Optimierte Energieversorgung: Projekt Grid4Regio möchte bestehende Netzinfrastruktur besser nutzen

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Energie ist so teuer wie nie. Im Zuge der Energiewende und der aktuellen politischen Lage soll der Ausbau erneuerbarer Energien einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, aber auch wirtschaftlich unabhängiger von fossilen Energieträgern machen. Gerade bei Wind- und Sonnenenergie verhindern aktuell aber noch Netzengpässe, die gewonnene Energie optimal zu nutzen. Im EU-geförderten Forschungsprojekt „Grid4Regio“ arbeitet die Hochschule Darmstadt (h_da) gemeinsam mit der e-netz Südhessen AG und der TU Darmstadt daran, auf regionaler Ebene das Potenzial bereits bestehender Netzinfrastruktur besser auszuschöpfen, die Übertragungsnetze zu entlasten und dadurch dem teils umstrittenen Netzausbau entgegenzuwirken.

Der Binselberg bei Groß-Umstadt am Rande des Odenwalds. Vier große Windräder erzeugen hier Energie, die auf direktem Weg in das regionale Stromnetz wandert. So weit, so gut. Doch was passiert an Tagen, an denen die Windkraftanlagen mehr Energie erzeugen, als das Netz vor Ort aufnehmen kann? Aktuell muss aufgrund fehlender Speichermöglichkeiten entweder der Verlust kostbarer Energie in Kauf genommen werden oder die überschüssige Energie wird in das vorgelagerte Hochspannungsnetz „hochgeschoben“. Prof. Dr. Ingo Jeromin vom Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der h_da nennt das die „Energieautobahn“.

Demnach ist das Mittelspannungsnetz der Region die Bundesstraße und die Hochspannungsebene die Autobahn. Wenn bei erhöhtem Verkehrsaufkommen auf der Bundesstraße alle kurzzeitig den vermeintlich schnelleren Weg über die Autobahn und dann wieder die Abfahrt Richtung Zielort nehmen, entsteht an der Anschlussstelle ein Stau. Dauert die Überlastung an, wird in vielen Fällen das Autobahnnetz ausgebaut –genauso verhält es sich auch mit dem Stromnetz. Beides bedeutet am Ende: Mehrkosten für die Steuerzahlenden.

Dass das nicht sein muss, davon ist Prof. Dr. Ingo Jeromin überzeugt. Gemeinsam mit seinen Projektpartnern will er zeigen, dass durch den Einsatz neuer Techniken und Systeme der regenerative Strom nicht nur vor Ort erzeugt, sondern auch direkt verbraucht werden kann. „Warum neue Stromautobahnen bauen, wenn man die bereits vorhandene, befahrbare Bundesstraße nutzen kann? Mit unserem Projekt wollen wir dazu beitragen, eine Lösung zu finden, um den Ausbau erneuerbarer Energien und die damit verbundenen Kosten so gering wie möglich zu halten, indem wir die vorhandene Energie so effizient wie möglich verwenden.“

Konkret bedeutet das: Die im Mittelspannungsnetz in der Region Groß-Umstadt „überschüssige“ regenerative Energie aus Wind und Sonne soll an weitere Kommunen in der Region wie Babenhausen oder Groß-Bieberau weiterverteilt werden, anstatt sie in die vorgelagerten Hoch- und Höchstspannungsnetze einzuspeisen und diese damit zu belasten. Die Idee des Forschendenteams: Benachbarte Netze sollen durch bereits vorhandene Infrastruktur dezentral gekoppelt werden, um diese bestmöglich auszunutzen. Die Modellregion, in der dieser Ansatz untersucht wird, liegt im Netzgebiet der e-netz Südhessen AG, die das Projekt initiierte.

 

Der h_da-Forschungsgruppe für Nachhaltige Energiesysteme (daFNE) um die Professoren Ingo Jeromin, Athanasios Krontiris und Klaus Martin Graf kommt in dem Projekt eine wichtige Rolle zu. Durch einen an der h_da konzipierten Netzleitstellensimulator sollen konkrete Nutzungsszenarien durchgespielt und anschließend in ein Trainings- und Schulungskonzept für Fachkräfte aus Energie- und Netzwirtschaft, z.B. Mitarbeitende der Verteilnetzbetreiber, übertragen werden. Diese Szenarien basieren auf den Forschungsergebnissen des Fachgebiets „Elektrische Energieversorgung unter Einsatz erneuerbarer Energien“ der TU Darmstadt unter Leitung von Professorin Jutta Hanson.

„Um die Verhältnisse in der Region richtig abbilden zu können, müssen wir vor allem erst einmal die Netze und die verschiedenen Nutzungsszenarien richtig verstehen“, beschreibt Prof. Dr. Ingo Jeromin die Herausforderung. „Durch neue Einflussfaktoren wie Elektromobilität oder den vermehrten Einsatz von Wärmepumpen ändert sich an der Netznutzung durch die Endverbraucher gerade viel. Mit diesen unbekannten Größen ist es aktuell noch schwer zu kalkulieren.“

Hierbei hilft die in den Rechnern der Forschenden verfügbare Simulation des Netzsystems der Modellregion und der dazugehörigen Querverbundleitstelle der e-netz Südhessen AG. „Wir möchten auf Basis der von der TU gelieferten Daten zu unserer Modellregion eine Art Blaupause für deutsche Mittelspannungsnetze und mögliche Belastungssituationen entwickeln, um daraus realistische Fahrpläne für verschiedene Szenarien erstellen zu können“, erläutert Jeromin. „Schaltmeister in ganz Deutschland könnten so künftig in ihren regionalen Leitwarten in der Lage sein, zu beurteilen, welche Schalthandlungen notwendig sind, um Trasse XY nicht zu überlasten.“

Quelle: Hochschule Darmstadt


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