Literarischer März 2019 in Darmstadt: Leonce-und-Lena-Preis geht an Yevgeniy Breyger

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Der Kulturdezernent der Wissenschaftsstadt Darmstadt, Oberbürgermeister Jochen Partsch, hat am Samstag (30.03.19) im Kulturwerk Centralstation den Leonce-und-Lena-Preis 2019 an Yevgeniy Breyger (geboren 1989) vergeben. Die Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise gehen an Charlotte Warsen (aufgewachsen im Ruhrgebiet) und Alexandru Bulucz (geboren 1987 im rumänischen Alba Iulia). Mit dem Leonce-und-Lena-Preis ist ein Preisgeld von 8.000 Euro verbunden, die Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise sind mit jeweils 4.000 Euro dotiert. Die Entscheidung über die Preisvergabe trafen die Jurymitglieder Michael Braun, Ulrike Draesner, Peter Geist, Jan Koneffke und Marion Poschmann. Dem Lektorat, das eine Vorauswahl unter den insgesamt 357 Bewerbungen traf, gehörten Christian Döring, Kurt Drawert und Hanne F. Juritz an.

Die Jury schreibt in ihrer Begründung zur Preisvergabe des Leonce-und-Lena-Preises an Yevgeniy Breyger: „Eine auf den Grund eines Sees sickernde Bildertruhe, eine abgetrennte Hand – ein Königreich. Die Stimme eines Ungeborenen, die fragt: „Wo warst du bei deiner Geburt?“. Der Leonce-und-Lena-Preis 2019 der Stadt Darmstadt wird vergeben für einen kunstvoll komponierten Gedichtzyklus, dem es gelingt, mit den Mitteln der Poesie – Rhythmisierung, Gegenstandserfindung, Befragung des Versprachlichungsprozesses selbst – die Reichweite und den Schrecken intergenerationeller Traumatisierung darzustellen. Die insistierende Zartheit der Bewegung, Anspielungen auf die literarische Tradition sowie die Souveränität der Bildführung erzeugen einen sich im Lesen vertiefenden Raum von großer Intensität, in dem sich das Ich als eine in die Kreisbewegung der Zeit gestellte Figur erfährt. Der Leonce-und-Lena-Preis 2019 der Stadt Darmstadt geht an Yevgeniy Breyger, den Dichter der Königreiche und des Tages 8.“

Zu Charlotte Warsen schreibt die Jury: „Den Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis 2019 verleiht die Stadt Darmstadt Charlotte Warsen für Gedichte, die ob der ihnen eingeschriebenen poetischen Kreativität staunen machen: Scheinbar leichthin kombiniert sie Strukturelemente moderner Lyrik von diversen Surrealisten bis zu Momenten von Slam und Groteske. Die Innovationsfülle beindruckt in originellen Kompositabildungen ebenso wie in verblüffenden Sinnverklebungen oder den schroffen Wechseln der Stilebenen von Pathos bis Jargon. Es entstehen Such- und Wimmelbilder, Panoramen und Panoptiken, beim Lesen ablaufende Mini-Filme und Installationen. Charlotte Warsens fragil-skurrile Sprachgrafiken entzücken ob der Eleganz und Raffinesse im Groß- und Feinbau der Gedichte.“

„Der zweite Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis wird verliehen für Gedichte, in denen es Zufall und Hunger, Schrulle und Schmerz sind, die dem Lyrischen seine Form geben. Die Erfahrung von Verlust und Vergessen prägen sie ebenso, wie sie unter den Klängen des Stundenholzes noch einmal zum Flug in eine Heimat ansetzen, die zum Missverständnis geworden ist. Auf witzige und kluge, hinlängliche und hinklängliche Weise übersetzen sie die krude Wirklichkeit in poetische Erkenntnis – der Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis 2019 geht an Alexandru Bulucz.“

Bereits zum 21. Mal hat die Wissenschaftsstadt Darmstadt den Literarischen März ausgerichtet. Seit 1979 werden in diesem Rahmen der Leonce-und-Lena-Preis und seit 1997 der Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis alle zwei Jahre von der Wissenschaftsstadt Darmstadt vergeben.
Zwölf junge Autorinnen und Autoren hatte das Lektorat des Literarischen März 2019 unter 357 Bewerbungen ausgewählt: Am 29. und 30. März 2019 traten sie in öffentlichen Lesungen in der Darmstädter Centralstation auf und stellten sich der Kritik. Bewerben konnten sich Nachwuchslyrikerinnen und -lyriker, die nicht vor 1983 geboren sind.

