Einsatz für Versöhnung: Mevlüde Genç erhält den „Erasmus Kittler Preis“

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Mevlüde Genç hat den "Erasmus Kttler Preis" der HSE Stiftung erhalten / Bild: HEAG Südhessische Energie AG (HSE)Mevlüde Genç ist von der HSE Stiftung für ihren Einsatz für Versöhnung und Toleranz der Nationen und Religionen ausgezeichnet worden. Der deutschen Staatsbürgerin türkischer Herkunft, die bei dem ausländerfeindlichen Brandanschlag 1993 in Solingen zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verloren hat, wurde am 25. März 2015 in Darmstadt der „Erasmus Kittler Preis“ verliehen. Diese Auszeichnung ist Teil des Preises „Darmstädter Impuls“, den die HSE Stiftung seit 2009 alle zwei Jahre vergibt.

Der „Erasmus Kittler Preis“ ist mit 20.000 Euro dotiert. Mevlüde Gençs Wunden sind auch heute – mehr als 20 Jahre nach den Anschlägen von Solingen – nicht verheilt. Doch trotz der schlimmen Erlebnisse ist sie nicht verbittert, sondern setzt sich bei jeder Gelegenheit für ein gesellschaftliches Miteinander in Frieden und Harmonie ein. Quelle der Lebensfreude sind ihre Familie und vor allem ihre Enkelkinder. „Die Frau, der deutsche Mörder so viel genommen hatten, bat schon wenige Tage nach der Tat: ‚Der Tod meiner Angehörigen soll uns öffnen, Freunde zu sein. Lasst uns Hand in Hand miteinander leben‘“, sagte Werner D’Inka, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in seiner Laudatio, „Bevor ich Frau Genç kennenlernte, konnte ich mir eine solche menschliche Größe schlicht nicht vorstellen.“

Mevlüde Genç lebt mit ihrer Familie seit 1973 in Solingen, das sie als ihre zweite Heimat bezeichnet, und hat zwei Jahre nach dem Brandanschlag die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Ein besonderes Anliegen ist Mevlüde Genç, Kinder und Jugendliche für ein friedvolles und tolerantes Miteinander zu sensibilisieren. Ihre Motivation beschreibt sie so: „Wenn du zu den Guten gehörst, musst du versuchen, andere dazu zu bringen, ihr Leben zum Guten zu wenden. Mit umgänglichen und herzensguten Menschen kommt jeder zurecht. Es ist schwerer, die Bösen zum Guten zu wenden.“

Staatsminister a. D. Karl Starzacher, Vorsitzender des Kuratoriums der HSE Stiftung, wies auf die Bedeutung des gesellschaftlichen Engagements hin: „Menschen wie Mevlüde Genç sind für unsere Gesellschaft von großer Bedeutung – heute mehr denn je. Denn sie betonen nicht die Unterschiede der Kulturen und Religionen, sondern stärken die Gemeinsamkeiten und damit den sozialen Zusammenhalt. Diese Impulse will die HSE Stiftung aufnehmen und verstärken.“ Die innere Stärke und die Fähigkeit, trotz der grausamen Erlebnisse das Gute zu sehen und zu einer Botschafterin für ein friedliches Zusammenleben zu werden, mache Mevlüde Genç zu einem Vorbild für andere Menschen.

Im Darmstädter Wissenschafts- und Kongresszentrum erhielten außerdem zwei Initiativen den mit jeweils 10.000 Euro dotierten „Ludwig Bergsträsser Preis“ für ihr Engagement in der Region Rhein-Main-Neckar. Der eine Preisträger ist der Förderverein des Kuratoriums Weltkulturdenkmal Kloster Lorsch, der für seine langjährige ehrenamtliche Förderung und Begleitung der Museumspädagogik an der Weltkulturerbestätte ausgezeichnet wurde. Die Museumspädagogik in Lorsch geht seit vielen Jahren neue und erfolgreiche Wege, um Kindern und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen, die Stellung des Kosters Lorsch und die Lebensweise im Mittelalter näher zu bringen. Das Kuratorium Weltkulturdenkmal Kloster Lorsch e. V. unterstützt die vorbildliche Arbeit der Museumspädagogik durch Förderung einzelner Projekte und plant, dieses Engagement weiter auszubauen. „In diesem Sinne gibt das ‚Kuratorium Weltkulturdenkmal Kloster Lorsch‘ hervorragende Impulse für eine Einbindung des Welterbegedankens in die Zivilgesellschaft. Die Verleihung des regionalen „Ludwig Bergsträsser Preises“ an den Verein ist zugleich ein Zeichen für die überregionale Bedeutung der geleisteten Arbeit“, lobte Laudator Professor Dr. Gerd Weiss, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege in Hessen.

