Literarischer März 2011 in Darmstadt: Leonce-und-Lena-Preis geht an Steffen Popp – Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise für Jan Volker Röhnert und Andre Rudolph

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Literarischer MärzDer Kulturdezernent der Wissenschaftsstadt Darmstadt, Oberbürgermeister Walter Hoffmann, verkündete am Samstag (27.03.2011) um 20 Uhr im Kulturwerk Centralstation die Entscheidungen und vergab den Leonce-und-Lena-Preis 2011 an Steffen Popp (Greifswald, *1978). Die Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise gingen an Jan Volker Röhnert (Gera, *1976) und Andre Rudolph (Warschau, *1975). Mit dem Leonce-und-Lena-Preis ist ein Preisgeld von 8000 Euro verbunden, die Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise sind mit jeweils 4000 Euro dotiert.

Die Entscheidung über die Preisvergabe trafen die Jurymitglieder Sibylle Cramer, Kurt Drawert, Jan Koneffke, Monika Rinck und Raoul Schrott. Dem Lektorat, das eine Vorauswahl unter den Bewerbungen traf, gehörten Fritz Deppert, Christian Döring und Hanne F. Juritz an.

Die Jury in ihrer Wertung des Leonce-und-Lena-Preisträgers: „Definitionen von Abend: Engramm eines Karrens / träumende Fördermaschine am Grund eines Sees / den ich lange durchschwamm. Bedeutung, eine / Unterart von Gerümpel, bildet Strände, Lungen. / Die Körper verschwinden im Zeichen …“: heißt es im letzten Gedicht des Zyklus von Steffen Popp, der den Leonce-und-Lena-Preis 2011 erhält. Diese Beschreibung eines Abends als letztem Baustein des Zyklus mit der Gleichsetzung von Bedeutung und Gerümpel enthält die Poetik der Gedichte.

Der Zyklus stellt die Meereslandschaft nicht ins Zeichen einer Schönheit, die als Ordnung und Sublimierung der an der Meeresküste vorgefundenen Materialien erscheint, sondern der Autor entdeckt und untersucht das stoffliche An-Sich-Sein dieser Materialien und sorgt für Rückführung einst missachteter Dinge wie Gestrüpp, Tang, Steine, Salz und Strandgut in die menschliche Betrachtung.

Unsere Fortschrittsskepsis, das Verschwinden von Lebenswelten hat uns sensibilisiert für den Wert von Dingen, die bei Klassizisten wie Lorrain, Poussin oder Hackert keine Chance gehabt hätten. Damit stellt Steffen Popp das Landschaftsgedicht auf neue Grundlagen.“

Zu Jan Volker Röhnert schreibt die Jury: „In Jan Volker Röhnerts Fernsprechwesen der Poesie vergisst sich die Schrift und wird Bild, sprechen wir nie nur mit uns allein, werden uns Leihscheine auf die Welt ausgestellt, zeigt sich uns die Spur der Dinge auf einem Radarschirm, kehren uns die Gedichte ihr Innerstes zu, stehen wir mitten im Tag, haben er, die Zeit und die Bäume eine Logik. Dafür erhält Jan Volker Röhnert einen der beiden Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise 2011.“

„Andre Rudolph hat in seinem Zyklus „die spinne, die liebe, der tod“ ein überzeugendes poetisches Referenzsystem dafür geschaffen, wie Sprache im Akt des Sprechens ihren Sinn verändern und zu einer ebenso komischen wie tragischen Verkettung von Verständnissen führen kann. Damit befindet er sich auf der Höhe moderner Kommunikationstheorien mit der grandiosen Überlegenheit, sie nicht nur behauptet, sondern literarisch dargestellt zu haben. Dafür wird ihm der Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis 2011 zuerkannt“, heißt es in der Würdigung der Jury für Andre Rudolph.

Bereits zum 17. Mal richtete die Wissenschaftsstadt Darmstadt den Literarischen März aus, seit 1979 werden in diesem Rahmen der Leonce-und-Lena-Preis und seit 1997 der Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis alle zwei Jahre von der Wissenschaftsstadt Darmstadt vergeben.

Zwölf junge Autorinnen und Autoren hatte das Lektorat des Literarischen März 2011 unter 482 Bewerbungen ausgewählt: Am 26. und 27. März 2011 traten sie in öffentlichen Lesungen in der Darmstädter Centralstation auf und stellten sich der Kritik. Bewerben konnten sich Nachwuchslyriker, die nicht älter als 35 Jahre sind.

