Klausurtagung des Magistrats – Großprojekte stärken kommunale Infrastruktur

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Neues RathausWelche Projekte der kommunalen Infrastruktur werden in diesem Jahr angegangen, welche Investitionen genießen Priorität – und wie ist der finanzielle Rahmen dafür? Mit diesen Fragen hat sich der Magistrat der Wissenschaftsstadt jetzt bei einer zweitägigen Klausurtagung auseinandergesetzt. Als Ziel war vorgegeben, Aufgaben klar zu definieren, Kräfte zu bündeln, Ausgaben zu hinterfragen – dies vor dem Hintergrund, dass veränderte Wirtschaftsdaten die Einbringung eines Nachtragshaushalts für das Jahr 2017 nötig machen. „Darmstadt durchlebt als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort, aber auch innerhalb der Stadtgesellschaft einen außerordentlich dynamischen Prozess“, erklärt Oberbürgermeister Jochen Partsch. „Diese Dynamik erfordert es, dass auch die Stadtregierung in kürzerer Frist als sonst üblich Ziele auf den Prüfstand stellt – um ihrer Umsetzung mehr Schub zu geben oder auch, um sie im Zweifelsfall mit geringerer Dringlichkeit zu versehen. Unabhängig davon laufen wichtige Infrastrukturprojekte wie das Berufsschulzentrum sowie Zukunftsprojekte wie die Anerkennung der Mathildenhöhe als UNESCO-Weltkulturerbe und die Planung der Landesgartenschau 2022 weiter. Dies fordert den Mitarbeitern der Stadtverwaltung enorm viel ab, und es wird auch, gerade bei den großen Infrastrukturmaßnahmen, von den Bürgerinnen und Bürgern Geduld und Verständnis fordern. Denn Darmstadt macht hier einen für jeden spürbaren Schritt nach vorn.“

Haushalt

Die geplanten Infrastrukturmaßnahmen und das Ziel, die Zukunftsfähigkeit der Wissenschaftsstadt Darmstadt zu stärken, sind auch im Spiegel veränderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen zu sehen. Für das Haushaltsjahr 2017 zeichnet sich aktuell eine erhebliche Verschlechterung bei den Gewerbesteuererträgen ab. Die prognostizierten Einbußen betragen danach in der Summe 52 Millionen Euro. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich dabei um keinen einmaligen Effekt handelt, der nur das laufende Haushaltsjahr betrifft. Zudem müssen für das vergangene Jahr rund 33 Millionen Euro  an Gewerbesteuern zurückgezahlt werden.

„Nachdem sich in den letzten Jahren die Gewerbesteuer entsprechend dem bundesweiten Trend positiv entwickelt hat, müssen wir jetzt für uns alle sehr überraschend einen deutlichen Einbruch  hinnehmen. Das zwingt uns entsprechend den Regularien der Hessischen Gemeindeordnung, unverzüglich einen Nachtragshaushalt aufzustellen“, sagt Stadtkämmerer André Schellenberg.

Trotz der Rückzahlung für das Jahr 2016 wird auch dieses Haushaltsjahr, wie bereits das Jahr 2015, im Rechnungsergebnis ausgeglichen sein. Der Nachtragshaushalt 2017 soll so aufgestellt sein, dass im späteren Rechnungsergebnis für das Haushaltsjahr 2017 ebenfalls ein ausgeglichenes ordentliches Ergebnis erzielt wird. Damit hätte die Stadt drei ausgeglichene Haushalte in Folge nachgewiesen und kann aus dem Kommunalen Entschuldungsfonds austreten. Dies macht es nötig, die Hebesätze für die Realsteuern zum 1. Januar dieses Jahres anzuheben. Konkret soll der Hebesatz für die Gewerbesteuer von 425 auf 454 Punkte, der Hebesatz für die Grundsteuer B von 535 auf 650 Punkte und der für die Grundsteuer A von 320 auf 390 Punkte erhöht werden. Insgesamt ergeben sich dadurch Mehrerträge in Höhe von rund 19 Millionen Euro.