Autobiografien:

Yevgeniy Breyger
geboren 1989, studierte Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und an der Universität Hildesheim sowie Curatorial Studies an der Hochschule für Bildende Künste, Städelschule, Frankfurt am Main. Breygers Debütband „flüchtige monde“ erschien 2016 im kookbooks-Verlag, Berlin und wurde unter die besten Debüts des Jahres im Haus für Poesie und unter die Gedichtbände des Jahres im Literaturhaus Berlin ausgewählt. Breyger lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Er ist Mitglied des Dichter*innenkollektivs Salon Fluchtentier.

Veröffentlichungen
„flüchtige monde“, kookbooks, 2016, ISBN 978-3-937445-78-6…

Charlotte Warsen
wuchs im Ruhrgebiet auf, studierte in Düsseldorf Malerei, promoviert in der Philosophie und lebt zurzeit in Berlin.

Buchveröffentlichungen
vom speerwurf zu pferde (Luxbooks 2014); der Sammelband Kulturtechnik Malen, hg. mit Meret Kupczyk und Ludger Schwarte, erscheint 2019 bei Fink; Texte in Anthologien: u. a. Aus Mangel an Beweisen (Wunderhorn 2018), Spitzen (Suhrkamp 2018), Sibyllen&Propheten (kookbooks 2018); Zeitschriftenbeiträge u. a. in edit, STILL, der Greif, zweikommasieben, randnummer.

Alexandru Bulucz
Geboren 1987 im rumänischen Alba Iulia, seit 2000 in Deutschland lebend; ab 2008 Magisterstudium der Germanistik und Komparatistik in Frankfurt am Main u. a. bei Werner Hamacher, ab 2016 Doktorarbeit am Graduiertenkolleg Schreibszene über Wolfgang Hilbig, die ab dem 1. Januar 2019 ruhen wird; Übersetzer aus dem Französischen und dem Rumänischen, Autor beim Onlineportal www.signaturen-magazin.de, Mitherausgeber der Literaturzeitschrift Otium, ehemaliger Mitherausgeber der Zeitschrift für Literaturkritik Die Wiederholung, Redakteur des Onlinemagazins www.faustkultur.de, seit Frühjahr 2015 Herausgeber der philosophischen Gesprächsreihe Einsichten im Dialog; verstreute Gedichte in Literaturzeitschriften und Anthologien; Lyrikrezensionen für Print und Rundfunk. Sein Lyrik-Debüt Aus sein auf uns erschien 2016. 2018 kuratierte und übersetzte er den lyrischen Rumänienschwerpunkt in den Lichtungen. Gedichte von ihm wurden ins Englische, Rumänische, Spanische und Türkische übersetzt.‘

Auswahlbibliographie

Als Autor
Alexandru Bulucz: Aus sein auf uns. Gedichte, München 2016.

Als Herausgeber und Autor
Dieter Henrich: Sterbliche Gedanken. Der Philosoph Dieter Henrich im Gespräch mit Alexandru Bulucz, mit einem Nachwort von Alexandru Bulucz, Frankfurt am Main 2015 (= Einsichten im Dialog I).

Alexandru Bulucz, Paul-Henri Campbell, Leonard Keidel (Hg.): „Es ist so dunkel, daß die Menschen leuchten“. Zum Werk von Werner Söllner, Heidelberg 2017 (= Die Wiederholung. Zeitschrift für Literaturkritik (Juli 2017), Heft 4).

Als Herausgeber und Übersetzer
Alexandru Vona: Vitralii. Frühe Gedichte und Prosa, mit einem Nachwort v. Peter Henning, hrsg. u. aus d. Rumän. übs. v. Alexandru Bulucz, Frankfurt am Main 2014.

Verstreute Gedichte in: [Zeitschriften] Gegenstrophe, L. Der Literaturbote, Lichtungen, Orte, Ostragehege, Otium, Poesis internațional, Sprache im technischen Zeitalter und [Anthologien] all dies hier, Majestät, ist deins: Lyrik im Anthropozän (2016), Zwanzig Wege. Deutsch-arabische Poesie (2016), Lyrik-Taschenkalender (2016, 2017), Jahrbuch der Lyrik (2017), Wohnblockblues mit Hirtenflöte. Rumänien neu erzählen (2018), Aus Mangel an Beweisen (2018).

Verstreute Besprechungen, Essays, Gespräche und Übersetzungen für: Die Wiederholung, DLF, Faust-Kultur, Mütze, Neues Deutschland, Park, Poet, Signaturen, Sinn und Form, Stadtsprachen, Tagesspiegel, Tortuga.

Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt


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