Der andere Preisträger des „Ludwig Bergsträsser Preises“ ist die ehemalige Bürgerinitiative Grube Messel. Diese Initiative von Bürgern und Wissenschaftlern hat in den 1980er Jahren verhindert, dass aus der Grube Messel eine Mülldeponie wurde und dazu beigetragen, den wertvollen Naturschatz in unserer Region zu erhalten. 1995 wurde die Fossilienfundstätte Grube Messel zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt. Der Laudator Prof. Dr. Dr. h.c. Fritz Steininger, ehemaliger Direktor des Forschungsinstituts und Naturkundemuseums Senckenberg in Frankfurt, erinnerte an die wichtige Rolle der Bürgerinitiative: „Heute muss man ganz besonders den Bürgern danken, dass sie sofort reagierten. Bereits 1973 wurden die ersten Gegeninitiativen gesetzt und 1975 der Verein ‚Bürgerinitiative zur Verhinderung der Mülldeponie Grube Messel‘ gegründet. In vielen Aktionen, Demonstrationen, Veranstaltungen sowie Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss des Hessischen Oberbergamtes zum Sofortvollzug wurde gegen die Errichtung dieser Mülldeponie gekämpft. Letztendlich kamen dann die Deponiepläne 1997 durch die Bürgerinitiative und die Gemeinde Messel zu Fall – wozu den Damen und Herren unsere ungeteilte Hochachtung zu zollen ist“.

Die lokale Auszeichnung des Darmstädter Impuls vergibt die HSE Stiftung in diesem Jahr zum ersten Mal unter dem neuen Namen „Charlotte Heidenreich von Siebold Preis“ und ersetzt damit den bisherigen „Luise Büchner Preis“. Der neue Name erinnert an Charlotte Heidenreich von Siebold, die als die erste deutsche Frauenärztin gilt und in Darmstadt ein Geburtshaus für arme Frauen gegründet hat. Der „Charlotte Heidenreich von Siebold Preis“ geht ebenfalls an zwei Preisträger und ist mit jeweils 10.000 Euro dotiert.

Ein Preisträger ist der Förderverein für das Projekt ANNA (Alles Nur Nicht Aufgeben), mit dem die Darmstädter Kinderkliniken Prinzessin Margaret eine Anlaufstelle für Kinder in psychischen Krisensituationen bieten. Kinder und Jugendliche erhalten unbürokratisch und schnell kompetenten Rat und Hilfe. „Jugendliche und junge Erwachsene befinden sich in psychiatrischer Hinsicht an einer Weggabelung. Viele, zum Teil lebenslange psychische Erkrankungen nehmen hier ihren Ausgang. Deshalb finde ich es auch als Erwachsenenpsychiater vordringlich und vorbildlich, dass mit ANNA hier möglichst früh eingegriffen wird“, sagte Laudator Prof. Dr. med. phil. Martin Hambrecht, Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Agaplesion Elisabethenstift Darmstadt. Der andere Preisträger ist das V.I.P.eers-Projekt im Darmstädter Stadtteil Kranichstein. Junge Erwachsene, die dort aufgewachsen sind, engagieren sich innerhalb der Jugendgruppen des Stadtteils und tragen so zu einem friedlichen Zusammenleben in dem multikulturellen Stadtteil bei. „Ich habe mich sehr gefreut, die Laudatio für V.I.P.eers halten zu dürfen. Denn es sind junge Leute, die sich ganz praktisch für gelungene Integration auf lokaler Ebene engagieren. Wir alle wissen, dass dieses Thema eine große, aktuelle gesellschaftliche Bedeutung hat“ würdigte Laudatorin Nia Künzer, ehemalige Fußball-Nationalspielerin und Weltmeisterin im Jahr 2003.

„Alle Preisträger des Darmstädter Impuls verbindet ein gesellschaftliches Engagement, das Vorbildcharakter hat und viel Positives bewegt. Solche Impulse bräuchte unser Land viel häufiger“, sagte der Vorsitzende des Stiftungskuratoriums, Karl Starzacher.

Quelle & Bild: HEAG Südhessische Energie AG (HSE)


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