„Ohne das Anheben der Hebesätze ist es nicht möglich, ein ausgeglichenes Rechnungsergebnis im laufenden Jahr zu erzielen und den Schutzschirm zu verlassen. Im schlimmsten Fall könnte das Land bei Verstößen gegen die Schutzvereinbarungen die geleistete Entschuldungshilfe in Höhe von 186,4 Millionen Euro zurückfordern. Dies muss auf jeden Fall vermieden werden, da bei einer Rückzahlung der Entschuldungshilfe der Konsolidierungsbedarf im städtischen Haushalt deutlich größer wäre“, erläutert Stadtkämmerer André Schellenberg. „Ferner hat uns das Regierungspräsidium nochmals bestätigt, dass wir durch den Herbsterlass des Hessischen Innenministerium ohnehin gezwungen sind, die Grundsteuerhebesätze bei einem nicht ausgeglichenen Haushalt zu erhöhen, um eine Haushaltsgenehmigung zu erhalten.“

Bei der Anpassung des Hebesatzes für die Gewerbesteuer hat sich der Magistrat  am Nivellierungshebesatz orientiert, den das Land bei der Berechnung der städtischen Ertragskraft im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs anlegt. „Bislang wurden uns hier vom Land fiktiv Erträge zugerechnet, die wir in der Realität aber nicht erzielt haben. Mit der Erhöhung werden wir die Erträge nun auch im Haushalt darstellen können“, sagt  der Stadtkämmerer.

Auch nach der Steueranhebung und dem Anpassen der Gewerbesteuerumlage verbleibt ein Haushaltsdefizit von rund 19 Millionen Euro für das laufende Jahr. Dies macht eine erneute Auflage des städtischen Haushaltskonsolidierungsprogramms nötig, um weitere Einsparmöglichkeiten aufzuzeigen. „Für das laufende Jahr“, so Schellenberg, „sehe ich keine Möglichkeit, die bereits von mir gesetzten Haushaltssperren aufzuheben. Damit können wir rund weitere 8 Millionen Euro einsparen. Oberbürgermeister Jochen Partsch ergänzt: „Wir werden uns erneut sehr genau ansehen, welche Möglichkeiten wir haben, die städtischen Finanzen zu konsolidieren. Dabei wird es keine Denkverbote geben. Unser Ziel ist es, Maßnahmen zu treffen, die langfristige Erfolge haben. Dabei werden wir auch weiterhin auf eine sehr ausgewogene Verteilung bei den Belastungen und auch bei der Mittelverwendung achten. Eine Haushaltskonsolidierung mit der Rasenmähermethode wird es weiterhin nicht geben.“

Gewerbeansiedlung

Die akute Haushaltssituation, wie sie zuvor geschildert wurde, macht besonders deutlich, dass die Ausweisung neuer Gewerbeflächen, die Erweiterung und bessere Nutzung der vorhandenen sowie das Bemühen, Unternehmen für ein Engagement in Darmstadt zu gewinnen, aus Sicht des Magistrats vordringlich bedacht und behandelt werden müssen. Die entsprechenden Ziele gelten allerdings – im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit der Wissenschaftsstadt Darmstadt – unabhängig von der Kassenlage.

Derzeit werden die Kelley-Barracks und das benachbarte Nathan-Hale-Depot gewerblich entwickelt. Dort sowie auf der weiteren Konversionsfläche Griesheim Airfield werden rund 34 Hektar erschlossenes Nettobauland für gewerbliche Nutzflächen geschaffen. Darüber hinaus gibt es nach Schätzung des Amtes für Wirtschaft und Stadtentwicklung weitere Flächenpotenziale von rund achtzig Hektar für Gewerbenutzungen im Stadtgebiet. Unterm Strich verfügt Darmstadt im Augenblick also über eine Flächenreserve von rund 114 Hektar, die für Gewerbeansiedlungen nutzbar gemacht werden können.

