Eine Welt voller Sensoren – Forscher der TU Darmstadt arbeiten an der Smart City

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AtheneSmartphones machen es ihren Besitzern dank zahlreicher Sensoren heute schon einfacher, bestimmte Lebensbereiche zu organisieren. Doch das ist erst der Anfang – Darmstädter Forschern schwebt eine ganze Smart City vor, in der alle sensorbestückten Geräte in einer Stadt intelligent miteinander verknüpft sind.

An der Verwirklichung dieser Vision arbeiten Informatiker, Elektro- und Informationstechniker sowie Mathematiker der TU Darmstadt und der Universität Kassel gemeinsam im Projekt „Cocoon“. Grundlage einer Smart City ist ein (Kommunikations-) Netz aus Sensoren, die Daten oder Signale aufnehmen, auswerten und weitersenden. Die Sensoren sind also zugleich Sender und Empfänger, sogenannte Transceiver. Diese Form vernetzter Kommunikation funktioniert drahtlos über Funk und schafft durch die Auswertung der anfallenden Daten einen Mehrwert für alle Teilnehmer: In dem bereits käuflichen Steuerungssystem Smart Home zum Beispiel sind alle technischen Geräte vernetzt und werden automatisch dem jeweiligen Bedarf entsprechend hoch- oder herunterreguliert. Das Energiesparpotenzial soll bei bis zu 15 Prozent liegen.

Dem Smart Home könnte bald auch das Smart Hospital, die Smart Industry oder die Smart Farm folgen. Und selbst auf mobile Netze zugeschnittene smarte Systeme sind denkbar: Verkehrsstaus ließen sich etwa durch die Kommunikation von Auto zu Auto (Car-to-Car) oder von Auto zur Umgebung (Car-to-X) vermeiden. Auch das Gesundheitssystem könnte von mobiler Sensorkommunikation profitieren, wenn Patienten auch unterwegs mit Informationen versorgt werden, die auf ihre gesundheitlichen Bedürfnisse angepasst sind; Sensoren am Körper könnten zudem den Gesundheitszustand erfassen und gegebenenfalls einen automatischen Notruf absetzen.

Smart und mobil dank Beamforming

Die größte Hürde für eine Smart City sehen die Forscher in der ständigen Bewegung der Sensoren. In mobilen smarten Systemen verändern Sensoren permanent ihre Positionen, neue kommen hinzu, andere melden sich ab. Dem müssen die sensorgestützten Geräte Rechnung tragen, indem sie sensitiv auf die Umgebung reagieren und flexible und doch effiziente Empfangs- und Sendequalität gewährleisten. Hier soll Beamforming weiterhelfen, die Strahlensteuerung, mit der sich das Institut für Nachrichtentechnik der TU Darmstadt beschäftigt. „Gängige Antennen strahlen in alle Richtungen, wie eine Glühbirne“, erklärt Prof. Rolf Jakoby vom Fachbereich Elektro- und Informationstechnik. „Wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Antennen künftig wie Leuchtstrahler funktionieren. Das kann man sich wie in einer Disco vorstellen: Hat ein Leuchtstrahler die Person ausfindig gemacht, die er gesucht hat, strahlt er sie an, kann ihr durch den Raum folgen und gleichzeitig die anderen Personen ausblenden. Auf die Kommunikation übertragen könnten solche Antennen das gewünschte Gerät anvisieren, ihm folgen und gleichzeitig die durch elektromagnetische Wellen ausgelösten Störgeräusche der anderen Geräte im Raum ausblenden.“

Solche Antennen beziehungsweise die damit ausgestatteten Transceiver sind also rekonfigurierbar, das heißt sie lassen sich variabel auf die jeweiligen Umgebungsbedingungen einstellen – per Schaltung oder ferngesteuert.In Kooperation mit einem Industriepartner hat Jakoby bereits DVBT-Sendeanlagen mit rekonfigurierbaren Sendeverstärkern ausgestattet, die eine Verstärkung des Sendesignals um bis zu zehn Prozent erlauben. „Würden alle DVBT-Anlagen in Deutschland mit solchen Verstärkern ausgestattet, könnten wir ein Kernkraftwerk abschalten.“

Frequenzen sind eine knappe Ressource

Rekonfigurierbare Geräte bringen aber noch einen anderen Vorteil mit sich: Sie nutzen auch die eng begrenzte Ressource der Frequenzen wesentlich effizienter. Bislang sind starre Frequenzbereiche vergeben, bei denen die Teilnehmerdichte selbst in stark belegten Frequenzbändern bei nur 15 bis 20 Prozent liegt. Dank Beamforming könnte die Nutzung der Frequenzen wesentlich effizienter werden. „Hier müssen wir noch grundlegend forschen, aber wir sind auf dem Weg, das System besser zu verstehen“, so Jakoby. Anwendungen gibt es erst wenige, für die großtechnische Nutzung sind die bestehenden Systeme noch zu teue.

Kleine Modellnetze im Visier

Auch ein anderes grundlegendes Problem muss noch gelöst werden, bis die Smart City Wirklichkeit werden kann: Die Sensorkommunikation erfordert die Kooperation aller Geräte über alle Kommunikationsformen wie Bluetooth und über sämtliche Netzwerke wie das europäische Mobilfunknetz Global System for Mobile Communication (GSM) oder auch das lokale Funknetz Wireless Local Area Network (WLAN) hinweg. Das ist mit den derzeitigen Netzwerken, Geräten und Kommunikationsformen nicht machbar. „Es wird nicht möglich sein, alle Geräte auf eine Kommunikationsform, ein sogenanntes Protokoll, umzustellen, deshalb suchen wir nach einer neuen Form, die quasi alles überlagert und die Kommunikation unterschiedlicher Protokolle miteinander erlaubt“, erklärt Jakoby. Und nicht zuletzt muss der Datentransfer auch einer immensen Flut an Informationen standhalten – „Allein für eine Smart City Darmstadt würden mit Satelliten, Handys, Computern und allen anderen schon jetzt vorhandenen Geräten sicher eine Million Sensoren miteinander kommunizieren“, sagt der Koordinator des „Cocoon“-Projekts, Prof. Abdelhak Zoubir vom Fachbereich Elektro- und Informationstechnik der TU Darmstadt. Und da schon ein einziger mobiler Sensor im Jahr leicht mehrere hundert Megabyte an Informationen generieren kann, werden bei Millionen Sensoren neue Modelle notwendig, die Daten dichter packen, um fehlerfreie Kommunikation gewährleisten zu können. Bis zur realen Smart City sind also noch einige Hürden zu überwinden – trotzdem sind die Wissenschaftler von „Cocoon“ optimistisch, binnen drei Jahren eine Smart City in ersten kleinen Modellnetzen mit unterschiedlichen Geräten simulieren zu können.

Forschungsförderung durch das Land Hessen

Für ihre Forschungen im Rahmen des Schwerpunkts „Cocoon – Kooperative Sensorkommunikation“ erhalten Wissenschaftler der TU Darmstadt in den kommenden drei Jahren 4,5 Millionen Euro durch die Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) des Landes Hessen.

Weitere Informationen: www.cocoon.tu-darmstadt.de

Quelle: TU Darmstadt


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