Die durchschlagende Wirkung des Expressionismus

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Das Cabinet des Dr. CaligariVom 24. Oktober 2010 bis 13. Februar 2011 findet auf der Mathildenhöhe Darmstadt die Ausstellung „Gesamtkunstwerk [[Expressionismus]] – Kunst, Film, Literatur, Theater, Tanz und Architektur 1905-1925!“ statt.

„Gesamtkunstwerk Expressionismus“, realisiert mit aufwändiger Szenografie als eindringlicher Parcours von Schauräumen, Rampenarchitekturen, Bühnen und Medieninstallationen, ist einer der Ausstellungshöhepunkte Deutschlands im Herbst/Winter 2010/2011.

Wegen des zu erwartenden großen Andrangs beginnt ab sofort der Vorverkauf im Internet.

Ob Egon Schiele als Doppelbegabung in Wien nach 1900 oder das Gesamtkunstwerk Leben im Berliner Atelier von Ernst-Ludwig Kirchner. Ob Paul Hindemiths Frankfurter Oper „Mörder, Hoffnung der Frauen“ als exemplarisches Bühnenkunstwerk nach Oskar Kokoschka oder die Ganzkörpermasken der Tänzerin Lavinia Schulz, die auf den Hamburger Künstlerfesten der 1920-er Jahre Furore machten: Der Expressionismus hat seine Zeit weitaus intensiver geprägt als bislang bekannt. Das Institut Mathildenhöhe Darmstadt realisiert deshalb in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum Frankfurt erstmals eine umfassende Ausstellung über die vitalen Netzwerke, die erstaunlichen Gesamtkunstwerke und genuinen Wechselwirkungen der künstlerischen Gattungen des Expressionismus. Der Gedanke an das große „Einheitskunstwerk“ bewegt die Akteure der „Brücke“ und des „Neopathetischen Cabaret“ ebenso wie die Künstler von Herwarth Waldens „Sturm“, das Filmteam des „Dr. Caligari“ oder die Architekten der „Gläsernen Kette“ um Bruno Taut. Die interdisziplinäre Übersichtsschau auf der Mathildenhöhe Darmstadt vereint vor dem dramatischen zeitgeschichtlichen Hintergrund der Jahre vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg rund 400 Werke – Gemälde, Filmausschnitte, Fotos, Plakate, Texte, Architekturskizzen, Musikstücke, Zeichnungen, Skulpturen und Zeitdokumente – zu einem einzigartigen Panorama der expressionistischen Epoche. Und entdeckt damit den Expressionismus neu.

Der bis dato kaum bekannte Expressionismus gipfelt in der faszinierenden Aktivität furioser Mehrfachbegabungen zwischen 1905 und 1925, dem Gründungsjahr der Künstlergruppe Brücke in Dresden und dem Jahr der Ausstellung Neue Sachlichkeit in der Kunsthalle Mannheim. Der chronologischen Breite entspricht eine größtmögliche topografische Weite: Es geht nicht nur um die einschlägigen Expressionisten-Hochburgen Dresden, Berlin, Wien und München, sondern auch um Hamburg, Itzehoe, Frankfurt am Main und Darmstadt.

Mit der Ausstellung schließt sich auch ein Kreis in der Geschichte des „Gesamtkunstwerks“. Das „Streben zu einem Gesamt-Kunstwerke von Seiten aller Künste“ wird nach der frühesten Erwähnung 1827 in der Ästhetik oder Lehre von Weltanschauung und Kunst von Karl Friedrich Eusebius Trahndorff insbesondere bei Richard Wagner ab 1849 programmatisch zum „Gesamtkunstwerke der Zukunft“, das „praktisch nur in der Genossenschaft aller Künstler“, ihrer „Vereinigung […] nach Zeit und Ort, zu einem bestimmten Zwecke“ vorstellbar ist, so Wagner. „Der Begriff ‚Gesamtkunstwerk’“ wurde seither, wie Harald Szeemann schon 1983 anlässlich seiner epochalen Ausstellung Der Hang zum Gesamtkunstwerk formuliert, „theoretisch nie definiert und ist nicht nur in der Kunstliteratur zu einer beliebig verwendbaren Begriffshülse geworden“.