Das nördlichste und mit rund neun Hektar kleinste Darmstädter Gewerbegebiet liegt in Wixhausen. Ansiedlungen in diesem Gewerbegebiet werden durch den rechtskräftigen Bebauungsplan Wx 9 geregelt. Im laufenden Jahr soll hier wie auch in Arheilgen geprüft werden, inwieweit sich dessen Flächen intensiver nutzen und erweitern ließen. Eine Erweiterung nach Osten in Richtung GSI wäre möglich; ein entsprechender Aufstellungsbeschluss Wx 13 existiert bereits. Das Gewerbegebiet Arheilgen erreicht gut das Doppelte an Grundstücksfläche im Vergleich mit. Wixhausen. Ansiedlungen in diesem Gewerbegebiet werden durch die rechtskräftigen Bebauungspläne A 19 (Gewerbegebiet Weiterstädter Weg) und zwei ergänzende Pläne geregelt. Auch hier sollen in diesem Jahr Möglichkeiten der Optimierung ausgelotet werden. Die Ausweisung neuer Gewerbegebiete im Norden der Stadt muss stets mit einem Bauleitplanverfahren durchgeführt werden, in dem auch die Fluglärmentwicklung zu berücksichtigen ist.

Wachstum und Wohnen

Darmstadt bleibt aller Voraussicht nach eine Stadt, deren Bevölkerungszahl wächst – in fast allen Altersstufen, stark auch im Segment junger Familien. Derzeit hat die Wissenschaftsstadt knapp 160 000 Einwohner. Die politisch gewollte und im Flächennutzungsplan der Stadt festgeschriebene Strategie des Vorrangs der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung erfordert bei einer wachsenden Stadt die Verdichtungen im bebauten Bereich. Das betrifft die vorhandenen Quartiere wie die Konversionsflächen. Gegebenenfalls muss auch über die Ausweisung neuer Baugebiete nachgedacht werden. Als nächstes geschlossenes Gebiet, das im Rahmen der Konversion ehemaliger Militärflächen künftig Wohnort werden soll, stehen die Cambrai-Fritsch-Kaserne und die Jefferson-Siedlung an. Auf den Arealen können bis zu 2000 neue Wohnungen realisiert werden. Darmstadt hat sich dabei auch Vorgaben für eine nachhaltige Stadtentwicklung gesetzt und will neue Siedlungskonzepte in Pilotprojekten erproben. Im Rahmen des angestrebten Dialogs zwischen Forschung und Praxis wurde unter anderem auch eine enge Kooperation mit dem Öko-Institut vereinbart. Das Stadtplanungsamt bereitet derzeit einen städtebaulichen Wettbewerb vor, auf dessen Grundlage auch die Werteermittlung erfolgt. Das Wettbewerbsmanagement wurde dem Büro Drees und Sommer übertragen. Der Magistrat ist darüber im ständigen Kontakt mit der Bima; der Wettbewerb soll so schnell wie möglich ausgelobt und der Kauf der Flächen von der Bima durch die städtische Entwicklungsgesellschaft DSE noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Zeitgleich wird das Planfeststellungsverfahren zur Verlängerung der Straßenbahnlinie 3 vorbereitet, die das neue Wohngebiet im ÖPNV erschließen soll.

Wettbewerb Marienplatz

In diesem Zusammenhang hat der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt auch seine Entscheidungen zur künftigen Nutzung des sogenannten Marienplatzes (Brachfläche westlich der Heidelberger Straße) getroffen: Diese letzte große innenstadtnahe Freifläche soll ebenfalls Wohnstandort werden – mit hohem ökologischen Standard und dem von der Stadtverordnetenversammlung jüngst festgelegten Anteil an geförderten Wohnungen (25 Prozent) und Wohnen für mittlere Einkommen (20 Prozent). Auch eine Kindertagesstätte  soll dort entstehen. Alle früheren Nutzungsüberlegungen sind damit hinfällig. Das Stadtplanungsamt bereitet hierzu einen kombinierten Architekten- und Investorenwettbewerb vor, der noch in diesem Jahr ausgelobt wird.  Als Rahmenbedingungen sollen soziale, ökologische und wohnungspolitische Ziele aufgenommen werden. Anschließend ist die Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens erforderlich, da ein alter Fluchtlinienplan derzeit eine effiziente Bebauung des zentral gelegenen Areals verhindert. In Kürze wird dem Magistrat und den parlamentarischen Gremien eine Magistratsvorlage vorgelegt, die das gesamte Verfahren beschreibt.

