Jugend forscht: Elf Nachwuchsforscher aus Hessen beweisen „Bundesliga-Tauglichkeit“

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Jugend ForschtDie Sieger des hessischen Landeswettbewerbs Jugend forscht stehen fest: Elf Jungforscher haben in ihren Wissenschaftsgebieten einen ersten Platz errungen und sich damit für das Finale beim Bundeswettbewerb vom 13. bis 16. Mai 2010 in Essen qualifiziert. Zwei Tage hatten 20 Mädchen und 32 Jungen beim Pharma- und Chemieunternehmen Merck in Darmstadt ihre Forschungsprojekte präsentiert und sich den kritischen Fragen der Jurymitglieder gestellt. Die mehr als 20 Juroren aus Schulen, Universitäten und Unternehmen zeigten sich von der „Bundesliga-Tauglichkeit“ der Siegerarbeiten überzeugt. „Die Nachwuchsforscher haben das diesjährige Motto ,Entdecke neue Welten!‘ beim Wort genommen“, sagte Barbara Hoffmann, Merck-Patenbeauftragte Jugend forscht. „Sie haben Themen aus ihrer Alltagswelt entdeckt, sich wissenschaftlich damit auseinandergesetzt und sind zu überraschenden und originellen Ergebnissen gekommen.“

Im Fachgebiet Arbeitswelt gewann Lutz Broszio von der Fürst-Johann-Ludwig-Schule in Hadamar mit einem automatischen Farb-Ton-Wandler für Blinde. Theodor Peez von der Prälat-Diehl-Schule in Groß-Gerau lag in Chemie mit einem Testverfahren zur Schärfebestimmung von Lebensmitteln vorn. In der Biologie überzeugte Ann-Kathrin Förster aus Maintal die Jury: Sie untersuchte den Einfluss von Musik auf das Wachstum menschlicher Hautzellen. Thomas Schrauth vom Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis in Michelstadt gewann in Physik mit einem Projekt, das zu leistungsfähigeren Bauteilen für die Strombegrenzung oder Füllstandsmessung führen könnte. Der erste Preis in Mathematik ging an Lothar Klammer, Tina Ebert und Klara Keutel von der Internatsschule Schloss Hansenberg in Geisenheim, die sich mit Methoden der Spieltheorie experimentell auseinandersetzten. Im Fachgebiet Technik stieg Malte Nickel vom Johanneum-Gymnasium in Herborn mit der Entwicklung eines Plasmalautsprechers aufs Siegertreppchen. Der Preis für die beste interdisziplinäre Arbeit ging an Flora Kahlhöfer, Mareike Dörr sowie Anna Rosmanitz von der Main-Taunus-Schule in Hofheim: Sie untersuchten, wie wirtschaftlich und ökologisch Energiesparlampen tatsächlich sind. In Geo- und Raumwissenschaft wurde in diesem Jahr kein erster Preis vergeben.

Neben dem Einzug ins Bundesfinale Jugend forscht und den damit verbundenen Preisgeldern wurde das Engagement der Teilnehmer mit einer Reihe von Forschungspraktika sowie Sach- und Geldpreisen von insgesamt mehr als 12.000 Euro belohnt.

Den mit 500 Euro dotierten hessischen Schulpreis für besonderes Engagement erhielt in diesem Jahr der Physikclub Kassel. Der Staatssekretär im Hessischen Kultusministerium Heinz-Willhelm Brockmann, der darüber hinaus Theodor Peez mit dem Sonderpreis für die schöpferisch beste Arbeit auszeichnete, sagte bei der Preisverleihung: „Wettbewerbe wie Jugend forscht fordern die Schülerinnen und Schüler dazu heraus, ihre Talente und Fähigkeiten kreativ anzuwenden und zu erweitern. Sie sind damit eine wichtige Ergänzung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule. Auch in diesem Jahr ist es wieder beeindruckend zu sehen, was die Schülerinnen und Schüler aus Hessen geleistet haben. Den Siegern von heute wünsche ich schon jetzt viel Erfolg für den Bundesentscheid.“

Gebührende Anerkennung wurde nicht nur den Jungforschern, sondern auch deren Betreuern zuteil. Den meisten Teilnehmern des Wettbewerbs stehen Lehrer und Ausbilder zur Seite, die den Jugendlichen bei der Themenfindung helfen, sie motivieren, deren Teilnahme organisieren und die Sicherheitsrichtlinien überwachen. „Die Qualität der Arbeiten hängt unmittelbar von der Intensität und Güte der Betreuung ab“, sagte die Landeswettbewerbsleiterin Dr. Christiane Gräf. „Ohne ihr ehrenamtliches Engagement würden die meisten Wettbewerbsarbeiten nicht entstehen.“ Für die Betreuer standen bei Merck unter anderem eine Werksbesichtigung bei Merck und die Teilnahme an einer Chemie-Experimentalshow an der TU Darmstadt auf dem Programm. Die Stiftung Jugend forscht werde sich künftig noch stärker um die Projektbetreuer kümmern, kündigte Gräf an.

