Europäischer Gerichtshof entscheidet über digitalisierte Bücher an elektronischen Leseplätzen – Rechtsauffassung der TU Darmstadt bestätigt

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AtheneDer Europäische Gerichtshof (EuGH) hält es für zulässig, dass öffentlich zugängliche Bibliotheken ihre Printbestände eigenständig digitalisieren, um sie an einem „elektronischen Leseplatz“ ihren Nutzern als digitales Dokument zur Verfügung zu stellen. Zugleich stellen die Richter klar, dass den Bibliotheken dieses Recht unabhängig von einem eventuell bestehenden Verlagsangebot zusteht, ein entsprechendes E-Book zu lizenzieren. Ebenso eindeutig stellt er klar, dass den Nutzern der Bibliothek entgelt- beziehungsweise tantiemenpflichtig die Möglichkeit eingeräumt werden kann, sich davon Teile auszudrucken oder downzuloaden.

Die TU Darmstadt begrüßt die am 11. September 2014 verkündete Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, die in dem seit 2009 geführten Rechtsstreit um die Auslegung des 2008 neu eingefügten Paragrafen 52b des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) nun (europarechtlich) endgültig Klarheit geschaffen hat. Dieser Paragraf regelt die Befugnis öffentlich zugänglicher Bibliotheken, sogenannte elektronische Leseplätze einzurichten und dort digitalisierte Printbestände zur Nutzung anzubieten. Der Ulmer-Verlag hatte, unterstützt von dem Börsenverein des deutschen Buchhandels, erreichen wollen, dass die Bibliotheken nur mit Erlaubnis des Verlages ein Digitalisat erstellen dürfen und dies auch nur dann, wenn der Verlag den entsprechenden Titel nicht als E-Book anbietet. Zudem wollte er in diesem Fall den Nutzern der Bibliothek das ansonsten zustehende Recht auf Privatkopie (Paragraf 53 UrhG) nehmen und die Bibliotheken verpflichten, technisch sicherzustellen, dass weder ein Ausdruck noch ein Download auch nur von Teilen des Werkes möglich ist. Damit wäre das 2008 geschaffene Recht praktisch bedeutungslos geworden, da zu einem wissenschaftlichen Arbeiten mit Texten unter anderem auch deren genaues Zitieren gehört, was nur auf Grundlage einer Kopie oder Abschrift des Textes möglich ist.

Der EuGH hat in seinem Urteil in allen Punkten die gegenteilige Rechtsauffassung der TU Darmstadt bestätigt und damit die Grundlage dafür geschaffen, den Nutzern der Bibliotheken die für Forschung und Lehre benötigten Texte auch unabhängig von Verlagsangeboten in moderner digitaler Form zur Verfügung stellen zu können. Dabei soll ein „gerechter Ausgleich“ für den Urheber geschaffen werden, wie der EuGH feststellt und auch die TU Darmstadt immer betont hat. „Es geht der TU nicht um ein kostenloses Vermehren verfügbarer Exemplare eines Textes, nicht um ein Recht auf ,Raubkopie‘, wie immer wieder von Verlagsseite behauptet wurde und wird“, so der Direktor der Universitäts- und Landesbibliothek, Dr. Hans-Georg Nolte-Fischer. „Völlig unbestritten ist, dass Urheber einen Vergütungsanspruch haben, wenn Kopien ihrer Werke ganz oder in Teilen erstellt werden.“ Tantiemen sind an die VG Wort abzuführen, wie dies in beiden Paragrafen 52b und 53 beziehungsweise 54 des UrhG, geregelt ist.

Die TU Darmstadt hofft, dass der Bundesgerichtshof die Entscheidung des EuGH in seiner fälligen Revisionsentscheidung sinngemäß übernimmt und die bisherige nationale Rechtsprechung, die der Verlagsseite in Sachen Nutzerkopie in unterschiedlicher Weise Recht gegeben hatte und mal nur den Download, mal den Download und den Ausdruck mit Hinweis auf vermeintliche europarechtliche Schranken verboten hatte, korrigiert und möglichst zeitnah eine Tantiemenvereinbarung zwischen der VG Wort und den Ländern zustande kommt, damit von dem schon lange bestehenden Recht der Bibliothek nun auch endlich Gebrauch gemacht werden kann.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichthofes in diesem Spezialfall des elektronischen Leseplatzes einen angemessenen Ausgleich zwischen den Rechten und Bedürfnissen der Autoren und der Leser bei der Nutzung elektronischer Medien durch Vergütung der Autoren und nicht durch Einschränkung der Nutzerrechte zu erreichen, sollte und könnte nach Auffassung der TU Darmstadt richtungsweisend auch in anderen Streitfällen der Nutzung elektronischer Medien sein, macht es erkennbar doch keinen Sinn, die Nutzung dieser Medien zu erschweren oder gar unmöglich zu machen, um den Autoren ihren Lohn durch den zwangsweisen Kauf oder die Nutzung anderer Medienformen zukommen zu lassen.

Quelle: TU Darmstadt


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