Autobiografien:

Steffen Popp
wurde 1978 in Greifswald geboren und lebt in Berlin. Das Studium der Philosophie und Deutschen Literatur schloss er in Berlin ab, derzeit Promotion zum Thema Poesie und Lebensform. Er veröffentlichte die Gedichtbände Wie Alpen und Kolonie Zur Sonne, den Roman Ohrenberg oder der Weg dorthin und Übertragungen der us-amerikanischen Lyriker Christian Hawkey und Ben Lerner. Seine Gedichte wurden in zwölf Sprachen übersetzt und erscheinen regelmäßig in der FAZ.
Veröffentlichungen:
Kolonie Zur Sonne (Gedichte), Kookbooks, Idstein 2008.
Ohrenberg oder der Weg dorthin (Roman), ebd., Idstein 2006.
Wie Alpen (Gedichte), ebd., Idstein 2004.
Ben Lerner: Die Lichtenbergfiguren (Gedichte aus dem am. Englisch), Luxbooks, Wiesbaden 2010.
Christian Hawkey: Reisen in Ziegengeschwindigkeit (Gedichte aus dem am. Englisch), zus. mit Uljana Wolf, Kookbooks, Idstein 2007.
Helm aus Phlox. Zur Theorie des schlechtesten Werkzeugs. Zus. mit Ann Cotten, Daniel Falb, Hendrik Jackson und Monika Rink. Merve, Berlin 2011.
Auszeichnungen, Förderungen:
Preis der Stadt Münster für Internationale Poesie 2011 (als Übersetzer von Ben Lerner).
Förderpreis zum Kunstpreis Berlin 2010.*
Arbeitsstipendium der Bundeskademie Wolfenbüttel 2008.
Rauriser Literaturpreis 2007.
Nominierung zum Deutschen Buchpreis 2006.
Heimrad-Bäcker-Förderpreis 2006.
Kranichsteiner Förderpreis des Deutschen Literaturfonds 2004.
Aufenthaltsstipendium des Berliner Senats auf Schloss Wiepersdorf 2004.

Jan Volker Röhnert
Vita: Geboren 1976 in Gera; 2003-2008 Assistent an der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität; 2008-2010 DAAD-Lektor in Sofia/ Bulgarien; lebt gegenwärtig als freier Autor in Weimar. Erhielt u. a. den Lyrikdebütpreis des Literarischen Colloquiums Berlin (2003) und zuletzt das Harald-Gerlach-Stipendium des Freistaats Thüringen (2010).
Gedichtbände u.a.: Burgruinenblues (edition muschelkalk 2003); Die Hingabe, endloser Kokon (edition Azur 2005); Metropolen (Hanser 2007).

Andre Rudolph
Geboren 1975 in Warschau als Sohn eines deutschen Vaters und einer polnischen Mutter, aufgewachsen in Leipzig. 1993-1999 Studium der Germanistik, Philosophie und Slawistik in Leipzig und Freiburg. Lebt als Autor und Übersetzer in Leipzig.
Gedichte, Essays und Übersetzungen in zahlreichen Zeitschriften und Anthologien, u.a. Sinn und Form, Edit, BELLA triste, Intendenzen, Sprache im technischen Zeitalter, Akzente, Ostragehege, Gegenstrophe, Lyrik von Jetzt Zwei, Neubuch, Jahrbuch der Lyrik, DIE ZEIT. – Einzelne Gedichte wurden ins Englische, Polnische und Rumänische übersetzt und vertont.
„Fluglärm über den Palästen unsrer Restinnerlichkeit“. Gedichte. Luxbooks, Wiesbaden 2009. – Rezensionen in FAZ, Welt und im Internet. SWR-Bestenliste März 2010. (In der Endrunde zum Peter-Huchel-Preis 2010.)
Übersetzungen polnischer Lyrik, u.a. Krzysztof Siwczyk (Edition Erata, Leipzig 2007), Tadeusz Dabrowski (Luxbooks, Wiesbaden 2010), Adam Wiedemann (Poesiefestival Berlin 2009).
Finalist beim 15. Open Mike der LiteraturWERKstatt Berlin 2007
Prosanova-Literaturpreis 2008,
Lyrikpreis Meran 2010,
Kranichsteiner Literaturförderpreis 2010 und Preis der Schülerjury
Stipendium des kunstraum sylt:quelle 2010, LCB-Übersetzerstipendium 2010

Quelle: Pressestelle der Wissenschaftsstadt Darmstadt


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