Dass sich eine erfolgreiche Teilnahme am Jugend-forscht-Wettbewerb auch später noch auszahlen kann, zeigt das Beispiel von Matthias Schnaubelt aus Zwingenberg. Der 20-jährige Physikstudent errang 2008 für die Entwicklung eines sechsbeinigen Laufroboters einen 2. Platz beim Bundeswettbewerb Jugend forscht. Im Rahmen der Feierstunde wurde er jetzt mit dem Merck-Preis für ehemalige Jungforscher ausgezeichnet. Verbunden mit dem Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro ist die Einladung zum Auswahlverfahren des „Student Excellence Program“ bei Merck. Hierbei werden herausragende Praktikanten oder Studenten individuell gefördert, um sie als neue Mitarbeiter gewinnen zu können.

Merck ist seit 1982 Patenunternehmen des Jugend-forscht-Wettbewerbs; seit 1996 richtet das Unternehmen die Landesentscheidung in der Merck-Sporthalle in Darmstadt aus. Bis heute hatten hier mehr als 1.600 Jungforscher die Möglichkeit, ihre Forschungsergebnisse öffentlich zu machen. Neben der Patenschaft für Jugend forscht unterstützt Merck durch seine Schulförderung gezielt Partner- und Projektschulen aus der Region Darmstadt.

Von den 28 präsentierten Forschungsarbeiten beim diesjährigen Landeswettbewerb gingen diese Sieger in den einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen hervor:

Fachgebiet Arbeitswelt (Projekt 2):
Lutz Broszio (19 Jahre), Fürst-Johann-Ludwig-Schule, Hadamar
Vom Regenbogen zur Tonleiter
Chemie ist farbenfroh und vielfältig. Sehbehinderten Schülern bleibt dieser Eindruck leider verwehrt. Inspiriert durch einen Experimentalvortrag, der von einem Saxophonisten begleitet wurde, entwickelte Lutz Broszio aus Hadamar einen Farb-Ton-Wandler, mit dem Blinde die Farbumschläge chemischer Reaktionen akustisch verfolgen können. Seine ersten Tests an der Blindenstudienanstalt Marburg verliefen erfolgreich: Bei einer Säure-Base-Reaktion, die wässrige Lösungen abhängig von ihrem pH-Wert in unterschiedlichen Farben des Regenbogens zeigt, konnten blinde Schüler hören, ob die Lösung sauer oder basisch ist.

Fachgebiet Biologie (Projekt 6):
Ann-Kathrin Förster (20), Zentrum der Dermatologie und Venerologie, Frankfurt
Mozart oder Eminem?
Kühe, die mehr Milch geben, wenn sie Mozart hören; Pflanzen, die sich von lauter Hip-Hop-Musik abwenden – lassen sich solche Phänomene wissenschaftlich erklären? Diese Frage erforschte Ann-Kathrin Förster aus Maintal. Sie untersuchte, welchen Einfluss Musik auf das Wachstum menschlicher Hautzellen hat, und konnte dabei eindeutige Effekte nachweisen: Die wechselnde Beschallung mit Musik des Rappers Eminem und Stücken von Mozart wirkt stimulierend auf den Stoffwechsel von Zellen. Die Erkenntnisse könnten zu einer gezielten Züchtung menschlicher Hautzellen für medizinische Zwecke beitragen.

Fachgebiet Chemie (Projekt 12)
Theodor Edmund Peez (19), Prälat-Diehl-Schule, Groß-Gerau
Echt scharf!?
Ob der Genuss von Paprikachips ein angenehmes Prickeln auf der Zunge oder Tränen in den Augen hinterlässt, entscheidet die Dosis an Capsaicin. Der Naturstoff ist in Chili- und Paprikaschoten enthalten und wird auch als Wirkstoff in Rheumapflastern oder sogenannten Pfeffersprays eingesetzt. Theodor Peez aus Groß-Gerau entwickelte in seinem Forschungsprojekt einen einfachen Schärfetest, der den Capsaicin-Gehalt in Lebensmitteln chemisch bestimmt. Der Vergleich des Teststreifens mit einer Farbskala verrät: Vorsicht, grün – superscharf!

Fachgebiet Mathematik/Informatik (Projekt 17)
Lothar Klammer (18), Tina Ebert (17), Klara Keutel (16), Internatsschule Schloss Hansenberg, Geisenheim
Mathematik für den Stammtisch
Gehe ich am Donnerstagabend in die meist überfüllte Dorfbar oder nicht? Für Lothar Klammer, Tina Ebert und Klara Keutel aus Geisenheim ist dies eine rein mathematische Entscheidung. Die Geisenheimer Schüler haben diese Frage theoretisch und experimentell mit den Methoden der Spieltheorie untersucht. Eines ihrer Ergebnisse: Spieler, die sich nicht von ihrem Umfeld beeinflussen lassen, fühlen sich in der Bar am wohlsten. Ihre Erkenntnisse lassen sich auf vielfältige Entscheidungsprozesse übertragen, zum Beispiel auf den Handel von Wertpapieren.

