Vorteil Flexibilität – Studie zu Konsequenzen ständiger Erreichbarkeit durch Smartphone und Co.

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Mobile Kommunikationstechnologien wie das Smartphone haben die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben verschwimmen lassen. Wie Arbeitnehmer diese Durchlässigkeit erleben, hat ein Forschungsteam um Prof. Dr. Ruth Stock-Homburg untersucht. Neben den bekannten Nachteilen ständiger Erreichbarkeit wie Unterbrechungen der aktuellen Tätigkeit oder Stress zeigt die Studie auch, dass die gewonnene Flexibilität als Gewinn empfunden wird.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Ruth Stock-Homburg untersucht das Fachgebiet Marketing und Personalmanagement am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt derzeit in einer Studie die Konsequenzen ständiger Erreichbarkeit durch mobile Kommunikationstechnologien. Erforscht wird dabei nicht nur berufliche Kommunikation im Privatleben, sondern erstmals auch, welche Auswirkungen private Kommunikation während der Arbeit hat. Bisher wurden mehr als 550 Personen interviewt oder über mehrere Wochen hinweg regelmäßig per Fragebogen befragt.

Erste Ergebnisse zeigen, dass die bisherige Definition von Work-Life Balance überholt ist. Neben dem Arbeits- und Privatleben fanden die Wissenschaftler eine dritte, wichtige Komponente: die „Me-Time“. Daher spricht das Team in dieser Studie von „Life Balance“ statt von „Work-Life Balance“. „Für eine gute Life Balance genügt es nicht, Rollen wie die der fürsorglichen Eltern oder des kompetenten Beschäftigten zu erfüllen. Menschen brauchen auch Zeiten, in denen sie etwas für sich tun, frei von Erwartungen anderer“, sagt Stock-Homburg. Verzichten Menschen zu lange auf „Me-Time“, verschlechtert sich die Life Balance.

Wie die Studie zeigt, gestaltet die Mehrheit der Befragten (74 Prozent) die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben durchlässig. Dies wird erst durch mobile Kommunikationstechnologien ermöglicht: „Noch vor wenigen Jahren war es undenkbar, dass man sich während eines Meetings mit den Handwerkern zuhause abstimmen kann. Diese Flexibilität bewerten die Befragten als äußerst positiv“, so Stock-Homburg. Neben den Nachteilen mobiler Kommunikation wie Unterbrechungen oder Stress, die bereits umfassend untersucht wurden, belegt die Studie auch Vorteile: Man kann Leerlaufzeiten effizient nutzen, unkompliziert zwischen beruflichen und privaten Themen wechseln und so Arbeit und Privatleben besser vereinbaren.

Mobile Kommunikation ist also nicht per se gut oder schlecht – die Studie zeigt vielmehr, dass es auf die Rahmenbedingungen der Nutzung ankommt. „Wenn der Nutzer frei darüber entscheiden kann, wann, wie lange und wie häufig kommuniziert wird, überwiegen die Vorteile“, sagt Dr. Gisela Bieling, Mitarbeiterin im Projekt. Ein weiterer interessanter Befund: Entscheidend für die Life Balance und das Stresslevel ist nicht das Ausmaß der Erreichbarkeit an sich, sondern die persönliche Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit. „Daher ist eine hohe Erreichbarkeit nicht immer ein Problem und generelles Abschalten von Emailservern, wie derzeit vereinzelt in Unternehmen praktiziert, keine Lösung“, so Bieling.

Doch warum nutzen Menschen ihre mobilen Kommunikationsmöglichkeiten nicht immer so, dass sie mit ihrer Erreichbarkeit zufrieden sind? Ursache für die Diskrepanz zwischen gewünschter und tatsächlicher Erreichbarkeit könnte ein unzureichendes Erwartungsmanagement sein. Die Befragung von Führungskräften und Kolleginnen und Kollegen der Studienteilnehmer zeigt: 36 Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer schätzen die Erwartungen ihrer Führungskraft an ihre Erreichbarkeit außerhalb der Arbeit höher ein als die Führungskraft selbst; 47 Prozent unterschätzen dagegen die Erwartungen ihrer Kollegen. Ein möglicher Grund für diese Fehleinschätzungen: 85 Prozent der Befragten haben weder mit ihrer Führungskraft noch mit Kollegen Absprachen zur Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten getroffen. Stock-Homburg empfiehlt: „Unternehmen sollten solche Absprachen fördern, damit die tatsächlichen Erwartungen transparent werden. So können Mitarbeiter wirklich abschalten, ohne unsicher zu sein, ob jemand erwartet, dass sie erreichbar sind.“

Die Studie wird im Rahmen der hessischen Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert.

Quelle: TU Darmstadt


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