Ideen für Darmstädter „Unorte“: Architektur-Studierende stellen ihre Entwürfe aus

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Darmstadt ist nicht überall schön. Für Architektur-Studierende der Hochschule Darmstadt (h_da) ist zum Beispiel die Luisenstraße, eingepfercht von Luisencenter und weiteren Mehrstöckern, ein „Unort“. Auch im Bereich Stadtkirche oder Herrngarten haben sie Verschönerungspotenzial entdeckt. Was sich aus solchen Unorten machen ließe, zeigen die Studierenden im Rahmen einer Ausstellung, die noch bis zum 3. November 2018 im Schauraum direkt an der Ecke Hochhaus/Mensa (Schöfferstraße 3, 64295 Darmstadt) zu sehen ist. Geöffnet ist die Ausstellung mittwochs bis freitags von 11.30-15.30 Uhr und samstags von 13-17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Allen „Unorten“ ist gemein, dass sie diese Schmach eigentlich gar nicht verdient haben, sind es doch zentral gelegene Orte, die anders genutzt und aufgewertet attraktive Bereiche sein könnten. 27 Studierende aus dem Masterstudiengang Innenarchitektur waren ausgeschwärmt, um solche Örtlichkeiten zu entdecken. „Ziel war es, dass die Studierenden die Stadt mit Interesse erkunden und dabei eine Sensibilität für sie entwickeln“, erläutert Professor Hartmut Raiser das Projekt „Unorte“.

„Grüne Luise“
Sarah Hinz, Jennifer Schröder und Solveigh von der Ohe trauen der Luisenstraße mehr zu. „Grüne Luise“ nennen sie ihr Projekt. Als „extrem unattraktiv“ empfinden die Studentinnen die Straße momentan. „Dabei hat diese kleine Straße im Zentrum der Fußgängerzone Potenzial, und das wollen wir ausschöpfen“, sagt Solveigh von der Ohe. „Wir hauchen ihr wieder Leben ein und schaffen gemeinsam mit den Bürgern der Stadt einen lebendigen und wandelbaren Ort zum Verweilen, Austauschen und Erleben.“

Hierzu möchten die Studentinnen die Luisenstraße begrünen, beleuchten und kulturell sowie geschäftlich beleben. Über die gesamte Straße verteilt stellen sie sich temporäre und mit Pflanzen versehene Boxen vor, die aus Paletten gebaut und somit günstig herzustellen sind und vielfältig genutzt werden. „Hier könnten sich Gastronomen, Jungunternehmer und weitere Start-ups präsentieren, alle vier Wochen neu“, beschreibt Sarah Hinz die Idee. „Dieses Angebot soll bewusst nicht in Konkurrenz zum Luisencenter stehen, vielmehr ein alternatives Angebot sein und noch mehr Menschen in die Innenstadt bringen.“ Auch für Konzerte, Lesungen oder Poetry Slams könnten die sechs Quadratmeter großen Boxen genutzt werden. Abends sorgen von Hauswand zu Hauswand über die gesamte Luisenstraße gespannte Girlanden oder Lampions für eine besondere Atmosphäre.

Besonders wichtig sind den Studentinnen der grüne Ansatz und die Partizipation der Darmstädter Bevölkerung: Grüne Inseln mit Sitzgelegenheiten sollen die Luisenstraße beleben und zum Verweilen einladen. An die teils dröge Fassade des Luisencenters würden temporäre Pflanzenvorhänge angebracht. Hochbeete könnten in der Luisenstraße zur Miete angeboten werden und die Innenstädter zum Stadtgärtnern motivieren. Auch Pflanzenpatenschaften sind im Konzept der Studentinnen denkbar. „Wir möchten gerne einen Keim säen, der die Luisenstraße langfristig und unter Beteiligung der Darmstädterinnen und Darmstädter belebt“, erläutert Jennifer Schröder.

Temporärer Anbau für das Luisencenter
Eine Parallelstraße weiter hat Franziska Horn einen weiteren Unort ausgemacht: die Westfassade des Luisencenters. Genauer: die das Gebäude in Teilen umlaufende, terrassenartige Ebene auf Höhe des ersten Geschosses. Seit Jahren ist hier tote Fläche mit Schmuddel-Charakter. „Dabei ist die Ebene auch heute schon gut erreichbar: von der Elisabethenstraße und von der Wilhelminenstraße aus“, sagt Franziska Horn.