Fachgebiet Physik (Projekt 23):
Thomas Schrauth (19), Berufliches Schulzentrum Odenwaldkreis, Michelstadt
Hitziger Widerstand
Hat der Haarglätter seine optimale Temperatur erreicht, wird die Stromzufuhr unterbrochen. Sinkt die Temperatur unter den gewünschten Wert, fließt wieder Strom und das Gerät heizt auf. Möglich wird dies durch einen PTC-Widerstand, ein Halbleiterbauteil, dessen Widerstand exponentiell mit der Temperatur steigt. Thomas Schrauth aus Beerfelden hat ein theoretisches Modell für das nichtlineare Verhalten eines Spannungsteilers mit PTC-Widerstand entwickelt, das elektrische mit materialspezifischen Größen verknüpft. Seine Ergebnisse könnten zur Entwicklung von leistungsfähigeren Bauteilen für die Strombegrenzung oder Füllstandsmessung beitragen.

Fachgebiet Technik (Projekt 28):
Malte Nickel (17), Johanneum-Gymnasium, Herborn
Töne wie Donner
In einem magnetischen Lautsprecher lässt eine Membran die Umgebungsluft im Takt der Musik schwingen. Die direkte Übertragung eines Schwingungsignals auf die Luft würde jedoch zu einer verbesserten Klangqualität vor allem bei hohen Frequenzen führen – der Traum eines jeden Musikfans. Der Natur gelingt dies durch einen Blitz, bei dem ein Plasma ein zeitverzögertes Donnergeräusch erzeugt. Malte Nickel aus Sinn entwickelte einen Plasmalautsprecher, der dieses Prinzip nutzt: Mit Hilfe zweier Elektroden erzeugt er ein stabiles Plasma, steuert es über einen Schwingkreis an und kann so Töne mit Frequenzen ab einem Kilohertz wiedergeben.

Beste interdisziplinäre Arbeit (Projekt 26):
Flora Kahlhöfer (18), Mareike Dörr (18), Anna Rosmanitz (15), Main-Taunus-Schule, Hofheim
Licht mit Zukunft
Seit dem Jahr 2009 gilt: Glühlampe verboten, es lebe die Energiesparlampe. Flora Kahlhöfer, Mareike Dörr und Anna Rosmanitz aus Hofheim und Hattersheim nahmen die EU-Verordnung zum Anlass, einen umfassenden Vergleich verschiedener handelsüblicher Lichtquellen zu erstellen. Aus ihren ökonomischen und ökologischen Bewertungen ziehen sie das Fazit: Energiesparlampen sollten unter anderem aufgrund ihres Quecksilbergehalts nur eine Übergangslösung bleiben und ihre Entsorgung strenger reglementiert werden. Großes Zukunftspotenzial haben nach Meinung der Schülerinnen dagegen LED-Leuchten und Leuchtdioden auf Basis organischer Materialien, sogenannte OLEDs.

Im Fachgebiet Geo- und Raumwissenschaften wurde kein erster Preis vergeben.

Die Technische Universität Darmstadt hat Lennart Schmitt vom Ulrich-von-Hutten-Gymnasium in Schlüchtern mit ihrem Sonderpreis im Landeswettbewerb Jugend forscht ausgezeichnet.
Der 14 Jahre alte Schüler der 8. Klasse kann damit ein zweiwöchiges Praktikum bei Prof. Dr. Felicitas Pfeifer am Fachbereich Biologie der TU Darmstadt absolvieren.

Schmitt hat in seiner Wettbewerbsarbeit Hecken als Lebensräume für einheimische Vögel untersucht und diese mit dem Lebensraum Wald verglichen. Dazu hat er selbst 174 Nistkästen in verschiedenen Hecken angebracht und regelmäßig beobachtet. Die Ergebnisse stellte er Daten gegenüber, die eine ökologische Forschungsstation in benachbarten Waldgebieten erhoben hatte. Dabei stellte Schmitt fest, dass Hecken nicht nur sehr gute Lebensräume für Blau-, Kohl- und Tannenmeisen sind, sondern sich mit dem Feldsperling und der Haselmaus auch zwei bedrohte Arten in Hecken sehr wohl fühlen. Laut Schmitts Studie finden beide Arten in Hecken sogar bessere Bedingungen vor als in Wäldern. Schmitt empfiehlt daher, als Ausgleichsflächen für Baumaßnahmen verstärkt Hecken anzulegen.

Die Technische Universität Darmstadt beteiligt sich seit 2001 jährlich mit der Ausschreibung eines Sonderpreises am Landeswettbewerb Jugend forscht Hessen, meist verbunden mit einem 14-tägigen Praktikum.

Quelle: Merck KGaA & TU Darmstadt


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