Joseph Maria Olbrich – zum 150. Geburtstag eines Universalkünstlers

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Joseph Maria Olbrich, 1908, Quelle: Berliner Architekturwelt 1908, S. 20, Fotograf unbekanntJoseph Maria Olbrich, Architekt, Designer avant la lettre, Kunstmensch, wurde am 22. Dezember 1867 in Troppau im österreichischen Herzogtum Schlesien geboren. Seine Karriere startete 1893 mit dem Eintritt in das Büro des renommierten Wiener Architekten Otto Wagner. Das erste, aufsehenerregende, eigenständige Werk war das ab 1898 errichtete Wiener Secessionsgebäude mit seiner spektakulären Kuppel aus vergoldetem Blattwerk. Ein Jahr später berief ihn Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein nach Darmstadt an die neugegründete Künstlerkolonie, in der er von Anfang an eine führende Rolle übernahm. Hier in Darmstadt konnte Olbrich seine Ideen und Fähigkeiten als „Allrounder“ unter Beweis stellen. Die gesamte Umwelt wollte er gestalten, oder, wie er selbst formulierte: „Kein Gebiet menschlichen Denkens und Empfindens sollte unberücksichtigt bleiben, kein Quadratzentimeter Form und Farbe erhalten, die nicht vom künstlerischen Geist durchdrungen sind.“ Und so entwarf der Künstler Häuser und deren gesamte Einrichtung bis hin zum Kaffeelöffel und zum Küchenhandtuch, Textilien und Schmuck und sogar Autokarosserien und Registrierkassen. Kaum ein Bereich des menschlichen Lebens wurde außen vor gelassen. Über viele Jahre prägte Olbrich, zusammen mit seinen Kollegen, das Bild des „Darmstädter Jugendstils“. 1907 zog er mit seinem Büro nach Düsseldorf, blieb aber der Künstlerkolonie bis zu seinem Tod im Jahre 1908 treu.

In Darmstadt, dem Ort seiner produktivsten Schaffenszeit, wird Olbrichs Werk besonders gewürdigt. Auf der Mathildenhöhe, dem Mittelpunkt der Künstlerkolonie, sind noch einige seiner Bauwerke zu sehen, vor allem das Ernst-Ludwig-Haus und das Wahrzeichen der Stadt Darmstadt, der „Hochzeitsturm“.

Das Hessische Landesmuseum Darmstadt, eines der ersten Häuser, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg für die Wiederentdeckung des Jugendstils einsetzte, richtete bereits 1965 eine Dauerpräsentation ein. Hier durfte Olbrich nicht fehlen. So finden sich in den Beständen Gläser, Leuchter, Bestecke, Möbel, Geschirr und Haushaltstextilien, die die Vielseitigkeit des Entwerfers belegen. Aktuell in der Dauerausstellung zu sehen sind Einzelanfertigungen wie Beleuchtungskörper, die er anlässlich der Ausstellung „Ein Dokument deutscher Kunst“ 1901 für seine eigene Künstlervilla schuf, oder ein thronartiger Sessel, der aus gleichem Anlass für das Haus des Darmstädter Möbelfabrikanten Glückert gefertigt wurde. Er stand dort in der monumentalen, zweigeschossigen Halle vor dem Kamin. Der Sessel überstand die Kriegszeiten und wurde dem Museum als wichtiges Zeugnis Darmstädter Kunstgeschichte 2014 geschenkt.

Gemäß seiner Überzeugung, dass künstlerisch durchdrungenes Handwerk vielen Menschen und nicht nur einer Elite zugänglich sein sollte, arbeitete Olbrich aber auch folgerichtig mit Industrieunternehmen zusammen. Bestecke, von ihm gestaltet und in Weißmetall ausgeführt, waren preisgünstiger zu produzieren und standen daher einem größeren Kundenkreis offen. Gleiches gilt für Zinngeschirr, darunter auch für den berühmten anthropomorph gestalteten Leuchter, der quasi zu einem Symbol für Olbrichs Wirken wurde. Seine Geschirrtücher – beschriftet mit „Messer“, „Gläser“ oder „Teller“ – sind nicht nur in der Dauerausstellung zu bewundern, sondern als Museumsedition auch im Shop des Hessischen Landesmuseum Darmstadt zu erwerben. Ein schönes Geschenk an sich selbst, anlässlich des 150. Geburtstags eines großen Entwerfers.

Quelle:Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Bild: Joseph Maria Olbrich, 1908, Quelle: Berliner Architekturwelt 1908, S. 20, Fotograf unbekannt


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