Die Ausstellung Gesamtkunstwerk Expressionismus auf der Mathildenhöhe Darmstadt führt nun das Gesamtkunstwerk wieder auf den bereits von Wagner postulierten Inhalt zurück. Im Expressionismus mit seiner Vielzahl an interdisziplinären Vereinigungen und „Genossenschaften“ von Künstlern aller Richtungen und Sparten wird Wagners „Gesamtkunstwerk der Zukunft“ erstmals umfassend Realität. In den inhaltlichen wie formalen Befreiungsschüben der Krisen-, Kriegs- und Nachkriegszeit entstehen Avantgardeimpulse sonder Zahl in Kunst, Film, Literatur, Musik, Theater, Tanz und Architektur, die nicht nur ihre Generation, sondern das gesamte 20. Jahrhundert prägen werden.

Der Katalog / Das Hörbuch / Der Film

Das reich bebilderte Katalog- und Lesebuch, herausgegeben von Ralf Beil und Claudia Dillmann, mit Essays von Thomas Anz, Ralf Beil, Gerda Breuer, Claudia Dillmann, Werner Durth, Petra Gehring, Wolfgang Pehnt, Rüdiger Schütt u.a. sowie Quellentexten von Hugo Ball, Gottfried Benn, George Grosz, Bruno Taut, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Herwarth Walden u.a. erscheint im Hatje Cantz Verlag: 512 S., 505 Abb., 24,5 x 30,5 cm, Hardcover, deutsche und englische Ausgabe, € 45 an der Museumskasse, € 58 im Buchhandel. Zur Ausstellung erscheint zudem in der Reihe „Kunst zum Hören“ von Hatje Cantz der Band „Gesamtkunstwerk Expressionismus 1905-1925“: 64 S., 50 farbige Abb., 22 x 22 cm, mit CD, deutsche und englische Ausgabe, € 16,80. Der Film zur Ausstellung, produziert von Cine + Berlin im Auftrag des Instituts Mathildenhöhe Darmstadt und des Deutschen Filmmuseums Frankfurt, rundet die Begleitmedien ab: DVD mit Hardcover, 30 min, €19 an der Museumskasse.

Das Projekt „Phänomen Expressionismus“

Die Ausstellung „Gesamtkunstwerk Expressionismus“ ist Teil des großen Kooperationsprojektes „Phänomen Expressionismus“, das der Kulturfonds Frankfurt RheinMain initiiert und finanziell ermöglicht hat. Erstmals vernetzen sich im Rhein- Main-Gebiet über zwanzig renommierte Kunst- und Kulturinstitutionen, um bis 2012 mit Ausstellungen, Musik- und Tanzproduktionen sowie Film- und Theateraufführungen in Bad Homburg, Darmstadt, Frankfurt am Main, Hofheim und Wiesbaden die vielfältigen Verflechtungen der Stilepoche mit der Region in ganz unterschiedlichen Facetten darzustellen. Seit dem Start im Herbst 2009 trifft die Initiative auf ein begeistertes Publikum. Große Erfolge waren bereits die monografischen Werkschauen zu Martin Elsaesser und Ernst Ludwig Kirchner und weitere Höhepunkte des „Phänomen Expressionismus“, wie etwa die Welturaufführung der rekonstruierten Fassung von Fritz Langs Meisterwerk Metropolis von 1927.

Professor Dr. Herbert Beck, Geschäftsführer des Kulturfonds Frankfurt RheinMain erläutert: „Im Rahmen des „Phänomen Expressionismus“ vermittelt die Überblickschau auf der Mathildenhöhe Darmstadt gattungsübergreifend die durchschlagende Wirkung des Expressionismus. Eindrucksvoll stellt die Ausstellung unter Beweis, wie tiefgreifend die Suche nach neuen Ausdrucksformen für Umbruch und Erneuerung steht.“

Dr. Ralf Beil, Direktor des Institut Mathildenhöhe Darmstadt, unterstreicht die Bedeutung des Kulturfonds: „Ohne die substantielle Unterstützung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain wäre eine solch ambitionierte Neuentdeckung des Expressionismus, wie sie die Ausstellung „Gesamtkunstwerk Expressionismus“ auf der Mathildenhöhe Darmstadt im Herbst/Winter 2010/2011 unternimmt, schlicht nicht möglich.“

Quelle: Institut Mathildenhöhe
Bild: Das Cabinet des Dr. Caligari, 1919/20
Regie: Robert Wiene
Ausbelichtetes Filmbild
Friedrich-Wilhlem-Murnau-Stiftung, Wiesbaden
© Friedrich-Wilhlem-Murnau-Stiftung, Wiesbaden


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