Verkehrsinfrastruktur

Die Erhaltung und Sanierung der Verkehrsinfrastruktur einerseits und ihr Ausbau andererseits werden vom Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt als wesentliche Investition in die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt angesehen. Deswegen ist die Bauverwaltung mit einer hohen Zahl umfangreicher Vorhaben betraut, die bereits gestartet wurden oder in diesem Jahr an den Start gehen und zumeist noch in das Folgejahr oder sogar darüber hinaus reichen. Hier sind zum Beispiel die Brückenbauten im Zuge der Main-Neckar-Bahn (Hilpertstraße, Stirnweg) mit einer Investitionssumme von 11,8 Millionen Euro zu nennen; der Abschluss dieser Arbeiten wird für Ende 2018, Anfang 2019 erwartet. Zu den laufenden Großprojekten zählt auch der Kanalneubau zwischen Nordbahnhof und Virchowstraße, in den knapp 4,1 Millionen Euro fließen; die Fertigstellung ist für den Herbst dieses Jahres geplant. Schon kräftig in der Umsetzung ist der Umbau des Bahnhofs Eberstadt, ein Gemeinschaftsprojekt mit der Deutschen Bahn AG; die Arbeiten dort werden rund 8,9 Millionen Euro kosten und etwa drei Jahre in Anspruch nehmen.

Am Dienstag, 2. Mai 2017, beginnt der Umbau des Friedensplatzes, ein städtisches Großprojekt, das gemeinsam mit der HEAG Holding und HEAG Mobilo umgesetzt wird, rund 5,7 Millionen Euro kosten und bis ins Jahr 2018 dauern wird. Ebenfalls im Mai beginnt die Sanierung des Verkehrsknotenpunkts Kirschenallee und Landwehrstraße. Es folgen im Frühjahr der Baubeginn für den neuen Geh- und Radweg in der Eugen-Kogon-Straße und im Sommer Kanalbau und Gleiserneuerung im der Heidelberger Straße, ebenfalls ein sehr aufwendiges Projekt, das am Ende – wie bereits angekündigt – in die Einführung neuer Radfahrstreifen zwischen Prinz-Emil-Garten und Landskronstraße münden wird. Im Herbst dieses Jahres wird die Neugestaltung der Dieburger Straße von der Schumannstraße bis zur Fasaneriemauer angegangen, die rund 800 000 Euro kostet. Derzeit schon wird die denkmalgeschützte Natursteinmauer auf der Südseite der Dieburger Straße wiedererrichtet.

Für 2018 sind unter anderem die Umgestaltung des Karolinenplatzes und die Verlegung und barrierefreie Ausstattung der Straßenbahnhaltestelle Bessunger Straße (zusammen mit HEAG Mobilo) geplant – sowie, im Spätsommer, als umfangreiches und langwieriges Projekt der Beginn der Sanierung der Nieder-Ramstädter Straße.

Stadtwache

Die Wissenschaftsstadt wird noch in diesem Jahr die bereits angekündigte Stadtwache einrichten. Sie erhält ihren Platz nahe dem Luisenplatz in der Wilhelminenstraße 5. Die Schlüsselübergabe für das frühere Ladenlokal ist im Sommer vorgesehen; anschließend werden die Räumlichkeiten saniert, umgebaut und für den neuen Zweck eingerichtet. Die Stadtwache wird als eine städtische Bürger-Service-Stelle fungieren, in der pro Schicht vier Mitarbeiter der Kommunalpolizei Dienst tun. Sie verstehen sich als Anlaufstelle in allen Fragen der Sicherheit und Ordnung, geben Auskunft und nehmen Anregungen entgegen. Außerdem gehen sie gemeinsam mit Kollegen der Hessischen Polizei auf Streife. Von Montag bis Samstag soll die Stadtwache jeweils zwischen 10 und 20 Uhr geöffnet sein, bei besonderen Ereignissen wie etwa dem Heinerfest auch in Spätstunden und am Wochenende.

„Die Konzentration auf Leitthemen der Stadtentwicklung und die Umsetzung vieler Projekte in diesem und im kommenden Jahr zeigt, dass sich die Wissenschaftsstadt Darmstadt auch gegenüber einem unerwartet eingetretenen Rückschlag bei den Gewerbesteuererträgen gewappnet sieht“, versichert Oberbürgermeister Partsch. „Wir sind handlungsfähig und entwickeln die Stadt weiter.“

Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt


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