Sie denkt an mehrere schmale, temporäre Holzhäuschen, das sich in die vorhandene Brüstung einhängen und somit quasi an das Luisencenter anlehnen lassen. Auf Höhe des Center-Eingangs in der Wilhelminenstraße ließe sich ein Häuschen sogar über die dort vorhandene Treppe stülpen. Im Erdgeschoss könnte sich eine Buchhandlung oder ein Café ansiedeln, mit offener Fassade und damit einladend für Passanten. Die Treppe führt dann hoch zur derzeit verwaisten Plattform, die mit Sitzgelegenheiten belebt zum Ort des Austauschs wird.

Unterführung mit Bühne
Alina Fernandez Rädecke und Katrin Walter ist die Unterführung an der Stadtkirche unangenehm aufgefallen. Die düstere Passage scheint Passanten fast schon zu verschlucken und trotz eines Hinweisschildes „Schrittgeschwindigkeit“ nutzen Fahrradfahrende den abschüssigen Weg immer wieder mit hohem Tempo. „Uns ist dann auch aufgefallen, dass sich direkt an der Unterführung die Hausaufgabenbetreuung ´Aquarium´ des Ludwig-Georg-Gymnasiums befindet“, erinnert sich Katrin Walter. Da kam den Studentinnen die Idee, Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern aufzunehmen und in einem gemeinsamen Workshop herauszufinden, was besser werden müsste. Die Ergebnisse waren eindeutig: mehr Licht, farbenfroher, Spiel- und Sitzmöglichkeiten, kein Uringestank mehr, vielleicht sogar der Brunnen weg.

Die Studentinnen haben sich daraufhin eine bühnenartige Holzkonstruktion ausgedacht, die aus mehreren Ebenen besteht und sich von einem zum anderen Ende der Unterführung schlängelt. An den jeweiligen Enden bietet sie begrünte Sitzgelegenheiten und integriert auch Spielgelegenheiten wie ein Trampolin. Im Bereich der Unterführung ließe sich die künftig den Brunnen überspannende Holzplattform zum Beispiel für kulturelle Zwecke nutzen. Indirektes Licht an Boden und Wänden sowie Deckenbeleuchtung in bereits vorhandenen Deckenfugen würden dem Unort eine freundliche Atmosphäre verleihen. Ein Vorhang verdeckt tagsüber mehrere Theken und könnte bei Veranstaltungen um die gesamte Bühne herumgezogen werden. Die zahlreichen Säulen in der Unterführung würden mit Tafellack versehen, so dass diese sich beliebig beschriften und leicht wieder reinigen lassen. Für Fahrradfahrer ist nach wie vor ein Weg vorgesehen, aber schmaler, um Raserei zu verhindern.

Stadtoase am Herrngarten
Julia Haag und Milena Sarovic haben in der Schleiermacherstaße einen Unort entdeckt. Dieser befindet sich zwischen dem Neubau des Landesmuseums und den anschließenden Wohngebäuden und wird teilweise als Parkplatz genutzt. „Dabei könnte dies ein direkter Zugang vom Luisenplatz aus in den Herrngarten sein“, sagt Milena Sarovic. Die Studentinnen stellen sich eine leicht abfallende und begrünte Fläche mit Spiel-, Sitz- und Grillgelegenheiten vor. Clou dieser Stadtoase aber ist eine Wasserfläche in der Mitte der Mulde, über der eine Bühne befestigt ist, auf der Kulturveranstaltungen stattfinden könnten. Das Publikum nimmt im Entwurf der Studentinnen auf Sitzen im Stil eines Amphitheaters Platz, die sich in die Mulde schmiegen.

Noch viele weitere Unorte haben die Studierenden entdeckt. Etwa ein verrottendes Wasserbecken in der Rheinstraße, das von Anwohnern und Interessierten kreativ umgenutzt werden könnte. Besucherinnen und Besucher der Ausstellung können vor Ort Fragen zu den Exponaten stellen – die „Unorte“-Schau wird von Studierenden betreut.

Quelle: Hochschule Darmstadt


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