als einhundert Jahren werden hier Messel-Fossilien gesammelt, erforscht und ausgestellt. Das HLMD hat 1966 die ersten planmäßigen Messel-Grabungen durchgeführt. Die Bestände werden durch alljährliche Grabungskampagnen ergänzt. Dabei werden ab und an auch herausragende Neufunde entdeckt.

Das war am 4. Juli 2009 wieder einmal der Fall. Diesmal handelte es sich um einen „Hessischen“ Schuppenschwanz (Pholidocercus hassiacus). Die Art gehört zu den igelartigen Insektenfressern (Erinaceomorpha) im weitesten Sinn und ist eine absolute Rarität unter den Messel-Fossilien. Bei der Erstbeschreibung (von Koenigswald & Storch 1983) waren lediglich fünf Exemplare bekannt. 2001 konnte das HLMD ein weiteres, allerdings leicht zerfallenes Exemplar zusammen mit der Sammlung Behnke erwerben (Micklich 2001). Seitdem wurden keine weiteren Funde publiziert.

Hinsichtlich des Anpassungstyps ist der Schuppenschwanz weniger mit dem europäischen Igel (Erinaceus europaeus), sondern eher mit den Haar- oder Rattenigeln (Galericinae) vergleichbar. Diese kommen heutzutage unter anderem in den Wäldern und Sümpfen der Malaiischen Halbinsel sowie auf Sumatra und Borneo vor. Igelartige Insektenfresser sind in Messel mit zwei Gattungen und drei Arten vertreten. Wie kaum eine andere Gruppe machen sie die Bedeutung dieser Fossilienlagerstätte deutlich. Von anderen Lokalitäten nur in Form von Einzelknochen, Zähnen oder Kieferfragmenten belegt, dokumentieren die kompletten, quasi mit „Haut und Haar“ erhaltenen Messeler Funde, in einzigartiger Weise, welche Vielfalt der Überlebens- und Ernährungsstrategien die Säugetiere bereits vor ca. 47 Millionen Jahren, d.h. in einer noch relativ frühen Phase ihrer Entwicklungsgeschichte, erreicht hatten.

Der jetzt vorgestellte Neufund wurde bei einer der sechs Samstags-Grabungen, die das HLMD alljährlich mit Mitgliedern der Amateurpaläontologen-Vereinigung Palaeo-Geo e.V. in der Grube Messel durchführt, im Bereich des „Schildkrötenhügels“ (Planquadrat HI 7), ca. 120 bis 160 cm unterhalb des Leithorizontes g entdeckt (Fundbuch-Nr. 2009-3-31). Glücklicher Finder war dessen Vorsitzender, Klaus-Dieter Weiß.

Die Freude des Fundes wurde schon bald etwas getrübt, denn es entwickelte sich fast schon ein regelrechter Kriminalfall. Alle bei der Entdeckung und Bergung beteiligten Personen waren nämlich davon überzeugt, dass das Exemplar vor dem Verpacken und dem Transport absolut komplett und unversehrt auf einer Platte lag. Beim Auspacken in der Präparationswerkstatt stellte sich jedoch eine Fehlstelle im mittleren Bereich der Wirbelsäule heraus. Hatte man es also mit Sabotage zu tun oder war der Fund während der Lagerung vielleicht unbemerkt beschädigt worden?

Beides war eigentlich auszuschließen. Eine Klärung war schwierig, zumal auch fast alle Fotos, die bei der Entdeckung und Bergung gemacht wurden, zwischenzeitlich auf verschiedene Art und Weise unbrauchbar geworden oder verloren gegangen waren. Und bei dem einzig noch verbliebenen Bild wurde gerade der Fundbereich von einem starken Schatten überdeckt. Moderne Bildbearbeitung führte dann aber dennoch zu einer Lösung. Die Beschädigung war offenbar schon vor dem Aufspalten der Platte beim Lösen der darüber liegenden Ölschiefer Schichten mit einem Keil erfolgt. Die Fehlstelle beim Fossil war dann von einem feinen Ölschiefer-Grus bedeckt, was im Jubel der Grabungsteilnehmer nicht bemerkt worden war.

Diese fast abenteuerliche Geschichte ist dem Fund heute nicht mehr anzusehen. Er wurde von Mario Drobek und Eric Milsom fachmännisch präpariert, die Fehlstelle wurde ergänzt und von Marisa Blume auch farblich so retuschiert, so dass das Exemplar jetzt fast perfekt als weiteres Glanzstück in die neue Dauerausstellung des HLMD integriert werden kann.

Bild: Wolfgang Fuhrmannek, HLMD
Quelle: Hessisches Landesmuseum Darmstadt


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