Das Forstamt Darmstadt plant am Waldkunstpfad die Fällung von Altbäumen, überwiegend Rotbuchen, als reguläre Holzernte und zur Verkehrssicherheit

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BaumfällungPressemitteilung des Naturschutzbeirates

Der Naturschutzbeirat fordert die Erhaltung der Altbäume, soweit nicht eine Fällung aus Verkehrssicherungsgründen zwingend erforderlich ist. Zwingend ist eine Fällung nur dann, wenn andere Sicherungsmaßnahmen technisch nicht möglich sind.
Bäume im Alter von 160 – 200 Jahren sind in unseren forstwirtschaftlich genutzten Wäldern sehr selten geworden. Sie sind aber für die biologische Vielfalt unverzichtbar, denn sehr viele Arten sind angewiesen auf Habitate wie Höhlen oder bestimmte Borkenstrukturen, die sich erst im Alter entwickeln. Viele dieser Arten sind gefährdet und stehen inzwischen auf den Roten Listen, besonders zahlreiche Käfer-, Pilz- und Flechtenarten. Der Vorsitzende des Naturschutzbeirats, der Biologe Dr. Christian Storm betont: „Man kann solche alten Buchen als wahre Schatzkammern der Artenvielfalt bezeichnen. Die Erhaltung der wenigen dieser Exemplare, die es in unseren Wäldern noch gibt, ist ein Prüfstein dafür, wie ernst wir es mit dem Naturschutz nehmen“. Dies gilt umso mehr, als größere Schutzgebiete wie Nationalparks überwiegend in den Berglagen eingerichtet wurden. Für die spezialisierten Arten des Tieflands müssen wir aber auch Verantwortung übernehmen.
Wie die Forschung der letzten Jahre gezeigt hat, sind alte Bäume auch wegen ihrer vielfältigen Funktionen im Ökosystem Wald unersetzlich. So weiß man heute, dass Bäume über Pilznetzwerke im Boden miteinander verbunden sind.
Nicht vergessen werden sollte auch, dass unsere Wälder gegen die Klimakrise helfen können. „Gerade alte, große Bäume binden viel Kohlenstoff, wenn wir sie wachsen lassen. Diese Bindung erfolgt langzeitig, wenn wir auch das Totholz im Wald belassen“ sagt Christian Storm. Solche Strategien sind ein Beispiel für Naturebased climate solutions (Naturbasierte Klimalösungen), die in der Wissenschaft gefordert, aber in der Praxis noch viel zu wenig angewendet werden.

Besonders besorgt ist der Naturschutzbeirat darüber, dass die durch Dürresommer ohnehin schon geschädigten Wälder am Waldkunstpfad durch die „Ernte“ von einer so großen Anzahl von Bäumen weiteren Schaden erleiden könnten. Brigitte Martin, Naturschutzbeiratsmitglied und Geschäftsführerin des BUND Darmstadt, weist darauf hin, dass alte Bäume große Kronen haben: „Wenn man diese entfernt, reißt man Lücken ins Kronendach, die das Waldmikroklima zerstören: Sonnenstrahlen, austrocknende Winde und auch Stürme können dann benachbarte Bäume schädigen und sogar den ganzen Bestand destabilisieren.“ Nachhaltig ist an so einer Art der Bewirtschaftung nur der dadurch ausgelöste Schaden.

Die Wälder in der direkten Umgebung der Stadt haben überdies eine herausragende Bedeutung als Erholungsraum für die Menschen. Hier kommt alten, großen Baumgestalten eine wahrlich hervorragende Rolle zu. „Forstwirtschaft in solchen stadtnahen Wäldern sollte vordringlich die Schönheit und Vielfalt des Erholungsraums schützen und nicht die Holzproduktion in den Vordergrund stellen“ meint Hildegard Dombrowe vom Naturschutzbeirat. Verkehrssicherungsmaßnahmen müssen künftig auf das notwendige Maß beschränkt werden. Vor dem radikalen Fällen von Bäumen sollte man zu anderen Mitteln greifen, wie Informationen, Entfernung einzelner Äste oder Besucherlenkung – so praktiziert es bereits die Stadt Darmstadt in ihrem Stadtwald.

Durch die Annahme des Berichts des ‚Runden Tischs Wald‘ durch die Stadtverordnetenversammlung hat die Wissenschaftsstadt Darmstadt auch bei der Waldbewirtschaftung einen neuen Weg eingeschlagen. Ziel ist ein ganzheitliches „Waldökosystem-Management“. Der Schlüssel liegt in der angestrebten umfassenden Naturnähe. Wichtig sind hier besonders die Förderung der naturnahen Baumartenzusammensetzung, die Erhöhung des Holzvorrates und des Anteils alter Bäume, das Belassen von Totholz im Wald und der konsequente Schutz der Böden und des Waldinnenklimas.
Das Forstamt Lübeck, das am Runden Tisch Wald seine Methoden vorgestellt hat, verfährt nach der Maxime: „Wir ernten das Holz so, dass es der Wald gar nicht merkt“. Der nun geplante Holzeinschlag am Waldkunstpfad wird dagegen sicher bemerkt werden: von den Waldbesuchenden und vom Ökosystem.

Der Waldkunstpfad ist aber nur ein Einzelfall, an dem sich problematische Praktiken der konventionellen Forstwirtschaft wie unter einem Brennglas zeigen. Ein Beispiel ist der seit Jahren praktizierte Einsatz schwerer Forstmaschinen mit der Folge nachhaltiger Schädigung des Waldbodens. Wir brauchen dringend auch im hessischen Staatswald ein Waldökosystem-Management auf der Basis ökologischer Erkenntnisse und unter Beteiligung der Zivilgesellschaft, wenn wir die Herausforderungen der globalen Krisen meistern wollen. „Global denken, lokal handeln“ sollte auch im Wald rund um Darmstadt gelten, stellt der Naturschutzbeirat fest.

Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt


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