Altäre werden lebendig – Ein Novum in der Kunstvermittlung

Teilen

Das Hessische Landesmuseum DarmstadtAls Vorbereitung für die Ausstellung „Beschaffenheit des Himmels“ unterzogen die Wissenschaftler des Hessischen Landesmuseums Darmstadt drei herausragende Darmstädter Altaraufsätze einem spannenden Experiment. Das Ziel war es nachzuvollziehen, welche Wirkung die unterschiedlich verzierten Goldhintergründe und Malereien der Wormser Tafeln (um 1260), des Großen Friedberger Altars (um 1370-80) und des Ortenberger Altars (um 1420) mit warmem, beweglichem Kerzenlicht entfalten würden. Auslöser für das Experiment war die Tatsache, dass die damaligen Lichtquellen etwa für das nächtliche Stundengebet Öllampen und Bienenwachskerzen waren. Dieser Versuch wurde unter Einhaltung aller nötigen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt und war und ist ein Novum in der Vermittlung von spätmittelalterlicher Altarmalerei.

Die Wissenschaftler gelangten zu staunenswerten Ergebnissen!

Das mit Kerzenlicht betrachtete plastisch aufgeformte Goldrelief der Wormser Tafeln – deren Kopien von 2017 ebenfalls abgefilmt wurden – kam noch plastischer zur Geltung und die Bildfiguren des Petrus und des Stephanus schwebten im Goldglanz. Die fein punzierten Engel im Bild der Kreuzigung Christi des Großen Friedberger Altars und die fantastisch ornamentierten, ja kosmischen Heiligenschein-Kreise der Heiligen zeichneten sich im flackernden Kerzenlicht deutlicher ab, im modernen Scheinwerferlicht muss man diese Darstellungen auf der Bildoberfläche suchen.

Eine überwältigende Ausstrahlung besaß das Ortenberger Retabel. Hierbei interessierte die Wissenschaftler vor allem die Wirkung der zwischgoldenen Gewänder der Heiligen Sippe. Zunächst überraschte jedoch, dass die tremolierten Namensinschriften der Heiligenscheine augenblicklich und leicht lesbar waren. Sodann wandelten sich die Zwischgoldgewänder, die bei Tages- oder Kunstlicht silbern wirken, erstaunlicherweise in einen warmen, goldenen Ton. Die Schwarzschraffur-Zeichnung wurde durch das Kerzenlicht nicht etwa überstrahlt, sondern verstärkt und verlieh den Gewändern mehr Volumen und eine größere Plastizität. Die Gemeinschaft der auf der Paradieswiese thronenden Heiligen Sippe entfaltete eine räumliche Tiefenwirkung, so als könne man sich in die heilige Gemeinschaft einreihen.

Erstmals werden die Altaraufsätze unter den ursprünglichen Lichtbedingungen dem Publikum auf Videostelen präsentiert. Forscher wie Besucher bekommen einen Ahnung davon, welche Wirkung die jahrhundertealten Tafelmalereien in den Kirchen und Klöstern unserer Region entfaltetem. Mit dem warmen Kerzenlicht werden die Bildfiguren auf den Altären lebendig.

Aufgrund des großen Besucherzuspruchs wird die Ausstellung verlängert bis 26. August 2018.

Kerzenfilm auf Youtube
Dieser Film der Traumwelt GmbH, Stuttgart, ermöglicht Ihnen einen ersten Eindruck der Anmutung: https://www.youtube.com/watch?v=sGU0hiZ4zLQ

Quelle: Hessisches Landesmuseum Darmstadt


Teilen